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Können Freiwillige den Zivildienst ersetzen?

Der Vorschlag von Baden-Württembergs Sozialminister Dr. F. Repnik die Abschaffung des Zivildienstes durch ein sogenanntes gesellschaftliches, bzw. soziales Pflichtjahr zu ersetzen, wird auch innerhalb der AMSEL sehr kontrovers diskutiert.

Aus Sicht von Adam Michel, Geschäftsführer der AMSEL kann ein Wegfall des Zivildienstes nicht nur durch ein solches Pflichtjahr aufgefangen werden. Repnik arbeitet gerade in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder die Eckpunkte für ein etwaiges Gesellschaftsjahr aus. Die AMSEL hat ihn hierzu befragt:

Herr Minister Repnik, glauben Sie, dass ein gesellschaftliches Pflichtjahr alle Probleme, die sich aus dem möglichen Wegfall des Zivildienstes ergeben lösen kann?

F. Repnik: Ich unterstütze die vorgeschlagene Stärkung der Freiwilligendienste, halte es aber für einen Irrglauben, nach einem Wegfall des Zivildienstes die sich auftuende Lücke mit Freiwilligen schließen zu können. Deshalb brauchen wir nach meiner festen Überzeugung beides: Wir müssen die Freiwilligendienste noch attraktiver machen und dürfen die bestehende Pflicht zur Wehr- oder zivilen Ersatzdienst nicht aufgeben. Letztere müssen wir weiterentwickeln zu einem Gesellschaftsjahr und damit auf ein breiteres Fundament stellen.
Es gibt auch eine gesellschaftspolitische Dimension, die mir in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema viel zu kurz kommt: Wir werden unseren sozialen Wohlfahrtsstaat nur erhalten können, wenn nicht nur Ansprüche an den Staat gestellt werden, sondern jeder Einzelne erkennt, dass er seinen Beitrag für ein soziales Miteinander einbringen muss.

Warum sollen auch Frauen diesen Dienst leisten, die ohnehin den Großteil der sozialen Arbeit - sei es bei der Kindererziehung oder bei der Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger - leisten?

F. Repnik: Das Engagement von Frauen in der Kindererziehung oder auch in der Pflege von hilfsbedürftigen Angehörigen ist ein gewichtiges Argument, das ich sehr ernst nehme. Andererseits stellen wir heute fest, dass sich die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft sehr verändert hat - und dies nicht nur aus Männersicht. So bleibt schon heute etwa jede vierte Frau kinderlos; unter Akademikerinnen sind es sogar 40%.

Gleichwohl bin ich zuversichtlich, dass wir in der konkreten Ausgestaltung eines Gesellschaftsjahres Wege finden, etwaige Benachteiligungen durch Doppel- und Mehrfachbelastungen mit Ausnahme- oder Härtefallregelungen weitestgehend ausschließen.

Kann man gesellschaftliches Engagement verordnen? Gehört nicht eine innere Berufung dazu, um den Hilfsbedürftigen eine einiger maßen qualitätsvolle Betreuung zu garantieren?

F. Repnik: Wir verpflichten schon heute junge Männer, die sich dem Friedensdienst verweigern, zum zivilen Ersatzdienst. Die Erfahrungen damit sind äußerst positiv. Nicht jeder Zivildienstleistende beginnt zwar seinen Dienst von vorneherein mit großer Freude. Dennoch stellen wir fest, dass - abgesehen von wenigen Ausnahmen - sich schon nach kurzer Zeit die persönliche Einstellung wandelt.
Den jungen Menschen - bisher "zu ihrem Glück gezwungen" - würde mit dem ersatzlosen Wegfall des Zivildienstes eine wichtige und prägende Lebenserfahrung genommen. Der Zivildienst hat außerdem so manchem Zivi den Weg in einen sozialen Beruf geebnet. Dabei ist es allerdings weder eine Aufgabe von Zivildienstleistenden noch von Freiwilligen, eine qualitätsvolle Betreuung zu gewährleisten. Das ist die Sache der Einrichtungen und der dort professionell ausgebildeten Fachkräfte. Zivildienstleistende leisten vielmehr einen unschätzbaren Beitrag in der ergänzenden Betreuung. Sie können sich die Zeit nehmen, beispielsweise mit behinderten oder pflegebedürftigen Menschen längere Gespräche zu führen, etwas vorzulesen oder mit ihnen spazieren zu gehen. Solche Dienste tragen ganz erheblich zu mehr Lebensqualität der hilfebedürftigen Menschen bei.

Sozialminister Dr. Friedhelm Repnik wird am 19. Juni 2004 auf der Mitgliederversammlung der AMSEL über das gesellschaftliche Pflichtjahr zur sozialen Zukunftssicherung sprechen.

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Redaktion: AMSEL e.V., 17.04.2009