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Bisher hat sich immer alles gefügt

29.05.07 - In der Reihe "Portrait" stellt Together ganz unterschiedliche Menschen mit MS vor - in der Ausgabe 02 / 2007 gibt Gabriele Lenk Einblick in ihr Leben.

1990 merkte Gabriele Lenk zum ersten Mal, dass etwas mit ihr nicht stimmt: "Obwohl ich sportlich war, hatte ich beim Skilaufen Koordinationsschwierigkeiten und war danach sehr erschöpft". Dann, 2000 in ihrem Mexiko-Urlaub traten am Strand plötzlich Gehprobleme auf. Ihr damaliger Freund witzelte: "Du solltest mehr Sport machen", als sie mühsam durch den Sand stapfte. "Das war wohl ein Schub", meint die 54-jährige heute rückblickend.

Um fit zu bleiben, trieb die Berlinerin immer mehr Sport und schloss sogar eine Fitnesstrainer-Ausbildung ab. Und mit ihrem damaligen Partner plante sie "ein multifunktionales Sport- und Freizeitzentrum zu starten". Kosten: 11 Mio. Euro. Die Bank wollte das Projekt nicht finanzieren. Heute ist Gabriele Lenk froh, dass die Bank ihr das Geld nicht gab. "Es wäre mir mit meiner Krankheit dann doch zuviel geworden".

Die Diagnose


Im Mai 2000 dann die Diagnose: MS. "Ich ahnte es schon", meint Gabriele Lenk nachdenklich. "Ich hatte bemerkt, dass in der Sauna das Gehen schlechter ging und nach der kalten Dusche wieder besser". Zwei Tage vor der Diagnose hatte sie im Internet zu ihren Symptomen recherchiert. "Es war also keine Überraschung; kein Schock."

Schon im Krankenhaus bekam sie Interferon gespritzt. Zwei Jahre lang spritzte sie weiter. "Doch die Spastik wurde immer schlimmer". In der Charité in Berlin bekam sie dann Mitoxantron. Sieben Mal insgesamt, doch der sonst lebenslustigen Frau ging es immer schlechter. Schließlich brach sie die Therapie ab.

Und heute? Ein Medikament nimmt sie noch, "das eigentlich für den Drogenentzug benutzt wird". Seither sei sie nicht mehr müde und ihre Blasenstörungen seien ebenfalls besser. Ansonsten helfen ihr "Ruhe und Ausgeglichenheit", erzählt Lenk, "Reiki und geistiges Heilen". "Man konzentriert sich auf´s Gesundwerden." Seit sie Reiki macht, sei auch die Spastik besser geworden. "Die Diagnose war nie das große Chaos, nicht die absolute Katastrophe", berichtet sie. Die MS habe sie zwar gestoppt, aber es habe auch sein Gutes: "Ich neige dazu mich zu überpowern." Ihr Ehemann Michael nennt sie liebevoll "Wusel", weil sie immer und überall "herumwuselt". Um sie von Renovierungsarbeiten im Keller abzuhalten, hat ihre Familie sogar einmal die Treppe zum Keller abmontiert. "Aber ich kam trotzdem runter und malte auf die Kellerwand eine riesige Sonnenblume", lacht Lenk fröhlich.

"Jeder nimmt Rücksicht und tut, was er kann"

Kennengelernt hatte die Powerfrau ihren Mann bei ihrer Planung des multifunktionalen Sport- und Freizeitzentrum. Aus dem Zentrum wurde nichts, aber so fand Gabriele Lenk ihre große Liebe. "Das war kein Zufall", sagt Lenk bestimmt. Mit Michael und ihrem jüngsten Sohn lebt sie heute glücklich und zufrieden in einem Zwei-Familien-Haus in Berlin-Schönefeld. "Mein Sunshine" nennt sie den Achtzehnjährigen, der im Haushalt mit Verantwortung übernimmt und sie und ihren Mann unterstützt. Zwei weitere Söhne aus erster Ehe und einen Enkel gibt es noch. "Sie sind alle sehr offen und liebevoll. Jeder nimmt Rücksicht und tut, was er kann", so Lenk über ihre Familie.

