Spenden und Helfen

MSIF-Profil des Monats: August 2010

10.08.10 - Vahida Hajdaebegovic überlebte den Krieg in ihrem Land. Gegen die Multiple Sklerose kämpft sie noch.

Vahida Hajdaebegovic

Name: Vahida Hajdaebegovic
Alter: 44
Land: Herzegowina und Bosnien
Beruf: Freie Lehrerin und Übersetzerin
Jahr der Diagnose: 1989
Art der MS: schubförmig

Mein Name ist Vahida. Ich bin mit Fadil verheiratet, einem Mechaniker, und ich habe zwei Kinder im Alter von 21 und 22. Ich lebe in Tuzla, in Bosnien-Herzegowina im Südosten Europas.

Lass mich dir meine Geschichte erzählen: Nach der Geburt eines zweiten Kindes hatte ich hohes Fieber und Doppelbilder, sowie Spasmen und Taubheitsgefühle auf der rechten Seite meines Körpers. Eines Tages wachte ich mit einem dumpfen Schmerz in meinem rechten Arm und Bein auf. Ich ignorierte es und ging ganz normal zur Arbeit. Einen Monat später, nach einem kurzen Nachmittagsschlaf, konnte ich meinen Arm nicht mehr bewegen. Als ich versuchte aufzustehen, war mein Bein schwach und ich konnte keine gerade Haltung einnehmen. Ich dachte, ich hätte in einer schlechten Position geschlafen und dass sich alles wieder normalisieren werde. Aber das geschah nicht.

Nach medizinischen Untersuchungen wurde ich mit MS diagnostiziert. Ich wusste nicht was ich denken sollte. Alles was ich wusste war, dass ich einige Wochen zuvor noch eine gesunde normale Frau war und nun lag ich in einem Krankenhausbett, kaum fähig mich zu bewegen.

Zuerst war es wirklich Angst einflößend. Mein Ehemann und ich waren depressiv, weil wir nicht wussten, was wir tun sollten. Wir fühlten uns verlassen.

Den Krieg überleben

Kurz danach brach in meinem Land ein Konflikt aus, der sich zu einem zerstörenden Krieg entwickelte und erst 1995 endete. Während dieser Zeit war die MS das letzte woran ich dachte, mein Ziel war es zu überleben, meine Kinder und meine Lieben zu beschützen und für ausreichend Essen zu sorgen. 1993 bekam ich einen Job bei den UNO Friedenstruppen, die in Tuzla stationiert waren.

1995 starb meine Mutter, eine meiner größten Unterstützerinnen, an Krebs. Das war sowohl emotional als auch physisch sehr belastend und ich spürte zunehmend meine MS. Aber es musste weitergehen und als die NATO die Rolle der UNO übernahm, bekam ich einen Job bei einer Firma, die das US Militär logistisch beriet. Es war sehr wichtig für mich aktiv zu bleiben, zudem mochte ich meine Arbeit und ich fühlte mich nützlich, weil ich in der schweren Nachkriegszeit meine Familie finanziell unterstützen konnte.

2000 verlor ich meinen Vater, der auch an Krebs starb. Das war ein weiterer Schock und verbesserte meine Lage nicht. Zwischen 2000 und 2005 musste ich einige Male ins Krankenhaus. Mein Ehemann Fadil, meine Tochter Maida und mein Sohn Semir unterstützten mich während dieser schweren Zeit. Das hielt mich am Leben.

Unsere MS-Gesellschaft

Letztendlich ging ich 2003 in Pension. Das war eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens. Meine Chefs und meinen Kollegen gaben mir wahrhaftige Unterstützung, aber ich war nicht mehr fähig das Beste in der Arbeit zu geben, weshalb ich ging. Erneut hielt mich die Unterstützung meines Ehemannes während dieser Zeit aufrecht. Es war auch eine seiner Ideen, andere Menschen mit MS zu treffen und gemeinsam eine Gesellschaft zu gründen.

2003, mit Unterstützung des Neurologen Professor Osman Sinanovico und der Augenärztin Dr. Verica Vukotic, die auch an MS erkrankt ist, konnten wir - unter reger Mithilfe meines Ehemannes - die Multiple Sklerose-Assoziation Tuzla ins Leben rufen. Wir haben circa 250 Mitglieder, die an MS erkrankt sind- hauptsächlich junge Leute und die Mitgliederzahl steigt. Wir organisieren öffentliche Konferenzen und einmal im Jahr präsentieren wir alle neuen Daten und Fakten zum Thema MS.

Viele ehrenamtliche Mitarbeiter helfen uns, die Gesellschaft am Leben zu halten. Auch der Bürgermeister von Tuzla, Jasmin Imamovic, unterstützt uns. Aber Bosnien-Herzegowina hat immer noch viele Nachkriegsprobleme zu lösen. Das Land ist wirtschaftlich instabil, die Regierung kürzte Sozialprogramme und das Geld für wissenschaftliche Forschung. Gesellschaften wie unsere stehen ganz unten auf der Liste, wenn es um öffentliche Subventionen geht. Wir versuchen unser Bestes, aber es ist sehr schwer, Sponsoren und Spender zu finden. Wir wollen uns mit anderen MS Gesellschaften vernetzen, auch um den Informationsfluss zu sichern.

Und ich, ich bewege mich immer vorwärts, sehr langsam, aber sehr sicher.

Seit 2009 erhalte ich eine Behandlung, die lange von Prof. Sinanovic und seinem Team an der neurologischen Klinik in Tuzla erprobt wurde. Es ist nicht immer einfach, aber ich gebe mein Bestes. Ich arbeite ehrenamtlich als Sekretärin in unserer Gesellschaft, ich versuche, unser Netzwerk auszubauen und anderen zu helfen. Momentan suche ich Sponsoren für batteriebetriebene Rollstühle für drei unserer Mitglieder.

Abschließend möchte ich noch meiner Familie und meinen Freunden für ihre Unterstützung, die sie mir über diese vielen Jahre gegeben haben, danken. Und bis die Forscher eine Heilung für MS gefunden haben, möchte ich alle bitten - Betroffene wie Angehörige - weiter Hilfe, Liebe, Unterstützung und Aufmerksamkeit zu geben. Bitte gebt niemals auf.

 

 
MSIF dankt Margot Sepke von der MS-Gesellschaft Wien für die Übersetzung dieses Textes.
 

Quelle: MSIF, Juli 2010

Redaktion: AMSEL e.V., 13.08.2010