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Hertie-Stiftung fördert AMSEL-Arbeit

Die Hertie-Stiftung ist eine der größten Privat-Stiftungen in Deutschland und unterstützt seit vielen Jahren durch Zuwendungen auch die Arbeit der AMSEL für MS-Betroffene. Ein Interview mit Herrn Prof. Michael Madeja.

Unterstützung bietet die Hertie-Stiftung z.B. durch die Förderung von Fachpersonal zur qualifizierten Beratung und Betreuung Betroffener, durch die Förderung von Kontaktgruppen und Jungen Initiativen und durch die Einzelfallhilfe MS-Erkrankter.

Als Interviewpartner konnte Professor Dr. Michael Madeja, Bereichsleiter des Förderbereiches Neurowissenschaften, der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gewonnen werden.

Ralf Beyer: Herr Professor Madeja, herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, für ein Gespräch mit uns zur Verfügung zu stehen. Bevor wir über die Gemeinnützige Hertie-Stiftung sprechen, würden wir gerne Sie persönlich vorstellen.

Prof. M. Madeja: Zunächst darf ich Ihnen danken, dass Sie über die Stiftung und ihre Arbeit berichten wollen. Zu mir selbst ist zu sagen, dass ich seit drei Jahren bei der Hertie-Stiftung arbeite. Ich bin Professor für Physiologie mit Schwerpunkt Neurophysiologie, habe meine Lehrbefugnis an der Universität Münster, die ich auch nach wie vor ausübe, und betreibe dort auch noch ein kleines Labor für Forschungen an Nervenzellen. Die Tätigkeit bei der Hertie-Stiftung ist für mich deshalb so reizvoll, weil ich hier als Forscher die Möglichkeit habe, Forschung in großem Stil zu initiieren und mehr Anstöße zu geben, als es mir mit meiner Laborarbeit allein möglich wäre.

Ralf Beyer: Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung ist eine der größten Privat-Stiftungen in Deutschland. Wie ist die Stiftung denn entstanden und welche Bereiche werden heute gefördert ?

Prof. M. Madeja: Die Stiftung wurde 1974 auf Initiative der Kinder und Erben von Georg Karg, dem Inhaber der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH gegründet. Er war ein Mann, der sich auch dem Allgemeinwohl und der Gesellschaft verpflichtet sah. Schwerpunkt der Förderung war bereits damals die neuromedizinische Forschung. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung ist der letzte Träger des Namens Hertie, denn das Warenhaus-Unternehmen wurde an Karstadt verkauft. Die Stiftung hat heute ein Vermögen von ca. 750 Mio Euro. Die Erträge aus diesem Vermögen fließen in die Förderprojekte.

Mehr als 20 Jahre hat die Stiftung fast ausschließlich Projekte zur Multiple Sklerose unterstützt. Dies ist darauf zurück zu führen, dass es im Umfeld der Familie einen Bezug zur MS gab. Die Förderung erfolgte in den Anfangsjahren noch mit recht bescheidenen Mitteln, in den letzten Jahren jedoch mit erheblich mehr Stiftungsgeldern. Von 1978 - 1998 wurden für die MS jährlich ca. 2 Mio Euro ausgegeben, in den folgenden 4 Jahren etwa 3 Mio Euro und in 2002 4,2 Mio Euro ausgeschüttet, insgesamt bislang mehr als 34 Mio Euro für die MS. Für die anderen Bereiche der Neurowissenschaft wurden zusätzlich noch einmal über 64 Mio Euro aufgewendet. Der jährliche Etat zur Förderung neurowissenschaftlicher und neuromedizinischer Projekte liegt seit einigen Jahren bei durchschnittlich 10 Mio Euro.

Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat heute drei Förderbereiche mit vielen unterschiedlichen Projekten. Zu jedem Förderbereich nenne ich Ihnen die wichtigsten Projekte:

  1. Die europäische Integration mit der Hertie School of Governance, die in Berlin gegründet wird und die durch Ausbildung und Forschung die Verbesserung der Führungskräfte in Verwaltung und Politik fördern will. Das Fördervolumen liegt hier bei 25 Mio Euro.
  2. Die Erziehung zur Demokratie mit dem bundesweiten Wettbewerb "Jugend debattiert". Hier haben wir eine große Unterstützung durch den Bundespräsidenten erfahren und kooperieren mit anderen Stiftungen. Im vergangenen Schuljahr haben 16.000 Schüler teilgenommen. Ein zweites großes Projekt ist das Stipendienprogramm START für begabte und engagierte Zuwandererkinder in Hessen. Hier soll gezeigt werden, dass Deutschland gesellschaftliches Engagement von Zuwanderern honoriert.
  3. Der dritte Förderbereich sind die Neurowissenschaften mit dem Schwerpunkt Multiple Sklerose sowie weiteren Projekten, z. B. dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, das sich in Aufbau befindet und mit 22 Mio Euro gefördert wird.
    Hier entsteht das größte und modernste Zentrum für Neurologie in Deutschland, angesiedelt am Universitätsklinikum Tübingen mit zwei neuen, bereits besetzten Lehrstühlen. Außerdem möchten wir den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern und haben mit dem "NeuroForum Frankfurt" eine eigene Veranstaltungsreihe für die interessierte Bevölkerung ins Leben gerufen. Im Hertie-Exzellenz-Programm Neurowissenschaften vergeben wir Stipendien, um hervorragende Wissenschaftler in Deutschland zu halten und somit den Standort Deutschland in der Forschung zu stärken.

