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Kognition - was war das nochmal ?

Oft sind die subjektiven Beschwerden Ausdruck von Erschöpfung, Depression, übertriebenen Sorgen, so PD Dr. Stefan Schwarz im AMSEL-Multiple-Sklerose-Chat.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe AMSEL-Chatter, herzlich willkommen zum Expertenchat mit PD Dr. Stefan Schwarz zum Thema Kognition. Wir sind online - schießen Sie los !

christiane: Guten Abend! Ich habe bis vor Kurzem als Dolmetscherin gearbeitet, aber dann fielen mir die Wörter nicht mehr so schnell ein wie benötigt. Gibt es dafür ein spezielles Training?

PD Dr. Stefan Schwarz: Zunächst mal guten Abend an alle. @Christiane: Ich würde zunächst mal nachschauen, was wirklich los ist. Dafür gibt es spezialisierte Neuropsychologen, die mit genauen Tests untersuchen können, ob und welche Defizite da sind.

PD Dr. med. Stefan Schwarz

Klinische Ausbildung an den Universitäten Münster und Heidelberg

  • Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
  • 2003 Habilitation für das Fach Neurologie
  • Oberarzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim der Universität Heidelberg
  • Interessengebiete: Multiple Sklerose, Demenz, Schlaganfall
  • Arbeitsschwerpunkt: Auswirkungen chronischer neurologischer Erkrankungen auf die Lebensqualität
  • 2008 in Kooperation mit der AMSEL Erhebung zu alternativen Therapien bei Patienten mit Multipler Sklerose

christiane: Ah, ok. Ich habe schon einen Antrag auf Gedächtnistraining bei einer Neuropsychologin gestellt, jetzts liegt es bei der Krankenkasse. Aber es ist doch seit Kurzem eine Kassenleistung, nicht?

PD Dr. Stefan Schwarz: Gedächtnistraining kann eine Kassenleistung sein. Es gibt allerdings auch Kassen, z.B. viele Privatkassen, die das einfach nicht bezahlen. In der Regel kommt es auf den Arzt an, der eine gute Begründung für die Verschreibung liefern muss. In meiner Erfahrung machen die Kassen dann meistens mit. Oft sind aber die Ärzte nicht bereit, Gedächtnistraining zu verschreiben.

christiane: Da hab ich wohl Glück mit meinem Neurologen, der hat nichts dagegen :-) Vielen Dank!

PD Dr. Stefan Schwarz: Das Problem, das dahinter steht, ist, dass es wenige Untersuchungen gibt, die richtig nachweisen, dass Gedächtnistraining hilft. Das ist zwar einleuchtend, aber die Kostenträger ziehen sich dann gerne auf das Argument zurück, solche Trainingsverfahren sind nicht wissenschaftlich belegt. Aber nochmal, zunächst muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich Gedächtnisdefizite bestehen und die Beschwerden nicht Ausdruck anderer Probleme sind, wie z.B. Depression, Medikamentennebenwirkungen o.ä.

Karina: Guten Abend zusammen! Gibt es Tests, die man selbständig, z. B. am Computer, also ohne Neuropsychologen machen kann? Welche Art von Gedächtnistraining würden Sie empfehlen?

PD Dr. Stefan Schwarz: Ich persönlich arbeite in einer Spezialambulanz mit Psychologen zusammen, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Von Tests am Computer halte ich nicht so viel, weil die Ergebnisse meistens interpretiert werden müssen, was nur geht, wenn man die Person auch untersucht hat und kennt. Wenn jemand ein Problem mit kognitiven Leistungen hat, sollte es nicht zu schwer sein, sich qualifiziert untersuchen zu lassen. NB: Da haben auch die Kassen kein Problem damit.

