Arbeitsrecht und MS

Wenn der Arbeitnehmer beispielweise an seinem linken Fuss gelähmt wäre und er seine arbeitsvertragliche Tätigkeit auch vollständig im Sitzen erledigen könnte, dann wäre er nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung dem Arbeitgeber gegenüber zu offenbaren, so RA Andreas Czech im Multiple Sklerose-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, willkommen im AMSEL-Chat ! Bevor es gleich um 19 Uhr losgeht und Andreas Czech antwortet, könnt Ihr gern schon die Plauderecke nutzen, um mit andern Chattern ins Gespräch zu kommen...

Marlies: Seit dem 1.4.2013 bin ich in einem neuen Unternehmen tätig. 17 Tage später erhielt ich die Diagnose MS. Soll ich meinem Arbeitgeber sagen, dass ich an MS erkrankt bin? Ich habe "nur" einen Jahresvertrag erhalten(der eigentlich immer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergeht), 6 Monate Probezeit. Ich bin zum Teil im medizinischen Bereich tätig. Für mich ein Grund es nicht zu sagen ist: packt mich nicht in Watte, ich will kein Mitleid. Auf der anderen Seite kann dann auch keine Rücksicht genommen werden...

RA Andreas Czech: Liebe Marlies, aus Sicht meiner bisherigen praktischen Tätigkeit sollte man ohne einen trifftigen Grund nicht offenbaren, dass man an MS erkrankt ist. In Deinem konkreten Fall wäre es sogar sehr fahrlässig während der Probezeit den Arbeitgeber über die MS Erkrankung zu informieren, weil der Arbeitgeber während der Probezeit das Recht hat, das Arbeitsverhältnis grundlos zu beenden. Aus meiner Sicht ist eine Mitteilung der MS Erkrankung an den Arbeitgeber nur sinnvoll, wenn man die msbedingten Einschränkungen deutlich sieht oder aber längerfristig gar nicht mehr in der Lage ist, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen aufgrund der MS-Erkrankung nachzukommen.

Andreas Czech

Publizistisch präsent auf AMSEL-Veranstaltungen und auf amsel.de. Eigene Kolumne im Magazin "together".

  • Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau in Bayern mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht.
  • 1996-2003 Tätigkeit bei verschiedenen Rechtsanwaltskanzleien in Passau, Regensburg und Stuttgart, teilweise in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht.
  • 2002 Rechtsreferendariat in Regensburg.
  • 2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg bei OLG Richter Maihold.
  • Seit 2004 niedergelassener Rechtsanwalt in Stuttgart mit Schwerpunkten Arbeits-, Zivil- und Sozialrecht.

laura: Hallo Herr Czech, ich bin ein paar Monate nach meinem Abschluss an MS erkrankt und möchte jetzt 1 1/2 Jahre nach der Uni endlich den Start ins Berufsleben schaffen. Äußerlich sieht man mir nichts an, nur nach längeren Wegstrecken humpele ich etwas. Nun habe ich große Angst vor meiner Lücke im Lebenslauf und weiß nicht wie ich mich diesbezüglich verhalten kann und sollte. Ich möchte nicht Lügen aber auch nicht so wirken, als wäre ich diese Zeit über nur faul auf der Haut gelegen. Haben Sie einen Rat für mich, z.B. wie ich reagieren kann, wenn ich darauf angesprochen werde, was ich die letzten Monate getan habe?

RA Andreas Czech: Liebe Laura, ich würde an Deiner Stelle dem potentiellen Arbeitgeber mitteilen, dass Du Dir nach der langen Ausbildungzeit (Schule + Uni) eine letzte längere Pause gönnen und Dir auch einen guten Überblick über die beruflichen Möglichkeiten verschaffen wolltest. Außerdem diente die längere Pause auch einer letzten Orientierung, bei welcher Du Dir noch einmal ganz klar werden wolltest, was Du in Deinem Leben beruflich machen willst.

Max: Guten abend, genau die Fragen die bei Amsel im Artikel stehen, sind die welche mich beschäftigen, da ich bald wieder arbeitslos sein werde und mich wieder um eine neue Stelle bemühen muss. Die wären: - Wann muss man dem Arbeitgeber sagen, dass man eine chronische Erkrankung hat und ein Schwerbehinderungsgrad vorliegt? - Bereits beim Bewerbungsgespräch? ( In vorherigen Bewerbungsgesprächen, hat mir das erwähnen der Krankheit, meiner Meinung nach nichts gebracht außer Absagen, das jemand der Geigneter ist gefunden wurde. Obwohl dies auch alles Stellen waren wobei Schwerbehinderte bevorzugt wurden.) - Und wie viel von der Erkrankung muss ich preisgeben? - Ist MS ein Kündigungsgrund? - Mit welchen Konsequenzen muss man rechnen, wenn man die Krankheit Multiple Sklerose verschweigt? Ich würde mich freuen wenn zumindest die ersten drei Fragen mir beantwortet werden könnten. Vielen Dank für Ihre Mühe

