Spenden und Helfen

Blasenprobleme bei Multipler Sklerose

Der schlechteste Weg zur Behandlung ist, zu wenig zu trinken, so Dr. Gerald Lehrieder im Multiple Sklerose-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe Chatter, um 19 Uhr antwortet Dr. Gerald Lehrieder hier auf Eure Fragen rund um die Blase und Probleme im Zusammenhang mit Multiplen Sklerose. Ihr könnt gern jetzt schon posten oder in der Plauderecke mit andern Teilnehmern chatten.

Sandra: Hallo, ich habe seit 14 jahren ms und seither schon immer probleme. nur habe ich das gefühl es wird schlimmer....ich muss permanent sobald ich ein wenig trinke aufs wc, habe schwierigkeiten es zu halten, weil es sich so "dringend" anfühlt..was ich von damals noch weiss, das sich wohl auch meine blase nicht vollständig entleer...was kann man dagegen machen? ich trau mich, wenn ich unterwegs bin schon gar nichts mehr trinken, weil ich mir richtig blöd vorkomme wenn ich ständig aufs wc rennen muss... danke für ihre hilfe. lg sandra

Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Sandra, Sie berichten ein sehr häufiges Problem. Wichtigste Frage dabei ist zunächst mal: Haben Sie einen Blaseninfekt ? Lassen Sie sich also doch erst mal den Urin auf Bakterien untersuchen. Wenn der Urin ok ist, dann sollten Sie in der Tat kontrollieren lassen, ob die Blase leer wird. Anahnd der Resthanuntersuchung kann der Urologe oder der Neurologe das richtige Medikament auswählen. Meist wird er eine Tablette zur Blasendämpfung einsetzen. Aber bitte: Der schlechteste Weg zur Behandlung ist, dass Sie zu wenig trinken. Also nie die Trinkmenge zu gering werden lassen. Das hilft auch gar nicht.

Dr. med. Gerald Lehrieder

Chefarzt der Dr. Becker Kiliani-KlinikFacharzt für Neurologie

  • Zusatzbezeichnungen für Sozialmedizin und Verkehrsmedizin
  • Fachkundenachweis im Strahlenschutz und der Transfusionsmedizin
  • Spezialist auch auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose
  • Video mit Dr. Gerald Lehrieder u.a. zu MS

Moderator Patricia Fleischmann: @Sandra: Ein Problem, das leider viele MS-Patienten teilen. Dauert nur noch 11 Minuten, dann ist Dr. Lehrieder online und kann die Frage beantworten. Bestimmt hat er gute Tipps.

Tanja: Hallo, kennen Sie das Pflaster "Kentera" gegen Dranginkontinenz?Würden Sie es empfehlen? Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Ja, das Pflaster kenne ich. Das enthält einen solchen Wirkstoff (Oxybutyinin), der den Blasenmuskel dämpft und den dauernden Harndrang lindern kann. Aber nur wenn kein oder sehr wenig Restharn vorliegt. Ihr Arzt kann Ihnen sagen, ob Gründe gegen dieses Pflaster sprechen, so dass Sie es besser vermeiden sollten. Im Prinzip ist der Wirkstoff aber effektiv und gut verträglich.

Sandra: Blaseninfekt habe ich keinen, das habe ich erst vor ein paar wochen prüfen lassen. muss ich diese untersuchung bei einem neurologen oder beim frauenarzt machn lassen?

Dr. Gerald Lehrieder: Danke für die Nachfrage: Eine Urinuntersuchung kann jeder Arzt, für die Restharnuntersuchung braucht der Arzt ein Ultraschallgerät. Das geht dann beim Frauenarzt, beim Hausarzt oder Urologen.

v- Barbara: Hallo Herr Dr. Lehrieder, Meine Frage: wenn ich mit MS eine erhöhte Restharnmenge von ca. 150 ml bis 200 ml habe und keine Veranlagung zur Infektion habe sollte da trotzdem katheterisiert werden? Der Restharn wird regelmäßig kontrolliert. Danke für ihre Antwort und viele Grüße

Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Barbara, haben Sie denn sonstige störende Symptome wie ständigen Harndrang oder zwingenden Harndrang und wenn Sie dann auf Toilette sind, geht nichts? Dann sollten Sie über eine Therapie mit Ihrem Arzt reden. Das kann, muss aber nicht zwingend katheterisieren bedeuten. Manchmal helfen da auch Medikamente zur Restharnsenkung.