Karina: Da nicht soviele Fragen gestellt werden, würde ich gerne aus dem Ankündigungstext einige Fragen einkopieren, die mich interessieren! Seite empfehlen Drucken | Ankündigung Expertenchat: Kognition - was war das nochmal ? 28.06.2012 - Um Kognition und Aufmerksamkeit bei Multipler Sklerose geht es im Expertenchat mit PD Dr. Stefan Schwarz kommenden am Dienstagabend ab 19 Uhr. Einfach einloggen und mitmachen. - Fragen kostet nichts! Ein nicht zu unterschätzendes Symptom unter den vielen MS-Symptomen sind Probleme mit der Kognition, also mit bestimmten Denkleistungen. Multiple-Sklerose-Expertenchat "Kognition - was war das nochmal ?" Dr. Stefan SchwarzDas Gute zuerst: Die Intelligenz lässt durch MS nicht nach. Wohl aber kann das Denken langsamer werden, Betroffene schneller erschöpfen. - In der Familie, am Arbeitsplatz, mit Freunden wie mit Fremden: Woran erkenne ich, ob Aufmerksamkeitsfehler der MS geschuldet sind oder zu den ganz allgemein menschlichen Fehlern zählen, wie sie auch jedem nicht Betroffenen passieren? Gibt es Tests, um Denkleistungen objektiv zu bewerten? Freiräume schaffen Was ist das Arbeitsgedächtnis und wie arbeitet es eigentlich? Wie äußern sich Einschränkungen? Wie erkläre ich sie meinem Gesprächspartner? Wie schaffe ich mir Freiräume, ohne ständig in Erklärungsnot zu geraten oder mit einem schlechten Gewissen durch den Tag gehen zu müssen, weil wieder einmal etwas nicht geklappt hat? Gibt es Strategien, mit denen man auf diese Fülle von Situationen reagieren kann?

PD Dr. Stefan Schwarz: Das sind ja jetzt genug Fragen. Zunächst mal die Überschrift: "Kognition" ist ein Begriff, der unterschiedlich interpretiert wird. Die meisten Menschen meinen einfach "Denken" damit. Es handelt sich um eine Summe von geistigen Leistungen wie Denken, Planen, Verstehen, Aufmerksamkeit, Konzentration, Urteilskraft etc. Tatsächlich gibt es keine Erkrankung des Gehirns, bei der diese Funktionen nicht gestört sein können. Bevor man die Beschwerden auf die Erkrankung schiebt, muss man aber auch sicher sein, dass tatsächlich Defizite da sind. Oft sind die subjektiven Beschwerden Ausdruck von Erschöpfung, Depression, übertriebenen Sorgen, und viele Patienten haben eine ganz gute Kognition, wenn man nachschaut.

Moderator Patricia Fleischmann:

Im AMSEL-Shop finden Sie übrigens eine Broschüre zum Thema: Kognitiv denken, planen, handeln : www.amsel.de/shop/index.php -------- Auch innerhalb unserer Broschüre zu den unsichtbaren Symptomen der Multiplen Sklerose spielen kognitive Probleme eine Rolle: www.amsel.de/shop/index.php

 

Moderator Patricia Fleischmann: @Karina: Danke, dass Sie die Chance nutzen ! Dr. Schwarz versucht bestimmt, die Fragen des Ankündigungstextes zu beantworten. Etwas leichter hätte er es freilich, wenn Sie diese einzeln als Frage posten würden. Wenn Ihnen das vielleicht möglich wäre ?

Karina: Was ist Arbeitsgedächtnis und wie arbeitet es?

PD Dr. Stefan Schwarz: Arbeitsgedächtnis ist ein Teil des Erinnerungvermögens. Ich brauche es z.B., wenn ich diesen Satz schreibe, damit ich noch am Ende weiss, was ich am Anfang geschrieben habe. Es ist also eine kurzfristige Gedächtnisleistung, die mir hilft, unmittelbar zurecht zu kommen. Früher hat man das auch mit Kurzzeitgedächtnis bezeichnet. Im Unterschied dazu speichert das "Biografische Gedächtnis" Ereignisse, die lange zurückliegen.

Karina: Wie äußern sich Einschränkungen? Wie erkläre ich sie meinem Gesprächspartner?