Im Moment wartet sie auf ihren Rentenbescheid. Zuvor arbeitete sie bei der Berliner Stadtreinigung und leitete dort eine Freizeitanlage. Zu ihrer Tätigkeit gehörte es auch, das Gelände mit 15.000 m² regelmäßig zu begehen. Auf Grund ihrer Gehprobleme fiel Lenk dies immer schwerer. Dazu kam, dass sich die Fatigue immer stärker bemerkbar machte: Der Abteilungsleiterin fiel es zunehmend schwer bei der Arbeit wach zu bleiben. "Das war ganz schlimm". Sie berichtet auch von lieben Kollegen, die immer Rücksicht auf sie nahmen, meint jedoch: "Die letzten zwei Arbeitsjahre wurde ich nur geduldet."

Letztlich nahm sie den ihr angebotenen Aufhebungsvertrag an.
Seit sie nicht mehr bei der Stadtreinigung arbeitet, hat sich vieles verändert. Mit der MS umzugehen war ein Lernprozess, der zu einer anderen Lebensplanung führte. Sie lernte mit der Fatigue umzugehen, ihre Kräfte besser einzuteilen und gönnt sich nun täglich ihren Mittagsschlaf. "Ich genieße das!", berichtet sie. Lange Strecken kann sie nicht mehr gehen. "Für kurze Strecken nehme ich die Walkingstöcke, für lange das Auto", erklärt sie pragmatisch.

Ayurveda und andere alternative Heilmethoden

Nach ihrer Diagnose und den verschiedenen Therapien begann sich Gabriele Lenk für alternative Heilmethoden zu interessieren. Vergeblich suchte sie nach einem Buch, in dem diese von A bis Z aufgelistet und auf MS ausgerichtet waren. "Der Gesamtüberblick fehlte mir in den bestehenden Büchern". So entschloss sie sich ihr eigenes Buch darüber zu schreiben. Bei ihren Nachforschungen stieß Lenk unter anderem auf Ayurveda.

Vor 2 1/2 Jahren fuhr die esoterisch interessierte Berlinerin daher für zwei Wochen mit ihrem Mann Michael nach Indien, um sich dort Ayurveda-Anlagen anzusehen. 30 bis 40 seien es gewesen "und darunter viele schlechte". Eine Anlage gefiel ihr jedoch: naturbelassen, freundliches Personal, am Kliff gelegen, mit Blick auf das Meer. Lenk verbrachte dort eine Kur und plante wieder dorthin zurückzukehren, allerdings nicht alleine. Kurzerhand annoncierte sie in der DMSG-Mitgliederzeitung "Aktiv", sie suche Mitreisende MS-Betroffene. Es meldeten sich so viele Interessenten, dass daraus schließlich eine "MS-Reisegruppe" entstand.

Geölt, gepudert und geschlagen

Doch Indien ist nicht unbedingt behindertengerecht. Lenk, die einst Fremdenverkehr studiert und im Reisebüro gearbeitet hatte, organisierte alles Notwendige. Nach harten Verhandlungen und einem Kostenvorschuss von Gabriele Lenk wurden in der Anlage Schrägen angebracht und notwendige Umbauten getätigt, damit auch die Rollstuhlfahrer überall hin gelangen konnten. Zu den ayurvedischen Behandlungen befragt, scherzt Lenk: "Wir wurden geölt, gepudert und geschlagen." Gemeint ist damit eine Ölmassage, gefolgt von einer Pudermassage und der Einarbeitung durch Klopfen mit Kräutersäckchen. Ergänzt wurden die Behandlungen durch vegetarische, glutenfreie Ernährung, ayurvedische Tees und Kräuter.

Die Reise war ein voller Erfolg. Auch wenn es keine Spontanheilungen oder andere vielleicht erhoffte Wunder gab, besserten sich bei einigen Teilnehmern einige Symptome oder verschlechterten sich zumindest nicht. Ein bis zwei Mal im Jahr fährt Gabriele Lenk nun nach Indien, um dort eine Ayurveda-Kur zu machen. Seit Ende April befindet sie sich wieder für vier bis sechs Wochen in Varkala - mit der zweiten "MS-Reisegruppe".

Auf die Frage, welche Pläne sie für die Zukunft hat, antwortet sie: "Ich versuche, es ruhiger anzugehen." Sie wolle weiter Autogenes Training machen und ihre "Hobbies in Richtung Heilen" betreiben, um sich und anderen damit zu helfen. Sie möchte mehr für sich selbst tun und ihre Kräfte noch besser einteilen. "Bisher hat sich immer alles gefügt", meint sie und lacht.

Redaktion: AMSEL e.V., 29.05.2007