RA Andreas Czech: Lieber Max, bei der Offenbarungspflicht einer chronischen Erkrankung und einem Schwerbehinderungsgrad muss man zunächst unterscheiden. Wirkt sich die chronische Erkrankung bzw. Schwerbehinderung auf die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers aus. Wenn ja, dann besteht bereits beim Bewerbungsgespräche eine Offenbarungspflicht. Wenn nein, dann kann man die Frage nach einer chronischen Erkrankung bzw. Schwerbehinderung auch verneinen, obwohl sie in Wirklichkeit vorliegt. Aus diesen Gründen muss man entweder die Erkrankung vollständig benennen oder im letzteren Fall gar nicht benennen, so dass sich die Frage wieviel von der Erkrankung preis gegeben werden muss gar nicht stellt. Die MS-Erkrankung kann zu einem Kündigungsgrund führen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Erkrankung sehr häufig fehlt oder aber aufgrund der MS-Erkrankung gar nicht mehr in der Lage ist, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Nur bei einer Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers kann unter Umständen der Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber angefochten oder gekündigt werden. Weitere Konsequenzen wie Schadenersatz etc. des Arbeitgebers können nur bejaht werden, wenn dem Arbeitgeber tatsächlich auch ein Schaden entstanden ist. Dies müsste der Arbeitgeber aber detalliert darlegen und beweisen.

 

Moderator Patricia Fleischmann: @ Marlies: Ganz schön heftig, die Diagnose ist ja noch ganz frisch. Und sehr tapfer, dass Du gleich Infos einholst. Übrigens: beratungsteam@amsel.de hilft in sozial-rechtlichen, medizinischen sowie psychologischen Fragen weiter.

 

Marry Marry: Guten Abend Herr Czech, ich hätte eine Frage bezüglich dem Behindertenausweis. Wenn man einen GdB von mind. 50 hat, kann man ja nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Aber wie ist es, wenn man einen Zeitvertrag hat und der Vertrag ausläuft. Hat man einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung? Vielen Dank im Voraus!

RA Andreas Czech: Liebe Marry, ein befristetes Arbeitsverhältnis (Zeitvertrag) endet immer mit Zeitablauf ganz unabhängig davon, ob eine Schwerbehinderung oder eine chronische Erkrankung vorliegt. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht nicht. Außerdem muss vorher keine Zustimmung vom Integrationsamt eingeholt bzw. erteilt werden.

Anke: Hallo, das bedeutet auch, dass ich bei einem Vorstellungsgespräch die MS nicht erwähnen muss, auch wenn ich eventl. auf Krankheiten angesprochen werde?

RA Andreas Czech: Liene Anke, dei MS-Erkrankung muss beim Vorstellungsgespräche dem potentiellen Arbeitgeber nur mitgeteilt werden, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass die Einschränkungen durch die MS-Erkrankungen Auswirkungen bzw. Einschränkungen bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers haben werden.

Kira: Wenn man einen Behindertenausweis von GdB 50 oder mehr hat, muss man es dem Arbeitgeber ja sagen,dass man einen besitzt.Aber muss man auch die Erkrankung mitteilen?Ich denke mir, dass man dann gar keine Anstellung mehr findet. Aber dann auf die Frage,"welche Erkrankung haben sie?" zu sagen,"das möchte ich nicht sagen", führt sicherlich auch zur Ablehnung.Was tun?!

RA Andreas Czech: Liebe Kira, es besteht nicht immer die Verpflichtung, dem Arbeitgeber zu sagen, dass man einen Behindertenausweis hat. Eine Verpflichtung zur Mitteilung der Schwerbehinderung besteht nur, wenn sich die Schwerbehinderung ganz konkret auf die arbeitvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers auswirkt, der Arbeitnehmer also aufgrund seiner Schwerbehinderung gar nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten zu erfüllen.

laura: Lieber Herr Czech, vielen Dank für Ihre Antwort, für mich ist diese Bewerbungsphase sehr stressig, deshalb ist es mir sehr wichtig, in ein geregeltes Berufsleben zu kommen. Noch eine andere Frage: Sollte man dem Arbeitsamt gegenüber die Erkrankung erwähnen? Ich möchte wenn möglich noch nicht überall als krank und nicht leistungsfähig eingestuft werden, sehe aber auch, dass wenn ich keinem davon erzähle, auch keiner Rücksicht nehmen kann.