Biene: Hallo, ich habe seit 12 Jahren MS und seit eine paar Jahren Probleme mit ständigen Blasenentzündungen. Ich nehme täglich morgens und abends jeweils eine Canberola. Trinken tu ich wie ich finde genügend ich Schätze an die 2 Liter. Früher habe ich methionin genommen was aber kaum geholfen hat. Mein Urologe hat mir nifurantin empfohlen was ich auch nehmen soll bevor ich schwimmen gehe oder GV habe. Ich kann doch aber nicht ständig Antibiotika nehmen. Die Blasenentündungen kommen alle 2 - 3 Monate.

Dr. Gerald Lehrieder: Alle von Ihnen angesprochenen Strategien sind hilfreich in der Vermeidung von Harnwegsinfekten. Nitrofurantoin ist sicherlich eine der Strategien, die man in hartnäckigen Fällen mal wählen muss, wenn andere nicht ausreichend greifen. Ist denn eine zugrundeliegende Blasenstörung schon ausreichend therapiert ? Liegt Restharn vor ? Vielleicht lassen sich da noch Wege finden, damit Sie nicht so anfällig sind. Blasenentzündungen sollten auf jeden Fall vermieden werden wegen der Gefahr, dass Fieber ja auch zu einer Verschlechterung anderer MS-Symptome führt und wegen der Gefahr der zu den Nieren aufsteigenden Infektion.

Biene: Meine Behandlungen wegen der ms ist thysabri. Meiner Meinung hat das mit den Blasenentündungen erst so richtig angefangen als ich mit thysabri angefangen habe. Steht ja auch im Beipackzettel.

Dr. Gerald Lehrieder: Ja, das ist leider ein glücklicherweise nicht häufiges, aber doch ein zu beachtendes Problem.

Tanja: Ist es richtig,dass es falsch ist,wenn man wenig trinkt um nicht auf die Toilette zu gehen,weil sich dann der Blasenmuskel "verkleinert" und man damit das genaue Gegenteil bewirkt? Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Das ist wie mit Henne und Ei: Der Blasenmuskel ist ständig kontrahiert (spastisch) und meldet schon bei kleinsten Füllmengen Harndrang. Das zwingt sie auf Toilette bzw. führt evtl. auch zur Inkontinenz. Und dadurch kontrahiert die Blase sich ständig weiter. Was am Anfang dieses Teufelskreises steht, ist ja eigentlich egal.

v- Anonyme Sie: Sehr geehrter Herr Experte, ich habe eine neurogene Blasenentleerungsstörung mit leichter Dranginkontinenz. Blasendruckmessung 2006 = hypokapazitäre, hypersensible, stabile Blase m. normaler Miktion. Durch regelmäßiges Beckenbodentraining bin ich bis heute ohne Medikamente. Leider ist inzwischen auch der Darm betroffen (MS seit 2000). Ultraschalluntersuchung zur Bestimmung des Restharns (max. 50 ml) wird regelmäßig durchgeführt. Ist es notwendig, regelmäßige Blasendruckmessungen zu machen, wenn ja wie oft? Vielen Dank.

Dr. Gerald Lehrieder: Regelmäßig muss das sicherlich nicht gemacht werden, wenn sich Ihre Situation und Ihr Leidensdruck nicht verändert hat. Aber wenn die Situation sich verändert, für Sie verschlimmert, dass Sie im Alltag nicht zurecht kommen, hilft eine solche Untersuchung weiter, eine zielgerichtete Therapie einzuleiten.

