Spenden und Helfen

Medizinrecht auf dem Ärztesymposium

08.07.09 - Rechtsanwalt Jörg Hohmann berichtet auf dem Ärztesymposium der AMSEL 2009 über "Gegenwart und Zukunft der MS-Therapie - Medizinrecht und Arzneimittelbudget".

Ende des Quartals: "Oh weh, besser nicht zum Arzt, der verschreibt womöglich nichts, aus Angst, sein Budget zu überschreiten." Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch. Rechtsanwalt Jörg Hohmann jedenfalls zog den anwesenden Medizinern auf dem Ärztesymposium der AMSEL vergangenen Samstag diesen Verordnungszahn.

Rabatte anstelle von Prüfungen

 
RA Jörg Hohmann auf dem Ärztesymposium der AMSEL 2009.
 

Der Hamburger Medizinrechtler berichtet aus der Praxis. Seit 1993 schwemmt die Gesundheitsreform ein um das andere Gesetz in die Wartezimmer. Sie schürt Angst und Unsicherheit bei Ärzten und Patienten, meist jedoch völlig unberechtigt. Nicht zuletzt entpuppten sich nämlich die Prüfungsverfahren selbst als so kostenintensiv, dass sich der Gesetzgeber mehr und mehr auf die seit 2008 eingeführten Rabattverträge verlässt, um das Verordnungsvolumen zu schrumpfen. Geprüft werden maximal noch 5 % einer Fachgruppe. Und es gibt kaum Regresse.

Gerade die Rabattverträge könnten künftige Prüfverfahren völlig ad absurdum führen, denn dadurch dass die Kassen ihre Rabatte nicht offenlegen, kann erst gar kein individuelles Verordnungsvolumen festgelegt werden, was ja aber Grundlage für eine Berechnung wäre.

Therapiefreiheit vs. Wirtschaftlichkeit

Bei aller Beachtung der Kosten gilt das Effektivitätsgebot (§§ 27, Abs. 1, Nr. 3, 2 Abs. 3 SGBV): Ist ein Präparat einer Klasse therapeutisch effektiver, besteht darauf sogar ein Rechtsanspruch seitens des Patienten. Umgekehrt liegt bei Nichtanwendung eines effektiveren Mittels ein Behandlungsfehler vor. Der Arzt hat also wegen straf- und zivilrechtlicher Folgen einen eigenen Entscheidungsspielraum, den die Kasse akzeptieren muss (BSG vom 13.05.2004 - B 3 KR 18/03 R). Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt daher nur innerhalb der Standards.

Finanzielle Aspekte sind einem Richterspruch nach (BGH v. 12.03.03) bei der Beeurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilsbehandlung unbeachtlich. Einer individuellen Behandlung sollte also trotz Gesundheitsreform nichts im Wege stehen. Individuell und damit von Patient zu Patient verschieden sind etwa Nebenwirkungen. Die wichtigsten Gründe, die etwa zum Abbruch von IFN beta führen sind Depressionen und Injektionsreaktionen.

Was, wenn die Prüfung kommt?

Im zweiten Teil seines Vortrags ging Rechstanwalt Jörg Hohmann noch auf die Prüfung selbst ein. Wie läuft sie ab, was ist zu tun, welche Rechte habe ich als Arzt?

Flattert also doch eine Mitteilung über eine eingeleitete
Richtgrößenprüfung in die Praxis, dann vereinfachen und beschleunigen folgende Schritte das Verfahren:

  1. Sind dies meine Daten?
  2. Unterlagen pharmPro und GAmSI-Daten zu Rate ziehen
  3. Verordnungsdaten Praxis / Fachgruppe anfordern

Das bedeutet zunächst einmal: substrahieren, denn alle Sonderfälle (Praxisbesonderheiten, Morbidität der Patienten) können außer Betrachtgelassen werden. Außerdem: Sind mindestens 5% der Beträge unberechtigt zugeordnet, ist der Anscheinsbeweis der elektronischen Daten widerlegt.

Oft ist die Sache schon nach einer kurzen Mitteilung vom Tisch. Die kann so aussehen:

Vortrag materieller (medizinischer) Aspekte

(kurze Stellungnahme (ca. 3 Seiten, Anlagen CD-ROM)

  • Kurzdarstellung der Praxis / Überschreitung begründen
  • teuersten Patienten darstellen
  • Diagnosegruppen pro Quartal (z.B. MS-Patienten)
  • Name; Vers.-Nr; genaue Diagnose, Arzneimittel (ggf. Stichwort); Kosten
  • Darlegung von repräsentativen Einzelfällen anbieten

Gründe für eine kostenintensiven Therapie können folgende sein:

  • UAW eines preisgünstigeren Präparats (Wirkstoff nennen).
  • Kontraindikation (Diagnosen und Komedikation nennen).
  • Interaktionspotential (verschiedene Präparate nennen).
  • Therapeutisch ausgereizt (second line).
  • Vitale Indikation
  • Fortführung stationärer Therapie (zumindest für die Übergangszeit).
  • Risikopatient (Risiko und Score nennen).
  • Compliance (ggf. Umstände nennen).
  • Therapiebegleitprogramm.
  • Erleichterte Anwendungstechnik (z. B. motorische Ungeschicklichkeit).
  • als Facharzt: nicht nur Diagnostik, sondern auch Mit- oder Weiterbehandlung
  • ...

Redaktion: AMSEL e.V., 17.07.2009