RA Andreas Czech: Liebe Laura, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Deine Chancen, einen Job zu bekommen durch die Mitteilung Deiner MS-Erkrankung gegenüber dem Arbeitamt erhöhen werden. Wenn Du aber erst einmal einen sicheren Job hast, dann gibt es zumindest in größeren Firmen viele Möglichkeiten, wie zum Beispiel Reduzierung der Arbeitszeit etc., um die Arbeistbelastung ein wenig zu begrenzen.

Ben: Guten Abend Herr Andreas Czech folgendes anliegen beschwert mich, bin vollzeit Berufs tätig (8h pro tag) und soll noch weiterhin denn 24h/7Tage Bereitschaft/Notdienst verrichten. Trotz des Ärtlichen Schriftstücks mich von diesem zu entbinden (Mehrabeit/Notdienst). Welche möglichkeiten habe ich durch die MS und dem leidenden erschöpfungs zuständen mich von dem zu entbinden? Mfg Ben

RA Andreas Czech: Lieber Ben, alleine aufgrund der MS-Erkrankung wird es schwierig sein, Dich von der durch den Arbeitgeber angeordneten Mehrarbeit zu entbinden. Lediglich das Vorliegen einer Schwerbehinderung berechtigt den Arbeitnehmer, Mehrarbeit zu verweigern, wenn er die Schwerbehninderung dem Arbeitgeber gegenüber ordnungsgemäß und rechtzeitig anzeigt.


Allgemein - laura: Da ich gerade nicht arbeite, kann ich über mein Verhalten am Arbeitsplatz nichts erzählen. Wie ich Herrn Czech geschrieben habe, stehe ich 1 1/2 Jahre nach meinem Studium immer noch vor meinem Start ins Berufsleben. Ich habe in dieser Zeit aber gejobbt. Dort habe ich, auch wenn es nicht um Karriere ging, nichts von meiner Erkrankung erzählt, obwohl eine Kollegin als Betroffene dort sehr offen damit umging.


Harry: Wann muss man dem Arbeitgeber sagen, dass man eine chronische Erkrankung hat? Bereits beim Bewerbungsgespräch? Und wie viel von der Erkrankung muss ich preigeben? Ist MS ein Kündigungsgrund? Mit welchen Konsequenzen muss man rechnen, wenn man die Krankheit Multiple Sklerose verschweigt? Bin allerdings in Lissabon.

RA Andreas Czech: Lieber Harry, ich kenne mich im portuguisischen Arbeitsrecht leider nicht aus und kann aus diesen Gründen Deine Fragen leider nicht beantworten, weil ich die gesetzlichen Bestimmungen und die Rechtsprechung in Portugal nicht kenne.


Allgemein - laura: Haha, jetzt hab ich doch was darüber erzählt, nämlich dass ich versuche meine Erkrankung zu verheimlichen. Die letzten Wochen bin ich aber offener geworden, wahrscheinlich bin ich deshalb auch endlich heute hier.


Moderator Patricia Fleischmann: @ Laura: Schön, dass Du hier bist. Und die Anonymität im Chat sorgt ja dafür, dass es im realen (Arbeits-) Leben nicht bekannt wird. Durchaus verständlich, dass einige Betroffene nicht wollen, dass ihre Krankheit öffentlich wird.


Allgemein - laura: @ Patricia: Danke, bisher habe ich den Chat immer verpasst und nur danach darin gelesen. Ich würde mich freuen, wenn ich die MS in meiner zukünftigen Arbeitsstelle nicht verheimlichen muss. Aber ich denke, dazu braucht es Vertrauen zu einzelnen Kollegen, bei meinen Freunden entscheide ich ja auch jeweils, wem ich wieviel davon sage, dass es mir nicht so gut geht bzw. dass ich MS habe.


Moderator Patricia Fleischmann: @ Laura: Umso besser, dass es heute geklappt hat :-) Chat ist immer am 1. und 3. Dienstag im Monat, Ausnahme: 3. Dienstag im Dezember, Weihnachts- und Sommerpause


Allgemein - laura: @ Patricia: ich werde mir die Termine in meinen Kalender schreiben, dann fällt mir nicht wieder einen Tag zu spät ein: "da war doch was..." :-) Für meine künftige Arbeitsstelle bin ich denke ich ohne Einschränkungen geeignet und ich werde meine Erkrankung dem Arbeitgeber gegenüber nicht erwähnen müssen und es deshalb auch zunächst verschweigen.


Ben: Guten Abend Herr Andreas Czech Bin Vollzeit beschäftigt (8h am Tag) und dazu kommt noch ein 24h 7tage am stück Bereitschfts/Notdienst. Mit Beleg der KurKlinik mich von dem Mehrarbeit/Notdienst auf Grund der MS freizustellen, worauf der Arbeitgeber nicht reagiert geschweige denn es sichten wollte, hätte ich nu gern Information dazu mich von der Mehrarbeit befreien zu lassen.