PD Dr. Stefan Schwarz: Einschränkungen können sich vielfältig äußern. Das ist bei jedem Menschen anders. Wichtig ist natürlich, dass auch völlig Gesunde den ganzen Tag über Fehler machen, das ist ganz normal. Wenn man aber mal auf dem Trip ist und seine Fehler als Krankheitssymptome deutet, findet man überall und immer Fehlleistungen. Bei den meisten Menschen sind die Fehler alltäglich, z.B. dass man etwas vergisst, verlegt oder so. Jeder von uns kennt das, aber wenn ein gewisses Mass überschritten wird, kann es Zeichen einer Erkrankung sein.

Karina: Wie schaffe ich mir Freiräume, ohne ständig in Erklärungsnot zu geraten oder mit einem schlechten Gewissen durch den Tag gehen zu müssen, weil wieder einmal etwas nicht geklappt hat? Gibt es Strategien, mit denen man auf diese Fülle von Situationen reagieren kann?

PD Dr. Stefan Schwarz: Theoretisch ist das gar nicht so schwer: Wenn jemand gesundheitsbedingt Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis hat, sollte er sich selbst und seiner Umwelt gegenüber das eingestehen und offen damit umgehen. Denn Versteckspielen ist ein zusätzlicher Stress, der die Leistungen weiter verschlechtert. Wenn man sich klar gemacht hat, dass es halt so ist und dass es ein Teil einer Erkrankung hat, ist der Umgang oft viel einfacher. In der Theorie hört sich das einfach an, aber für viele Patienten ist das Thema sehr schambesetzt. Viele Patienten ziehen sich lieber zurück und verstecken sich, nur damit keine Fehler gemacht werden und dass niemand etwas merkt. Das ist natürlich gerade falsch.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Karina hat die Initiative ergriffen, und eine Menge Fragen gepostet. Das sollte die andern 8 Chatter, die grade online sind jedoch nicht davon abhalten, ihre eigenen Fragen zu stellen :-)

Susanne: Können kognitive Defizite die durch neuropsychologische Tests festgestellt wurden, sich bessern, oder eher verschlechtern?

PD Dr. Stefan Schwarz: Das hängt von der Ursache ab. Beispiel: Wenn jemand hochdosiert Kortison erhält, werden die kognitiven Leistungen oft ziemlich schlecht. Das macht sich dann aber meistens rasch wieder. Oder wenn eine akute Entzündung vorliegt, können sich die geistigen Leistungen oft stark verschlechtern und dann nach dem Abklingen bzw. der Behandlung wieder gut erholen. Schwierig ist es, wenn es sich um chronische, seit längerem bestehende Einschränkungen handelt. Hier sind die Aussichten, dass sich das wieder bessert, sehr viel geringer.


Allgemein - Karina: @ alle: sorry, ich dachte, ich wäre mit Christiane alleine im chat. Da keine Fragen kamen,war ich so frei :)
Moderator Patricia Fleischmann: @ alles ok, Karina, Sie machen das super. Die andern melden sich schon, wenn sie möchten.

Moderator Patricia Fleischmann: Übrigens sind es jetzt schon elf Chatter, also ein Fußballteam ;-) Gibts noch weitere Stürmer neben Karina ?

Filomenia: Ca. 1 Jahr, bevor bei mir die MS diagnostiziert wurde, hatte ich häufig festgestellt, dass ich beim Schreibmaschinenschreiben die Buchstaben verdrehe, was zuvor eigentlich nie vorkam. Seit der Diagnose habe ich neben leichter Spastik vor allem Fatique u. Konzentrationsstörungen. Im Beruf geht bei mir so gut wie nichts mehr. Glauben sie, mir könnte ein Gedächtnis- u. Konzentrationstraining etwas bringen? Oder besser aufhören mit der -für mich - sehr stressigen Arbeit - bin jetzt 50 Jahre alt.

