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Die Gewinner des ersten Gulli-Wettbewerbs

30.10.08 - Die MS-Blogger riefen einen Wettbewerb ins Leben und zwei AMSEL-Mitarbeiter haben die Ehre, Schokolade zu verteilen.

Nun ist es so weit: Die Gewinner des ersten Gulli-Wettbewerbs stehen fest. Michael Berthold und Patricia Fleischmann vom AMSEL-Landesverband kam die Ehre der Jury zu, und wenngleich die Menge der Beiträge recht überschaubar zu nennen ist - ganze vier gingen ein -, fiel die Wahl dem AMSEL-Diplompsychologen und der Onlineredakteurin doch nicht leicht.

Zum einen ob der hohen Qualität der eingereichten Arbeiten rund um das weit gefasste Thema "Gulli", aber auch, weil es ein sportliches Unterfangen ist, Texte mit Bildern vergleichen zu wollen. Je zwei Foto- und Textbeiträge gingen ein, elf Tafeln Schokolade zu vergeben gilt es, und so fiel die Entscheidung, die Schokotafelmenge zu splitten recht schnell. - Doch nun zu den Beiträgen selbst:

"Draussen wie drinnen"

"Draussen wie drinnen" heißt der Beitrag von "renate". Anspruchsvoll avantgardistisch setzt die Schreiberin den Unterschied zwischen Oben und Unten, zwischen Drinnen und Draußen in Szene. In der vagen Kurzgeschichte zwängt sich ein Mensch (oder ist es ein Tier?) durch Gitterstäbe hindurch in eine feindlich gesinnte Freiheit und beginnt dort zu träumen. Wahrlich kafkaesk und dabei symbolisch dicht entwickelt sich die Kurzgeschichte, schickt den Protagonisten zurück zum Ausgangspunkt, nämlich in den Gulli. Und erwähnt die Sehnsucht nach "Sally", für die er ein Rosinenbrötchen aufbewahrt. Zufall, dass im Englischen "Sally Lunn" sowohl einen flachen runden Teekuchen meint als auch "sally" für einen Zornesausbruch steht? - Bei aller Sozialkritik schafft es die Geschichte, Wut und Hoffnung nebeneinander existieren zu lassen. Eine sehr reife Leistung, meint die Jury.

"Gulli als Rohrpost"

"Gulli als Rohrpost" heißt der zweite, anonym eingereichte Textbeitrag, der seine Leser nicht allein durch die nette Pointe gewinnt, dass ein "Steppke" den Gulli kurzerhand zum Briefkasten umfunktioniert. Nein, auch die Verdoppelung des Trennenden an sich durchzieht die Geschichte und bewegt den Leser: Hier der Gullideckel, der Gegenstände vom Erreichbaren ins (fast) Unerreichbare verschwinden lässt, eine flach gelegte, horizontale Mauer sozusagen. Und dort die tatsächliche vertikale Mauer zwischen BRD und Ex-DDR, die Menschen voneinander trennte. - So durchdacht wie rührend, lautet das Urteil der Jury.

"Singing in the Rain"

Zwei Menschen gehen mit Schirmen in der Hand gemeinsam ihren Lebensweg, der ist glatt und sauber, so könnte man diese Fotografie von Lupocane beschreiben, doch da kommt eine Barriere, eine Stolperfalle dazwischen: Die löchrige Dohle am Boden, eine Art von "Gulli".

Das flanierende Paar versucht auszuweichen, merkt aber, dass aus dieser Verunsicherung auch etwas für das ganze Leben Wichtiges entsteht. Etwas, das eine neue Sichtweise auf alles erlaubt und wiederum selbst beschützenswert ist. Die beiden Spaziergänger teilen den gleichen Blick, überbrücken das Trennende zwischen ihnen mit ihren Schirmen und heben an zum "Singing in the rain" - auch singen soll ja therapeutische Wirkung haben.

Der Gullideckel steht hier symbolisch für Multiple Sklerose, jedoch nicht nur im negativen Sinn einer zu Behinderungen führenden Krankheit, sondern auch als einschneidendes Ereignis, verbunden mit der Chance, neue Sichtweisen zu entwickeln. - Dies ist Lupocane mit dieser Aufnahme hervorragend gelungen!

"Gullis sind das Tor zum Hades"

Zwei ähnliche und doch unterschiedliche Fotos gingen uns anonym ein: Auf dem einen eine Art von Geysir oder warmer Quelle, auf dem andern ein Gulli. Beide Bilder zeigen aufsteigenden Dampf, wobei diese bogenförmigen Dunstschleier, wenn man genau

hinsieht, beim Gullibild gar nicht aus der Öffnung kommen, sondern vermutlich Kamerareflektionen zu verdanken sind.

Der Kontrast liegt darin, dass beim Geysirbild der Dampf unkontrolliert entweichen kann, als Naturgewalt, sozusagen, während der Gullideckel über ein Sicherheitsventil verfügt, das, was aufsteigt, scheibchenweise nach oben kommen lässt. Das wiederum kann man als unterschiedliche Persönlichkeiten betrachten: Die einen verarbeiten ihre Krankheit, die MS, so, die andern eben anders. Beim einen kocht alles gleich über, die Gefühlsausbrüche kommen unvermittelt und verstummen wieder, sobald man ihnen Luft gemacht hat, beim andern kocht etwas stetig und auf kleiner Flamme: Große Emotionen treten zwar nicht hervor, völlige Ruhe ist dafür aber auch nie.

So viel zu den Einschätzungen seitens der AMSEL-Jury, die hofft, mit ihren Einschätzungen auch etwas die Intentionen der Künstler getroffen zu haben.

Die Gewinner

Und nun die Gewinner in diesem haarscharfen Rennen: Der erste Preis unter den Texten, und damit sechs Tafeln Schokolade, geht an Bloggerin "renate". Beide Textbeiträge fanden den Zuspruch der Jury, doch überragt renates Beitrag den andern noch an Kreativität (und freilich auch an Vieldeutigkeit).

Den ersten Preis unter den Fotografien, dotiert mit fünf Tafeln Schokolade, hat sich "Lupocane" verdient mit ihrem stimmungs- wie friedvollen "Singing In The Rain", das, wie Michael Berthold und Patricia Fleischmann meinen, die beiden Bilder des anonymen Teilnehmers an Komplexität noch übertrifft.

Die AMSEL-Onlineredaktion gratuliert den Gewinnern sehr herzlich, möchte jedoch spontan auch zwei Trostpreise an die übrigen Teilnehmern aussprechen: Je eine Tafel Schokolade aus dem Vorratsschrank der Redaktion geht an den 3. und 4. Platz in diesem kleinen aber feinen Wettbewerb - der anonyme Fotograf möchte der Redaktion bitte noch zwecks Zustellung seine postalische Adresse zukommen lassen. - Da bleibt nur noch auf eine etwas regere Beteiligung beim nächsten Gulli-Wettbewerb zu hoffen, festzuhalten, dass der Wettbewerb allen Spaß gemacht hat und den Schokoladengenießern unter unseren Besuchern zuzurufen: Wohl bekomm's!

Redaktion: AMSEL e.V., 30.10.2008