Tanja: Mir ist aufgefallen,dass wenn ich etwas warmes trinke,den Urin länger halten kann,als wenn ich etwas kaltes trinke (voe allem,wenn es draußen kalt ist). Ist das Einbildung oder gibt es dafür eine plausible Erklärung? Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Habe ich bisher so noch nicht gehört. Einbildung ? Würde ich jetzt nicht sagen. Eine sog. "instabile" Blase reagiert auf viele Außenreize mit Harndrang. Und Kälte ist ein solcher Reiz. Man kennt das ja auch beim Gesunden vom Sitzen auf kalten Untergründen.

moritz: Hallo, ich habe seit ca 1 Jahr die Diagnose ms und seit Ende Nov 2012 einen Merkbar schwächeren Harnstrahl, Schmerzen im Unterbauch und Miktionsverzögerung. Daraufhin wurde bei mir der Restharn gemessen, 110ml keine Auffälligkeiten im Urin. folgend wurde 2 1/2 Monate später eine Urodynamik durchgeführt, vor der Urodynamik hatte ich 100 ml Restharn danach 30 ml. Nun bin ich irritiert ob meine Probleme mit der ms überhaupt etwas zu tun haben können wenn die Restharnmenge anscheinend so stark schwankt?

Dr. Gerald Lehrieder: Stark schwankende Restharnwerte sind keine Seltenheit. Deshalb sollte man sich bei einer Einschätzung der Blasenstörung nie auf nur einen Wert verlassen. Ein "merkbar schwächerer Harnstrahl" kann insbesondere bei Männern ja auch durch andere Ursachen bedingt sein, z.B. ein Prostataproblem, oder MS-bedingt durch eine Beckenbodenspastik. Sie haben recht: Da sollten Neurologe und Urologe gemeinsam nach einer Lösung suchen und der Ursache auf den Grund gehen.

Biene: Restharn habe ich beim letzten Besuch beim Urologen 50 ml gehabt davor noch nie.

Dr. Gerald Lehrieder: 50 ml ist grade so die Grenze. Ohne andere Beschwerden würde man diese Menge sicherlich akzeptieren. Auf jeden Fall ist eine gelegentliche Kontrolle nötig.

Moderator Patricia Fleischmann: Besser handeln als leiden: Die AMSEL hat ein informatives Video zu Blasenstörungen online, hier der Link: https://www.amsel.de/video/index.php?w3pvid=roesener&w3pvcat=alle

Tanja: Ich habe lange Tabletten wegen der Inkontinenz (z.B Spasmex).Allerdings hat das Medikament bewirkt,dass ich manchmal bis zu 8 Std. nicht auf die Toilette gehen musste egal wieviel ich trank.Dies hat wiederum dazu geführt,dass ich ständig einen Blaseninfekt hatte und mit Antibiotika behandelt werden musste.Deswegen habe ich für mich beschlossen,den Dingen ihren lauf uzu lassen,Einlagen und Pampers (wenn ich draußen bin) zu tragen und es passieren zu lassen (schäme mich deswegen auch nicht).Gehe zudem auch regelmäßig zur Uroligin.Seitdem ich diesen Weg gewählt habe,haben sich meine Infekte drstisch reduziert.Ist etwas aus Ihrer/ärztlicher Sicht gegen mein Vorgehen einzuwenden? Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Das hört sich an, als sei man bei der Therapie ein bißchen übers Ziel hinausgeschossen. Das genannte Medikament dämpft den Blasenmuskel in der Tat, in Ihrem Fall wahrscheinlich so stark, dass die Blase sich praktisch nicht mehr entleerte. In dem in der Blase verbleibenden Urin (da ist es schön warm und feucht) fühlen sich Bakterien wohl. Das hat wahrscheinlich zu den ständigen Infekten geführt. Es laufen zu lassen, trägt wahrscheinlich nicht zu Ihrer Lebensqualität bei. Vielleicht hätte Ihre Blase auf ein anderes blasendämpfendes Medikament nicht so überschießend reagiert. Wenn doch bietet sich ein Ausweg: Das intermittierende Katheterisieren. Das ahmt quasi die natürliche rhythmische Entleerung der Blase alle vier bis 5 Stunden nach.

