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MSIF Profil des Monats: Juni 2008

04.06.08 - Mit 22 versagten Roberta Amadeo die Beine. Vor die Wahl gestellt "Leben oder Überleben", entschied sie sich, zu leben. Und das heißt in ihrem Fall, auch als MS-Betroffene ihren Beruf auszuüben.

 
 
MSIF Profil des Monats: Juni 2008
 
 

Name: Roberta Amadeo
Alter: 38
Land: Italien
Beruf: Architektin
Art der MS: sekundär progredient

Eine Welt ohne MS ist keine Utopie.

Mein Name ist Roberta Amadeo. Ich bin 34 Jahre alt, Architektin, arbeite für eine kleine Firma in Como und gebe auch Unterricht in Informatik. Zur Zeit bin ich Vorstandsvorsitzende der Italienischen MS-Gesellschaft (AISM).

Auch mit Abstand betrachtet war mein Leben niemals einfach. Ich wurde nach der Geburt ausgesetzt und lebte bis zu meinem 5. Lebensjahr bei einer älteren Frau. In meiner frühen Kindheit musste ich mit den Hänseleien der anderen Kinder zurechtkommen und entwickelte die Vorstellung, dass meine Eltern früher oder später zu mir zurückkommen würden. Stundenlang saß ich am Fenster und wartete auf sie. Letztendlich kamen aber meine Adoptiveltern und wählten mich aus, wie sie das mit meiner Schwester getan hatten: sie ist zwei Jahre älter als ich und hatte sich seit langem eine Schwester gewünscht.

Bald wurde Sport meine Leidenschaft: ich war nationaler Judo-Champion und fuhr gern mit meinem Rennrad. Dann tauchte 1992 plötzlich MS in meinem Leben auf und ich konnte meine Beine nicht mehr gebrauchen. Für eine lange Zeit gab es nur eine einzige Frage in meinem Kopf "warum bin ich mit meinen erst 22 Jahren in einer derart schlechten Lage"? Nach dem Verlassen des Krankenhauses merkte ich, dass es nicht leicht sein würde, mein Leben neu zu gestalten. Vor die Wahl gestellt "Leben oder Überleben" entschied ich mich, zu leben.

Ich sagte mir "los jetzt, fang wieder an" und fand die Kraft, mein Universitätsstudium fortzusetzen und mein ursprüngliches Ziel zu erreichen: Architektin zu sein. Einfach war es nicht, darum war dieser Erfolg ein maßgeblicher Moment in meinem Leben.

Im MS-Zentrum des Sant’Anna Krankenhauses in Como bekam ich viel Kraft, weil ich dort umfassend hinsichtlich Therapie und nötiger Hilfestellung unterstützt wurde. Die Ärzte und Schwestern versuchten nie, etwas vor mir zu verbergen und bezogen mich in jede Entscheidung mit ein, wie das selbst Kathetern. Ich wurde täglich unabhängiger. 1998 bekam ich die intrathekale Baclofen-Pumpe (ITB) gegen die Spastik eingesetzt, wieder auf meinen Wunsch hin; diese ITB löste eine Menge meiner Probleme.

Auch die AISM war eine große Hilfe, ich bekam Unterstützung nicht nur in praktischer Hinsicht (technische Hilfsmittel), sondern auch emotional und psychisch von den Freiwilligen, denen ich begegnete. 1993 wurde ich Mitglied der AISM und seit 1999 bin ich Vorstandsmitglied der Bezirkssektion Como.

In den AISM-Vorstand wurde ich 2004 gewählt und seither führe ich die "Junge-Menschen- mit-MS"-Gruppe Como. Die Gruppe trifft sich zum Erfahrungsaustausch, arbeitet an neuen Projekten (wie der Gründung einer Fotografie-Gruppe) und organisiert verschiedene Kultur- und Freizeit-Aktivitäten. Dahinter steckt unsere Botschaft, dass MS nicht unsere Lebenseinstellung geändert hat; sie hat nur unseren Blickwinkel verändert. Die Gruppe hat eifrig an der Entwicklung einer Reihe von Initiativen gearbeitet, wie z.B. der Organisation und Führung von Selbsthilfegruppen und der Schaffung eines funktionstüchtigen Komitees, das Menschen mit und ohne MS offen steht.

Durch die Gruppe fand ich neue Freunde, aber ich reise auch gern und verbringe Zeit mit den alten Freunden, wirklichen Freunden, die auch nach der Diagnose bei mir blieben. Vor einigen Jahren führte mich meine Reiselust in den Vereinigten Staaten, wo ich eine Gruppe in das Monument Valley in Arizona führte. Ich erinnere mich ganz deutlich an das Hochgefühl, als ich mit meinem Rollstuhl die Felsformationen des Tales erblickte.

Ich bin auch in lokale und nationale Fundraising-Events miteingebunden, wie den Nationalen Gardinia-Tag und Ein Apfel zum Leben. Wenn MS-Betroffenen bewusst wird, dass sie die Verantwortung für ihr Leben tragen, werden sie immer mehr in solche Initiativen mit eingebunden.

Ich glaube fest an die Projekte und Visionen der AISM und habe deswegen auch die Funktion der Vorsitzenden angenommen. Dass ich als junge, berufstätige Frau mit MS in diese Funktion gewählt wurde, unterstreicht nicht nur die entscheidende Rolle, die junge Menschen mit MS und darüber hinaus Frauen mit MS in der AISM spielen, sondern auch die laufende Kampagne der Gesellschaft, MS-Betroffenen gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten wie gesunden Menschen zu verschaffen.

Mein Rat aus meiner persönlichen Erfahrung an alle Menschen, bei denen MS diagnostiziert wurde, ist: "Krempel die Ärmel auf und stell dich der Herausforderung. Tu dein Bestes bei
allem, was du tust".

 
 MSIF und AMSEL danken Margot Sepke für die Übersetzung dieses Profils des Monats. 
 

Redaktion: AMSEL e.V., 05.06.2008