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„Bisher hat sich immer alles gefügt“

Als Martina die Diagnose bekommen hat, drehte sich alles um die Multiple Sklerose. Heute, 14 Jahre später, dreht sich bei der agilen Frau aus Waldbronn alles um die Familie. Bis dahin war es ein harter Weg. Together 01-11 zeigt wie Martinas größter Traum 'Eine eigene Familie' in Erfüllung ging.

Wegen der MS zerplatzten viele Träume

Gerade Mitte 20 konnte Martina ihre Ausbildung zum Traumberuf Krankenpflegerin nicht zu Ende bringen. Und war am Boden zerstört. "Als alle meine Mitschüler Examen gemacht haben, war das für mich wie ein Albtraum. Ich habe gewusst, das ist für mich das AUS, das Ende. Mir war klar, ich würde kein Examen mehr machen, es geht nicht mehr."

Sie wurde berentet, ein Schock, der für sie bedeutete, sich mühsam selber wieder zu finden. Nicht nur, weil Hobbys wie Reiten nicht mehr möglich waren und Freunde sich abwandten, weil sie nicht mehr alles mitmachen konnte. Mit am schlimmsten war die Psyche. "Ich habe mich geschämt. Was sollte ich sagen auf die Frage, was ich mache? Rente? Mit Mitte 20? Ich war am Boden und habe mich an der Fernuni Hagen eingeschrieben. Um zu studieren, aber auch um nicht sagen zu müssen, ich bin verrentet."

Nach und nach findet Martina einen Weg zu einem neuen Leben, musiziert z.B. statt zu reiten, entdeckt ihre Ressourcen und lernt ihre Kräfte einzuschätzen. Dadurch konnte sie sich auch ihren größten Traum erfüllen: Eine eigene Familie. Trotz der Bedenken, ob die Symptome ihrer Krankheit, wie Fatigue, Sehschwäche, Sensibilitätsstörungen und deutlich weniger Kraft, sich mit der anspruchsvollen Aufgabe, für ein Kind zu sorgen, vereinbaren lassen. "Das geht gut," hat die optimistische Frau damals allen auf die Frage, wie sich MS und Kinderwunsch vereinbaren lassen, geantwortet. Heute weiß sie: "Es geht gut, mal besser und mal schlechter, aber es geht gut."

Eine Entscheidung für’s Leben

 

 

Heute ist Martina glücklich mit
der Entscheidung für ein
Leben mit Kind

Sie und ihr Mann entscheiden sich nach gründlicher Überlegung und intensiven Beratungen mit ihrem behandelnden Neurologen und Frauenarzt für ihr Wunschkind. Martina war einige Jahre schubfrei, die MS scheint relativ stabil, und sie hat nur geringe Beeinträchtigung. Außerdem hat sie eine Antenne für die Signale ihres Körpers entwickelt und ist medizinisch gut versorgt. Trotzdem fragt sie sich natürlich, ob die Entscheidung für ein Kind richtig ist. "Eine Schwangerschaft dauert neun Monate, aber für ein Kind muss man jahrelang sorgen," darum drehen sich ihre Gedanken.

Das Vertrauen in den eigenen Körper und die Zuversicht siegen, Martina setzt mit ihrem Kinderwunsch ihre Medikation ab und wird nach ein paar Monaten schwanger. Die Schwangerschaft verlief nicht ganz komplikationsfrei, zu Beginn hatte sie Gefühlsstörungen und schlimme Kopfschmerzen, bekam dazu noch eine Schwangerschaftsdiabetes. Aber wunschgemäß kommt Michael im Sommer zur Welt, einer Zeit, in der sich Martina kräftemäßig am besten fühlt. Ein glücklicher Moment für die Eltern, für die durch den Kaiserschnitt und die Narkose erschöpfte Mutter und den überglücklichen Vater, der Michael als erster in den Arm nehmen durfte.

Herausforderung Alltag

Noch am Tag der Entbindung bekam Martina Immunglobuline, ein Schub folgte der Geburt glücklicherweise nicht. Nach einer Woche konnte sie mit ihrem Sohn die Klinik verlassen und ein stressigreicher Alltag begann. Das Baby forderte ihre ganzen Kräfte, war in der ersten Zeit "super anstrengend". Auch wenn es immer wieder kurzzeitige Hilfe gab. Jede Mütze Schlaf, die sie finden konnte, nutzte Martina. Heute ist diese Zeit längst vergessen. "Michael ist das liebste Kind, das man sich vorstellen kann."

 

 

Als eine von fünf
Frauen gab Martina
im Rahmen der
DANKE-Aufklärungs-
kampagne dem
Thema MS ein
Gesicht

Als Michael neun Monate alt ist, geht Martina mit ihrem Kind in Reha. Dort schöpft sie Ausdauer und Erholung für den Alltag, der wenig Ruhephasen lässt. Da sind der Ehemann, das Kind, der Haushalt, ein Hund und eine Katze, ein Garten und ihre Aufgabe als Leiterin der AMSEL-Kontaktgruppe Karlsbad-Ettlingen, die sie fordern. Aber sie ist glücklich damit. Glücklich und sehr dankbar für ihr Kind. "Das gibt mir Kraft." Das wichtigste ist für sie, dass ihr Sohn eine seinen Neigungen entsprechende unbeschwerte und unbelastete Kindheit erlebt. Lange hat sie sich gesorgt, ob dies für ein Kind mit einem chronisch kranken Elternteil möglich ist, bis sie diese Frage für sich mit einem "Ja" beantworten konnte.

Für Martina ist ein Traum in Erfüllung gegangen, ein zweites Kind haben sie und ihr Mann sich aber nicht zugetraut. Dafür war der Anfang zu anstrengend. Die kinderliebe Martina, die selber aus einer Familie mit Geschwistern kommt, betreut zumindest einmal die Woche regelmäßig ein zweites Kind, weil dessen Eltern arbeiten gehen. Außerdem hat Michael viele Freunde, die er mit nach Hause bringt und als Geschwisterersatz einen Hund. Für sie steht fest: Ihr Kinderwunsch war für sie richtig. "Bisher hat sich immer alles gefügt" sagt sie dankbar.

Quelle: Magazin Together, Ausgabe 01/11

Redaktion: AMSEL e.V., 19.04.2011