Tanja: Was genau meinen Sie mit "instabil"?Meine Blase ist in der Tat schwierig zu beschreiben. Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Instabil heißt mit einfachen Worten: Jede kleine Störung, jeder Reiz bringt sie aus dem Gleichgewicht. Und die Blase reagiert dann mit Harndrang und Entleerung.

Karina: Hallo, ich habe mittlerweile Probleme, den Harn zu halten. Es muss dann sehr schnell eine Toilette da sein. Können Sie mir Hilfsmittel nennen, die für unterwegs oder auch sonst eine Hilfe wären? (Hinhocken funktioniert nicht mehr, komme nicht wieder hoch :).)

Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Karina, Ihr Symptom ist die auch von anderen Chattern schon beschriebene Dranginkontinenz. Sie merken den Harndrang und brauchen auch sofort eine Toilette. Mit Hilfsmitteln außer den üblichen Vorlagen, Windeln etc. ist da nicht viel geholfen. Wenn kein Infekt vorliegt und auch kein Restharn da ist, sollten Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem arzt über eine medikamentöse Therapie reden. Evtl. kann nach ein paar harmlosen Untersuchungen eine Tablette helfen. Vielleicht ist aber auch eine ausführliche urodynamische Untersuchung nötig. Aber einfach hinnehmen sollten Sie das Symptom keinesfalls.

Tanja: Mich selbst zu kathetisieren geht nicht,da ich einen Tremor an beiden Händen habe.Dauerkatheter möchte ich nicht. Aber im großen und ganzen wäre nichts gegen mein momentanes Vorgehen einzuwenden?

Dr. Gerald Lehrieder: Sie sollten in jedem Fall den regelmäßigen Kontakt zu Ihrer Urologin halten, damit frühzeitig (im Ultraschall) erkannt wird, ob Veränderungen an den Harnwegen auftreten (Nierenstau, kleine Ausstülpungen der Blasenwand) Die Urologin kann das im Ultraschall sehen.

Tanja: Tragen psychische Reize ebenfalls zur Instabilität bei?Nervosität,Aufregung etc.? Danke

Dr. Gerald Lehrieder: Ja

Ilsebill: Hallo Herr Dr. Lehrieder! Ich bin 28 Jahre alt und habe seit 2 Jahren MS. Bei meinem letzten Schub im April 2012 hatte ich eine heftige Entzündung im Rüchenmark. Seitdem bin ich von der Hüfte abwärts gelähmt. Habe starke Probleme mit meiner Blase: spüre keinen Harndrang, kann nicht bewusst Wasser lassen oder halten. Habe laut urodynamischer Messung eine hyperaktive Blase, die sich regelmäßig bei einer Füllmenge von 300-500ml entleert. Ich bin Inkontinent, muss Windeln tragen und mich alle 3 Stunden selbstkatheterisieren. Ich habe 5 Monate lang 3x30mg Spasmex genommen. Da es aber keine Besserung gab wurde die Medikation auf 1x4mg Tolterodin gewechselt. Merke leider immernoch keine Besserung (Tolterodin nehme ich seit 6Wochen). Mein Urologe ist der Meinung, da ich noch sehr jung bin, möchte er mit der Botoxinjektion noch etwas warten, weil er weiterhin die Hoffnung hat, dass sich die Entzündung im RM remyelisiert/regeneriert. Ich hatte vor dem Schub April (der erst mein dritter war) nie Probleme mit meiner Blase, meinen Beinen etc. Wie schätzen Sie die Lage ein? Was halten Sie von Botox? Gibt es noch andere Optionen gegen die Inkontinenz? Es ist wirklich schlimm mit 28 Jahren Windeln tragen zu müssen! Ich brauche dringend Hilfe! Danke!

Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Ilsebill, Botox in die Blase ist eine wie ich meine vielversprechende Therapieoption für Sie. Sie erfüllen auch eine wie ich meine sehr wichtige Voraussetzung für die Botoxtherapie: Sie können Selbstkatheterisieren. Wenn die Fakten so liegen wie Sie sie schildern, hätte ich wahrscheinlich weniger Skrupel, Sie für eine erste Botox-Injektion in einer Urologie vorzustellen. Vielleicht reicht ja eine Injektions-Sitzung aus, wenn sich die Situation remyelinisiert/regeneriert. Aber wenn Botox wirklich nicht geht, wäre da noch die Möglichkeit, ein Blasendämpfendes Mittel (Oxybutynin) in einer besonderen Darreichungsform direkt in die Blase zu geben. Das ist aber nur was für Ausnahmefälle und bedarf der besonderen Beratung.

Tanja: Vielen Dank für Ihre Mühe,Zeit sowie Geduld,Dr.Lehrieder.Schönen Abend noch

Dr. Gerald Lehrieder: Danke, auch Ihnen und Alles Gute.

Karina: Ich habe auch das Gefühl, dass die Psyche mitspielt. Sobald ich ins Haus komme muss ich direkt höchst dringend - auch wenn vorher kein Harndrang bestand - zur Toilette und schaff es dann fast nicht mal rechtzeitig. Was bedeutet denn urodynamische Untersuchung?

Dr. Gerald Lehrieder: 1. Das Symptom berichten viele Patienten. Oft ist es natürlich auch einfach zufällig, dass der imperative Harndrang halt grad in diesem Moment zuschlägt. Auf der anderen Seite ist bei der MS (aber auch bei vielen anderen Erkrankungen) nicht immer alles was sich zwischen Körper und Seele abspielt, einfach zu erklären. 2. Eine urodynamische Untersuchung gibt uns ganz besonders genaue Einblicke in das Zusammenspiel von Blasenmuskel und Schließmuskelapparat, der auch aus zwei Teilen besteht. Weil das mit Kathetern in Blase und Mastdarm und Ableitung der Muskelaktivität im Beckenboden einhergeht, danach evtl. eine Röntgenuntersuchung gemacht wird, ist das für den/die Patientin nicht ganz so angenehm Aber die Aussagekraft ist höher, als bei einer Ultraschalluntersuchung der Blase, einer Strichliste, wie oft man pinkeln geht, und einer Urinuntersuchung auf Keime.

Mary: Hallo Herr Dr Lehrleder ich habe schon set seit 80 MS , endgültig wurde sie 94 diagnostziert , weil ich einen sehr ruhigen Verlauf habe , mein größtes Problem war aber schon seit meiner Jugend Blasen und Darmstörungen , für die damals niemand eine Ursache fand , kann es sein es damals schon neurogene Störungen waren , Jetzt ist es im allgemeinen gut behandelt , bis auf die Tatsache , das ich immerwieder Harnwegsinfekte habe und wenn sich ein Schub entwickelt zuerst die Blase überreagiert , nun zu meinem Prob nach jeder Corti - behandlung bin ich mindestens 4 Wochen komplett inkontinent Blase wie Darm , wo von kann das kommen und wie kann ich da gegen agieren , meine Ärzte verstehen es teils nicht oder sehen es als nicht so schlimm an , ich leide darunter sehr , vermeide deshalb oft das Corti vorab vielen Dank

Dr. Gerald Lehrieder: Cortison bewirkt über die Immundämpfung eine vermehrte Infektanfälligkeit. Und möglicherweise haben Sie unter Cortison einfach Infekte. Die Alternative ist, dass die Verschlimmerung des Blasen- und Mastdarmproblems Teil des Schubs ist. Dann sollte allerdings das Cortison einen positiven Effekt haben. Ihre Vermutung, dass möglicherweise die Blasenstörungen ein Erstsymptom waren, halte ich für relativ wahrscheinlich. Die Statistik sagt, dass 10 % der Patienten als Erstsymptom Blasenstörungen haben, ich halte das für eher unterschätzt.