Ralf Beyer: Sie sind der Leiter des Förderbereiches Neurowissenschaften. Können Sie uns, bevor wir konkret über den Teilbereich "Multiple Sklerose" sprechen, kurz Ihre Tätigkeit skizzieren.

Prof. M. Madeja: Meine Aufgabe ist es, dem Vorstand der Stiftung Vorschläge zu unterbreiten, für welche Projekte, für welche Personen bzw. für welche Zielsetzungen die Stiftung Fördermittel im Gebiet der Neurowissenschaften bereitstellen soll. Es ist somit eine konzeptionelle Tätigkeit, denn die Mittel sind weitgehend frei verfügbar und sind nicht langfristig in festen Programmen gebunden. Wir entwickeln selbst Konzepte, die wir dann über Ausschreibungsverfahren und fachwissenschaftliche Begutachtung an die besten Forschungseinrichtungen vergeben. Daneben nehme ich die inhaltliche Überwachung der Projekte vor, überprüfe die wissenschaftlichen Ergebnisses und trage natürlich die Gesamtverantwortung für die Förderung der Projekte. Der Zeitaufwand für die unumgängliche Verwaltungstätigkeit ist erfreulicherweise für mich gering, da die meisten dieser Aufgaben durch andere Mitarbeiter der Stiftung oder durch beauftragte Partner erfolgt.

Das Hauptgewicht der Stiftung im Bereich Neurowissen-schaften liegt nach wie vor auf der MS. Dabei gibt es zwei Säulen, zum einen die Unterstützung der Erkrankten durch die Förderung der Arbeit der DMSG und zum zweiten die Forschungsförderung. Hier wurde im Jahr 2002 das Institut für Multiple-Sklerose-Forschung in Göttingen gegründet, das sich, vereinfacht ausgedrückt, mit Reparaturmaßnahmen bei MS beschäftigt, mit der Frage, wie entstandene Schäden am Nervengewebe behoben werden können. In diesem Jahr erfolgte die Ausschreibung eines Lehrstuhles für klinische MS-Forschung, für den sich alle deutschen Universitäten bewerben können. Ziel soll sein, einen weiteren Schwerpunkt für MS zu schaffen und zwar sowohl in der Forschung als auch in der Betreuung von MS-Patienten, um damit das Behandlungsangebot in Deutschland zu verbessern.

Darüber hinaus hat die Hertie-Stiftung ein Einzelantrags-verfahren eingerichtet. Dies bedeutet, dass die Stiftung für Forschungsprojekte im Bereich der MS auf Antrag Zuschüsse z. B. für Geräteanschaffung oder Personalkosten bewilligen kann. Hierbei sind wir auf zwei Punkte sehr stolz: Wir treffen im Durchschnitt innerhalb von 38 Tagen unsere Entscheidung und diese Entscheidung beruht auf einer internationalen Begutachtung von zwei Gutachtern. Wir sind also nicht nur schnell, sondern gewährleisten auch eine hohe Qualität der Entscheidung und damit letztendlich der geförderten Projekte. Üblicherweise brauchen andere Institutionen hierfür mehr als ein halbes Jahr. Das ist viel zu lange, denn Forschung muss schnell sein, da sonst die Fragestellung veraltet ist, andere, vor allem ausländische Forschungsinstitutionen die Fragestellung bereits bearbeitet haben oder die Forscher frustriert in die Länder abgewandert sind, in denen es bessere Rahmenbedingungen gibt.

Ralf Beyer: Im Bereich der Unterstützung von MS-Erkrankten arbeiten Sie sehr eng mit allen Landesverbänden und dem Bundesverband der DMSG zusammen. Welche Funktion hat die DMSG in diesem Projekt?

Prof. M. Madeja: Die Hertie-Stiftung kann eine direkte Unterstützung einzelner MS-Betroffener nicht leisten, dafür sind wir nicht nah genug an den Betroffenen, haben nicht die personelle Ausstattung. Wir brauchen einen starken Partner, den wir in der DMSG gefunden haben und für dessen Kooperation wir sehr dankbar sind. Die DMSG bietet und garantiert durch ihre langjährige Erfahrung und Professionalität natürlich auch eine hohe Qualität der Arbeit und so eine größere Effektivität beim Einsatz der Fördermittel der Hertie-Stiftung für MS-Erkrankte. Wir haben mit der DMSG einen längerfristigen Vertrag geschlossen, in dem unsere Vorstellungen und Ziele festgehalten sind, und in dem wir uns zur Bereitstellung von Fördermitteln verpflichtet haben.

Die DMSG hat sich ihrerseits verpflichtet, damit die Betreuung und Beratung von MS-Erkrankten, die Förderung der Selbsthilfegruppen sowie die direkte Unterstützung einzelner Betroffener zu leisten. Wir glauben, somit eine Situation geschaffen zu haben, in der die Fördermittel effektiv und unmittelbar den MS-Erkrankten zu gute kommen.

Ralf Beyer: Wir danken Ihnen, Herr Professor Madeja, sehr herzlich für das Gespräch und wünschen der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung noch viele erfolgreiche Projekte.

Das Gespräch mit Prof. Dr. Michael Madeja führte Ralf Beyer, Geschäftsführer der DMSG Landesverband Hessen.

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29.10.2003

Redaktion: AMSEL e.V., 30.10.2003