PD Dr. Stefan Schwarz: ich hoffe, Sie verstehen, dass man eine solche schwierige Frage nicht in einem Chat behandeln kann. Wenn "so gut wie nichts mehr geht", bringt es in der Regel nichts, einfach weiter zu wursteln. Ich würde folgendes tun: 1) mich von einer Nervenärztin UND von einer Neuropsychologin untersuchen lassen 2) Wenn es andere Ursachen (Burnout, Depression, Medikamentenwirkung etc.) gibt, diese zunächst behandeln oder ausschalten 3) Eine Auszeit (z.B. Reha) nehmen und versuchen, die Behandlung zu verbessern, mich zu erholen, dabei auch spezielle Trainingsverfahren erlernen 4) erst dann entscheiden, ob Sie besser mit der Arbeit aufhören oder nicht. Das sind aber ganz allgemeine Ratschläge, ich weiss nicht, ob die für Ihre Situation richtig sind.

Moderator Patricia Fleischmann: @ alle: Falls Sie keine Fragen an den Experten haben, können Sie sich auch gern in der "Plauderecke" über Ihre Erfahrungen austauschen.


Allgemein - sissi: also ohne merkzettel geht bei mir gar nichts mehr. wie macht ihr das wenn ihr zum beispiel beim arzt seid?

Allgemein - christiane: hallo Sissi, ich hab auch immer nen zettel mit fragen dabei und schreibe auch die antworten mit

Allgemein - Karina: dito

Allgemein - conny:

Allgemein - christiane: am liebsten würde ich das auch mit freunden/eltern etc. so machen, aber das wäre ja auch blöd.oder habt ihr ne idee, wie man das "spielerisch rüberbringt"?

Allgemein - Karina: Ich merke auf jeden Fall auch, dass bei Stress alles schwieriger wird!
sissi: kann man selbst unterscheiden, wo stressbedingte aufmerksamkeit aufhört und ein handfest kognitives problem beginnt? gibt es kriterien, depris und medis mal ausgeschlossen?

PD Dr. Stefan Schwarz: es läuft letztlich auf dasselbe hinaus, nämlich, dass man was falsch macht oder vergisst. Kognitive Probleme, die durch Streß entstehen, sind hauptsächlich durch Schwierigkeiten gekennzeichnet, sich zu konzentrieren. Wenn das Gehirn mit anderen Dingen beschäftigt ist, kann man sich nicht mehr konzentrieren. Oft sind das dann die typischen Flüchtigkeitsfehler, wie z.B. Gegenstände verlegen, Termine vergessen, den Herd vergessen abzuschalten, also Dinge, die im Prinzip jedem passieren, aber eben nicht so häufig. Die Unterscheidung zwischen stressbedingten Ausfällen und hirnorganisch bedingten Ausfällen ist aber im Einzelfall nicht so einfach, dafür braucht man tatsächlich einen Fachmann / eine Fachfrau. Diese Unterscheidung ist auch für die Behandlung wichtig. Denn hirnorganisch bedingte Defizite muss man natürlich anders behandeln als stressbedingte Probleme. Oft ist es auch gar kein Gegensatz, denn bei Stress und Aufregung werden alle Leistungen schlechter.

A.M.: Wegen kognitiven Problemen, auch geteilter Aufmerksamkeitsstörungen habe ich vor ca. 10 Jahren das Autofahren aufgegeben. Ich weiss auch nicht, ob das für mich noch was wäre. Z.Zeit bin ich etwas stabiler. Raten Sie Leuten mit solchen Beschwerden das Autofahren lieber zu lassen ?

PD Dr. Stefan Schwarz: Autofahren ist eine individuelle Angelegenheit. Wenn es unklar ist, ob die Fahrtüchtigkeit da ist, rate ich immer, freiwillig einen Fahrtest machen zu lassen. Im positiven Fall weiss man, dass man fahrtüchtig ist, muss kein schlechtes Gewissen haben und kann es auch gegenüber der Versicherung im Schadensfall nachweisen, beim negativen Ausgang weiss man, dass es einfach nicht mehr geht.

sissi: wieviel proozent der msler haben überhaupt echte kognitive probs, was schätzen sie?