Filomenia: Habe eine spastische Blase, d.h. ich kann nicht in einem Strahl urinieren. Brauche ziemlich lange, bis überhaupt etwas kommt. Außerdem muss ich recht häufig auf die Toilette - aber keine Inkontinenz vorhanden. Kann den Urin halten, ist aber sehr unangenehm, da ich dauernd dran denken muss und wenn ich unterwegs bin, mag ich auch kaum etwas trinken. Zuhause trinke ich sehr viel. Nehme seit ca. 2 Jahren Tamsulosin. Habe den Eindruck, dass es anfangs ganz gut gewirkt hat. Mit den Harndrang wurde es besser und auch die Speicherkapazität hatte sich von ca. 350 ml auf bis zu 450 ml verbessert. Mit dem Harnstrahl wurde es auch besser. In letzter Zeit denke ich, dass es wieder schlechter wurde mit beidem. Restharn ist bei mir unterschiedlich zw. 40 u. 80 ml. Habe so gut wie nie einen Blaseninfekt. Kann es sein, dass es trotz Tamsulolin wieder schlechter geworden ist und was kann ich noch machen. Die Blasenstörung ist schon eine wahnsinnig belastende Situation für mich.

Dr. Gerald Lehrieder: Wenn die Situation so wechselt und vor allem unter einer laufenden Therapie mit einem Medikament sich zum Schlechteren verändert, sollte man meiner Meinung nach zu einer Urodynamik raten. Da kriegt man als Arzt eine genaue Analyse der Blasensituation und kann gezielt "angreifen".

Susa: Hallo Herr Dr. Lehrieder. Manchmal spüre ich den Harndrang und manchmal auch nicht. Restharn ist immer vorhanden, schwankt aber auch zwischen 50 und 200 ml. Ich habe mir inzwischen angewöhnt auch ohne Harndrang in regelmäßigen Abständen zur Toilette zu gehen (funktioniert dann meist auch), den Restharn entleere ich 4 mal täglich über ISK. Sobald ich versuche, ISK zu reduzieren weil die Restharnmengen über mehrere Tage geringer waren, steigen die Restharnmengen wieder. Haben Sie eine Erklärung dafür und evtl. auch für die seit ca. 2 Jahren andauernden Schwankungen im Empfinden des Harndrangs?

Dr. Gerald Lehrieder: Ihre Strategie scheint aber ganz gut zu funktionieren. Der regelmäßige Gang zur Toilette auch ohne Harndrang hilft ganz häufig den unwiderstehlichen imperativen Harndrang erst gar nicht aufkommen zu lassen. Kombiniert mit dem ISK kommen Sie gut zurecht. Schwankungen in der Ausprägung von MS-Symptomen kennen wir ja auch von anderen Symptomen, der Spastik, der Sehstörung u.a.

Ilsebill: Bei Botox wird ja die Blase quasi "lahmgelegt". Wie lange die Wirkung anhält ist bei jedem unterschiedlich. Wie ist das bei Oxybutynin? Höre gerade davon zum ersten Mal? Gibt es auch Nebenwirkungen/Nachteile wenn die Blase mit diesen Mitteln behandelt wird? Vielen Dank!

Dr. Gerald Lehrieder: Über Botox sind Sie richtig informiert. Den genannten Wirkstoff gibt es ja auch als Tablette. Der Vorteil der Anwendung in der Blase, was wie gesagt nur eine absolute Reservestrategie ist, kann sein, dass in der Blasenwand (also dort wo's wirken soll) höhere Konzentrationen erreicht werden können, ohne die üblichen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit. Wenn das infrage kommen sollte, muss Sie Ihr Urologe gut aufklären.

andre: Ich (weiblich) habe seit 17 Jahren MS. In den letzten Jahren hatte ich bei Untersuchungen ca. 100 ml Restharn. Nun eine sehr unangenehme Frage: seit längerer Zeit "verliere" ich beim Orgasmus eine Flüssigkeit. Handelt es sich hierbei wohl um Urin und womöglich (bei vorheriger Blasenentleerung) um die Restharnmenge? Kann dies an der MS liegen?

