Immer noch unterwegs

03.09.09 - Udo Leuschner tritt kräftig in die Pedale auf der "Odyssée de l'espoir" und blickt zuversichtlich in die Zukunft. Aus Together 03/2009.

Abgekämpft, aber ganz schön stolz erreicht Udo Leuschner nach temporeicher Fahrt Speyer, seine zweite Etappe auf der "Odyssée de L'espoir", wie sich die alljährliche "Odyssee der Hoffnung" nennt.

Stéphane Steiner gründete diese Aktion vor einigen Jahren für und mit MS-Betroffenen, um gemeinsam mit den Erkrankten die Natur ganz nah zu genießen und um die breite Öffentlichkeit auf MS aufmerksam zu machen. Nun treten Steiner und Leuschner gemeinsam in die Pedale eines Tandem-Liegerades. Das Geschickte daran: Einer der Fahrer kann auch mal eine Pause einlegen.

Mit diesem Vehikel und nicht zuletzt Dank der tretkräftigen Unterstützung seiner Mitfahrer aus Heidelberg und Mannheim konnte Udo Leuschner, Sprecher der Jungen Initiative Heidelberg, auf den ersten beiden Etappen der Odyssée de l’espoir über gut 70 Kilometer mitradeln. Das ist nicht selbstverständlich nach 30 Jahren MS.

Erster Schub mit elf Jahren

Der heute 41-Jährige hatte bereits mit Elf seinen ersten Schub. Allerdings konnten die Symptome damals noch keinem Krankheitsbild zugeordnet werden. Erst zehn Jahre später stellten die Ärzte die Diagnose Multiple Sklerose. Er selbst allerdings wurde erst acht Jahre später damit konfrontiert, was sich - neben dem Gefühl von Bevormundung - auch positiv auf ihn auswirkte.

Nicht informiert über die Tragweite seiner seltsamen Symptome, konnte er bis dahin unbeschwert seinen Alltag und seine sportlichen Aktivitäten angehen. Symptome aus mehreren vorherigen Schüben, wie Taubheit, Sehbehinderung und Koordinationsprobleme hatten sich fast vollständig zurückgebildet. Udo Leuschner traute sich mehr zu. So überquerte er - vermeintlich gesund - per Fahrrad die Alpen oder lernte Jonglieren und Einradfahren.

Als er von seiner Diagnose erfuhr, war er erstaunlich gefasst und hat sich sogar ein Stück weit sicher gefühlt. Schließlich kannte er sich ja aus, war mit den Symptomen dieser Krankheit offensichtlich bereits seit vielen Jahren konfrontiert. Da die MS in diesen Jahren eher im Hintergrund verlief, blieb ihm genug Raum, um positive Erfahrungen zu sammeln.

Berufswahl

Im Rückblick auf den bisherigen Verlauf wusste er auch, dass vor allem stressige Lebensphasen den Verlauf der Erkrankung verschlechtern können. Ein Beruf, der vor allem Zeitdruck, Schnelligkeit und ein hohes Konzentrationsvermögen verlangt, wäre auf Dauer nicht möglich gewesen. Zum Zeitpunkt der Diagnose hatte er nach seinem Hochschulabschluss in Städtebau gerade eine Weiterbildung zum Fachzeitschriftenredakteur begonnen.

Während dieser Zeit ging es ihm gesundheitlich schlechter, doch die Ausbildung abzubrechen, kam für ihn nicht in Frage. Als positiv eingestellter Mensch suchte er nach einer Lösung und einen Berufszweig, der auf seine Bedürfnisse zugeschnitten werden konnte, d.h. die Krankheit mit integrieren konnte. Auch als technischer Redakteur konnte er nur eine Zeitlang Fuß fassen.

Mit einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme wagte er den Wechsel in die Sozialarbeit. Nicht ohne Wehmut, gleichzeitig erleichtert, musste er Mitte letzten Jahres seine Berufstätigkeit bis auf Weiteres aufgeben. Er hat seitdem einen Full-Time-Job als Hausmann und pflegender Ehemann, da seine Frau noch schwerer als er von MS betroffen ist. "Mein Zeitaufwand für die alltäglichen Aufgaben wie Kochen oder Waschen liegt einfach viel höher als bei Gesunden". Eine interessante Aufgabe übernimmt er als Sprecher der Jungen initiative in Heidelberg. Mit dem monatlichen Stammtisch möchte er einen entspannten Raum für Geselligkeit und persönliche Begegnungen schaffen.

Liebe auf das erste Hören

Udo Leuschner lernte seine Frau 2001 kennen. Da er mit seiner damaligen Therapie unzufrieden war, suchte er im Bekanntenkreis nach Menschen mit MS, mit denen er sich über Therapiealternativen austauschen konnte. Bei einem Gespräch mit seinem Vater erfuhr er, dass seine Cousine in einer Wohngemeinschaft mit einer MS-Betroffenen lebte. "Ich rief an, wir telefonierten lange und nach vier Monaten haben wir geheiratet", sagt er glücklich lächelnd. "Vieles ist leichter, wenn der andere das Grundthema kennt". So geben sie sich gegenseitig auf vier wackligen Beinen Halt und meistern das Leben gemeinsam.

Obwohl aus dem schubförmigen Verlauf mittlerweile ein sekundär progredienter mit aufgesetzten Schüben geworden ist und die Gangsicherheit nach und nach etwas nachlässt, ist er nach wie vor dem Sport sehr zugetan und sieht seine Zukunft insgesamt sehr positiv. Viele Dinge, die irgendwann nicht mehr möglich waren, wie beispielsweise das Gehen, sind mit kleinen Hilfsmitteln wieder erreichbar geworden.

"Mein Rollstuhl hat meine Reichweite wieder vervielfacht. Ich kann ihn wahlweise auch selbst schieben oder statt Einradfahren eben Rolli-Tricks üben." Das sind die kleinen Erfolge, die ihm Hoffnung und Lebensmut geben. "Wichtig ist, sich mit der Krankheit auseinander zu setzen, zu lernen, mit ihr, also mit sich selbst, gut umzugehen." Auf der Odyssée der L'espoir ist ihm dies zusammen mit anderen geglückt: Die Reise wurde Realität!

Quelle: Together 03/2009

Redaktion: AMSEL e.V., 01.09.2009