PD Dr. Stefan Schwarz: die genauen Zahlen müsste ich nachschauen, ich weiss es nicht auswendig. Beschwerden über kognitive Beschwerden sind auf jeden Fall sehr häufig. Nachweisbare, ernsthafte kognitive Defizite bestehen sicher nur in einer Minderheit der Patienten, für diese Betroffenen ist das dafür aber dann meistens ein sehr gravierendes Symptom. Viele Menschen, die eine körperliche Behinderung gut verkraften, haben erhebliche Schwierigkeiten, mit Denkstörungen klar zu kommen.


Allgemein - conny: bei mir bei wärme. dann hängt mein sohn wieder klebezettel in der wohnung auf, weil ich dann nicht mehr weiß, das der kühlschrank kühlschrank heißt so als beispiel
teresa: Guten Abend, Herr Dr. Schwarz, guten Abend an alle, meine Frage: wie unterscheide ich kognitive Störungen, bei mir Konzentrationsschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefizit, nicht bei der Sache bleiben können, von demenziellen Störungen? Wie kann ich mich erklären, wenn ich nicht leistungsfähig und bei der Sache sein kann, die Mitmenschen können das nicht erfassen und raten dann "stell dich nicht so an". Die geistige und körperliche Erschöpfung tritt ein, wie wenn ein Schalter umgelegt wird, ich kann das ja oft selbst nicht verstehen und will es machmal auch mir nicht zugestehen, aber dann ist es noch schwieriger. Wie kann ich mit dem Zustand am besten umgehen und wie mich in Erklärungsnot verhalten?

PD Dr. Stefan Schwarz: Zunächst mal haben Sie ziemlich dumme Mitmenschen, wenn diese Leute Ihnen den Rat geben, sich nicht dumm anzustellen. Denn Sie würden ja liebend gerne alles richtig machen. Ich empfehle den Patienten immer, zumindest im Bekannten- und Freundeskreis offensiv mit kognitiven Defiziten umzugehen. Die allermeisten Menschen haben Verständnis, wenn Sie wissen, dass jemand aufgrund einer Erkrankung nicht zu 100%, sondern nur zu 98% leistungsfähig ist. Und wenn Sie die Sache klar gestellt haben, können Sie sich auch mal einen Fehler erlauben und geraten nicht so schnell in Stress. Oft berichten dann die Patienten, dass es jetzt viel einfacher ist, wenn ihre Freunde wissen, was los ist, denn auch die wissen oft nicht so richtig, wie sie sich verhalten sollen. Andererseits sollte man sich nicht nur als wandelndes Defizit verstehen, denn Fehler machen alle, ob gesund und krank, und das gehört einfach dazu. In der Praxis ist es aber schwierig, hier ein richtiges Verhältnis zu gewinnen. Wenn das ein sehr großes Problem ist, kann eine Psychotherapie manchmal helfen, richtig damit umzugehen. Demenz ist ein anderer Begriff. Damit meint man einfach geistige Leistungsstörungen, die krankheitsbedingt neu entstanden sind. In der Umgangssprache setzt man oft Demenz und Alzheimer gleich, aber tatsächlich ist Demenz der Überbegriff für alle Leistungsstörungen unterschiedlicher Ursache.

Susanne: Was kann man als stark Betroffene gegen die Fatique ausrichten ?

PD Dr. Stefan Schwarz: Fatigue ist ein ganz schwieriges Problem, weil es keine gute Definition gibt und weil man Fatigue nicht so einfach messen kann. Aus meiner Warte als Psychiater ist es immer ganz wichtig, zu schauen, ob dahinter nicht eine Depression steckt, die man manchmal ganz gut behandeln kann. Medikamente gegen Fatigue werden zwar immer wieder probiert, aber so richtig gute medikamentöse Therapien gibt es bisher nicht. Die allgemeine Empfehlung, die sicher auch richtig ist, ist Bewegung, soziale Kontakte und allgemein ein erfülltes Leben. Das ist natürlich leichter gesagt als getan.