Dr. Gerald Lehrieder: Ich fürchte, die Wahrscheinlichkeit, dass alle Fragen mit Ja zu beantworten sind, ist hoch. Das Thema Blasenentleerungsstörung und Sexualfunktionsstörung hängt sowohl anatomisch, neurologisch und vor allem auch psychisch eng zusammen. Sie sollten dies bei dem Arzt/bei der Ärztin Ihres Vertrauens ansprechen. Dabei ist es zunächst mal egal, ob es sich dabei um (m/w) Urologen, Neurologen oder Frauenarzt handelt. Hauptsache, Sie sprechen es an. Das ist der erste Weg zur Abklärung und zur Abhilfe.

Ilsebill: Eine Frage hätte ich noch: Durch das Katheterisieren habe ich oft Blasenentzündungen. Spüre zwar nichts aber ich lasse regelmäßig mein Urin kontrollieren, da bei der Tysabrigabe keine Infektion im Körper sein darf. Da ich aber im Moment alle 4Wochen Antibiotika nehmen muss wollte ich fragen ob es noch andere Alternativen gibt? Cranberry und Acimethin helfen bei mir nicht. Mein Urologe meinte er gibt mir nur noch ein ganz leichtes Antibiotika, damit ich nicht dagegen resitent werde.

Dr. Gerald Lehrieder: Vielleicht können Sie an der ISK-Technik noch ein bißchen feilen. Da gibt es Nurses, die helfen gerne.

Karina: Da werde ich die urodynamische Untersuchung wohl mal angehen müssen. Hört sich wirklich nicht so prickelnd an! Eine Frage noch: Gibt es auch für Frauen so etwas wie einen mitnehmbaren Urinbeutel? Danke für Ihre sehr ausführlichen Antworten und noch einen schönen Abend!

Dr. Gerald Lehrieder: Es gibt Einmalkatheter mit Beutel dran. Gerne. Und schönen Abend auch Ihnen.

Biene: Herr Dr. Lehrieder, Ich habe noch eine letzte Frage wegen dem nifurantin und GV. Reicht das eine Tablette vor dem GV einzunehmen ? Vielen Dank für ihre Antworten.

Dr. Gerald Lehrieder: Hinsichtlich der Dosis sollten Sie sich auch wegen möglicher Nebenwirkungen von Ihrem Arzt beraten lassen. Aber manchmal reicht auch eine 100 mg-Tbl.

Filomenia: Hatte bereits vor 2 Jahren eine urodynamische Untersuchung, bei der mir dann Tamsulosin verschrieben wurde, ist es ihrer Meinung nach also wieder notwendig diese Untersuchung durchzuführen? Was halten sie eigentlich davon, den Toilettengang eine Zeit lang hinauszuzögern, wie mir schon öfters geraten wurde, um die Blase zu "trainieren"?

Dr. Gerald Lehrieder: Wenn sich jetzt eine neue Situation ergeben hat, das Medikament scheinbar nicht mehr wirkt, sollte man zumindest intensiv darüber nachdenken. Das mit dem Training aber bitte nicht übertreiben. Geplanter Toilettengang, bevor der Harndrang richtig imperativ wird, ist meiner Meinung nach besser. Oft ist "Blasentraining" auch sinnvoll anders herum: Erlernen, den Beckenboden zu "erspüren" und gezieltes Entspannungstraining durchzuführen. Das kann in der Tat helfen, Restharn zu senken.

Ilsebill: Vielen Dank für Ihre Hilfe! Ich habe am 12. März wieder einen Termin bei meinem Urologen und dann werde ich ihn dazu befragen.

Dr. Gerald Lehrieder: Alles Gute dafür.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, das wars für heute. In 2 Wochen gibt es wieder den AMSEL-Expertenchat, Thema und Experte erfahrt Ihr auf www.amsel.de. Danke für die vielen Beiträge und besonderen Dank an Dr. Lehrieder, der heute zum ersten Mal hier geantwortet hat - wir hoffen auf ein Wiederchatten. Allen noch einen recht schönen restlichen Abend !

Filomenia: Danke für dieses wichtige Thema, es sollte öfter im Chat Beachtung finden.

Moderator Patricia Fleischmann: Danke, das haben wir notiert :-)

Redaktion: AMSEL e.V., 19.02.2013