mary: Hallo Herr PD Dr. S. Schwarz ,im allgemeinen sieht und merkt kein Mensch und auch meine Angehörigen meine kognitiven defizide nicht an , ich erscheine für alle immer wie jemand der da keine prob,s hat , ich hab sie aber und vorallem leide ich sehr stark unter meinr filterstörung , weswegen es schnell zu einer überreizung kommt , mir geht es dann sehr schlecht körperlich wie psychisch und keiner versteht warum und wenn ich es erklären will krieg ich es nicht hin oder es versteht mich keiner weil , ich wirke ja total fit , das gleiche problem hatte ich leider auch schon in der ms fach reha ! , wo in in gruppen kam den ich nicht gewachsen in der leistung und durch den geräuschpegel , ich brauch sehr viel ruhe und ziehe mich deshalb sozial total zurück , haben sie eine lösungsmöglichkeit für mich Danke

PD Dr. Stefan Schwarz: im Einzelfall kann man in einem Chat natürlich keine Therapieempfehlung geben. Offensichtlich haben Sie ja starke Fähigkeiten, wenn sie es schaffen, dass Sie nach außen so fit wikren. Ist das eigentlich notwendig, dass niemand "etwas merkt"? Vielleicht haben Sie es ja gar nicht nötig, sich so anzustrengen. Sie brauchen sich ja wirklich nicht zu schämen, wenn Sie mal was falsch machen. Könnten Sie vielleicht einfach etwas souveräner sein? Möglicherweise ist es ein guter Ratschlag, dass Sie sich einmal mit einer Psychotherapeutin besprechen, was Sie tun können, um Überreizung zu verhindern und ein entspannteres Verhältnis zu sich selbst zu kriegen.

christiane: Wie "alt" darf so ein bestandener Fahrtest im Schadensfall sein, wissen Sie das eventuell?

PD Dr. Stefan Schwarz: Nein, das kann man nicht generell sagen. Ein bestandener Fahrtest gilt natürlich zunächst mal nur für den Moment; wenn Sie einen Tag später schwer krank werden und ihre Leistungsfähigkeit stark sinkt, gilt das Resultat natürlich nicht mehr. Man kann sich also auf einen bestandenen Fahrtest nicht verlassen, aber eine Hilfe ist es natürlich schon, wenn sich dann nichts mehr verändert.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend teresa, gerade was den Umgang mit den Mitmenschen angeht, enthalten die 2 AMSEL-Broschüren zu Kognition / unsichtbaren Symptomen und Multipler Sklerose, die ich oben empfohlen habe, einige gute Tipps. Manchmal helfen auch Vergleiche, zum Beispiel mit jemanden, den man gerade aufgeweckt hat und der dann Dinge nicht so schnell erfassen kann wie im hellwachen Zustand. Oder wenn fünf Leute auf einmal auf einen einreden. Vielleicht fallen Ihnen Vergleiche ein aus dem Leben vor den kognitiven Störungen, die Ihr Problem für andere verbildlichen können.

Vanessa: Guten Tag, ich war früher sehr gut im Mathematik und habe sorgar ein Jahr an der Uni Mathe studiert, heutzutage brauche ich extrem lange, um etwas einfaches zu rechnen (wenn ich die Zahlen nicht lesen kann). Liegt das an ein Konzentrationsdefizit oder einfach an das fehlende konstante Training? Ich habe mein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und jetzt muss ich in meinem aktuellen Beruf keine rechnerische Übungen mehr oder kaum machen. Außerdem denke ich, dass das vielleicht darum liegt, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist ...

PD Dr. Stefan Schwarz: Woran das genau liegt, müsste man im Einzelfall untersuchen. Mit geeigneten neuropsychologischen Testverfahren kann man diese Frage aber meistens einfach beantworten. Da Sie ja ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen haben, habe ich den Verdacht, dass Ihre geistige Leistungsfähigkeit nicht sehr schlecht sein kann, sonst hätten Sie das ja wohl kaum geschafft.


Allgemein - teresa: Mit diesen Tips arbeite ich, die haben mir schon oft gut geholfen, was kann ich noch tun um meine geistige Ausdauer zu verbessern?
Moderator Patricia Fleischmann: @teresa: Bitte Ihre Frage in das obere Feld kopieren; in der Plauderecke kann Dr. Schwarz nicht antworten.

teresa: Mit diesen Tips arbeite ich, die haben mir schon oft gut geholfen, was kann ich noch tun um meine geistige Ausdauer zu verbessern?

PD Dr. Stefan Schwarz: Ich würde tatsächlich ein kognitives Training bei einer Neuropsychologin versuchen. Zugegeben, Ausdauer kann man schlecht beeinflussen, aber der Versuch kann ja auf keinen Fall schaden.

rabarbar: Guten Abend ! Ist es oft so, dass die neuropsychologischen Ausfälle bei MS besonders stark den Umgang mit Zahlen betreffen? Weil das abstrakter ist? Ich brauche sehr lange für bestimmte Rechenaufgaben weil zwischendurch auf einmal mein "Arbeitsspeicher" gelöscht wird. Ich finde das manchmal etwas gruselig, weil man gut beobachten kann, wie scheinbar Gemerktes auf einmal weg ist. Sind solche Störungen eigentlich der Erfahrung nach resistenter als z.B. die Folgen einer Sehnerventzündung? Nach einem Jahr sind die bei mir nochmal besser geworden. Ich muss bald Statistik Klausuren bestehen. Was könnte noch helfen, außer Statistik zu üben und Klausurverlängerung bekommen? Ist es besser direkt die Fertigkeiten zu üben, die man benötigt oder sind neuropsychologische Übungen manchmal besser um das Hirn zu reparieren? Laut Test in der Reha sind bei mir die geteilte Aufmerksamkeit, die Konzentration und die Reaktion "auffällig". Sprachliches funktioniert gut. Bewegen u. gleichzeitig Denken klappt dagegen z.b. nicht besonders. Herzlichen Dank für eine Antwort!

PD Dr. Stefan Schwarz: Zunächst mal: So schlimm kann es ja nicht sein, wenn Sie Statistikklausuren schreiben. Ich bin gesund, würde mir das aber nicht zutrauen. Man kann nicht generell sagen, dass bei MS abstraktes Denken bzw. Mathematik besonders betroffen ist. Kognitive Probleme bei MS sind sehr vielgestaltig, vermutlich je nachdem, wo die Entzündungsherde im Gehirn lokalisiert sind. Kognitives Training kann immer empfohlen werden, nicht zuletzt deswegen, weil es nicht schaden kann. Wenn es nicht nützt, kann man ja jederzeit aufhören. Leider können Sie mit Training vermutlich nichts reparieren, aber Sie können ihr Gehirn im optimalen Fall dazu bringen, auf anderen Wegen zu einem guten Ergebnis zu kommen. Meiner Erfahrung nach ist die Prognose stark davon abhängig, wie lange das Problem schon besteht. Kurzfristig entstandene Problem haben als Faustregel oft eine gute Prognose, Probleme, die seit vielen Jahren bestehen, sind oft schlechter zu behandeln.


Allgemein - rabarbar: Ganz oft Kleinigkeiten zu essen (Kohlenhydrate) hilft mir oft, wieder klar denken zu können, wird allerdings auf Dauer dick machen. Früher habe ich das nicht so gehabt, muss heute auch mehr essen. Kennt das noch jemand?
Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, vielen Dank für Ihre interessanten Frage, Ich hoffe, Dr Schwarz' Ratschläge sind hilfreich für Sie. Der nächste Chat ist am17.7., Thema und Referent erfahren Sie in den kommenden 2 Wochen auf www.amsel.de Besonderer Dank geht natürlich an Dr. Schwarz für sein Engagement hier und heute. Allen zusammen wünsche ich einen schönen Abend !

Redaktion: AMSEL e.V., 03.07.2012