RA Andreas Czech: Lieber Ben, aus meiner Sicht berechtigt das Vorliegen einer MS-Erkrankung einen Arbeitnehmer nicht dazu, sich von der Anordnung der Mehrarbeit durch den Arbeitgeber befreien zu lassen. Etwas anderes gilt, wenn neben der MS-Erkrankung auch eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers vorliegt. In diesem Fall kann sich der Arbeitnehmer von Mehrarbeit befreien lassen.

 

Moderator Patricia Fleischmann: @ Laura: Hört sich nach einem guten Plan an ;-)

 

Anke: wenn ich in einem unbefristeten Arb.verhältnis stehe (eine schwerbehinderung von 50 habe - die aber dem AG aber bisher verschwiegen habe) und nun gekündigt werde, kann ich doch die Kündigung anfechten mit Hinweiss auf meine Behinderung, oder? Oder wäre das dann arglistige Täuschung?

RA Andreas Czech: Liebe Anke, im Falle einer Kündigung solltest Du sehr schnell Deinem Arbeitgeber am besten durch Vorlage Deines Schwerbehindertenausweises mittteilen, dass eine Schwerbehinderung bei Dir vorliegt. In diesem Fall würdest Du neben dem allgemeinen Kündigungsschutz auch den besonderen Kündigungsschutz unterliegen und könntest dann im Wege einer Kündigungsschutzklage, die innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss, gegen die Kündigung Deines Arbeitgebers vorgehen. Dieses Vorgehen stellt keinen Fall der arglistigen Täuschung dar.

bellaitalia: Lieber Herr Czech, ich bin mit 17 an MS erkrankt während ich im Ausland zur Schule ging. Krankheitsbedingt ging ich zurück nach Deutschland, alle Zeugnisse von dort sind hier nicht anerkannt, weil es nur Zwischenzeugnisse sind. Somit habe ich laut deutschem Stand nur 9. Klasse, dabei habe ich vorher hier in Deutschland und im Ausland Abitur angefangen und strebe es auch nach wie vor an, nur ist mein Körper nicht belastbar genug um an eine normale Schule zu gehen. Deshalb schlage ich mich mit einem Abitur Fernstudium herum, was sich aber schwierig gestaltet. Das Arbeitsamt stufte mich als gesund ein und wollte mich bundesweit vermitteln. Alle Proteste waren zwecklos, deswegen bin ich freiwillig umgezogen um dem zu entgehen und meiner Gesundheit damit nicht zu schaden. Leider ist genau das Gegenteil dabei herausgesprungen und ich bin seit einem Jahr krank, habe einen Medikamentenwechsel auf Gilenya durchführen müssen, welches mir weder bekommt noch hilft. Gibt es irgendwelche Möglichkeiten unterstützt zu werden wenn man krank ist? Bin ja gerade mal 20 und möchte die Hoffnung eigentlich noch nicht aufgeben ;) Auf Familie kann ich leider nicht zählen, mein Vati kümmert sich überhaupt nicht um mich, meine Eltern haben sich nach der Erkrankung getrennt und ich habe nur meine Mutti :(

RA Andreas Czech: Liebe Chaterin, diese Frage fällt leider nicht in den Bereich Arbeitsrecht. Ich möchte Sie bitten, sich telefonisch mit dem AMSEL Beratungsteam in Verbindung zu setzen, damit man Ihnen mit Ihrem Problem konkret weiterhelfen kann.

Ben: Ok, denn Antrag auf Gleichstellung habe ich schon gestellt, wie veranlasse ich dieses? "Schwerbehninderung dem Arbeitgeber gegenüber ordnungsgemäß und rechtzeitig anzeigt."

RA Andreas Czech: Lieber Ben, sobald über die Gleichstellung positiv entschieden wurde, legen Sie bitte Ihrem Arbeitgeber die Gleichstellung vor und teilen ihm mit, dass Sie von der Mehrarbeit befreit werden möchten.


Allgemein - laura: @ alle: wann (direkt nach der Diagnose?) und warum (für bestimmte Leistungen und Hilfen?) habt ihr euch denn in Bezug auf euren Behinderungsgrad einstufen lassen? Ich habe gelesen, dass früher schon allein die Diagnose MS einen Schwerbehinderung von 50 bedeutet hat, das ist soweit ich weiß nicht mehr so?


Loni-2: Ich bin im öffentlichen Dienst (Kommunalverwaltung) tätig und bin von Anfang an mit meiner Erkrankung offen umgegangen, d.h. Vorgesetzte wissen Bescheid. Bei uns wird jährlich ein Gespräch wg. der LOB - leistungsorientierte Bezahlung gemacht. Dabei muss nach den Dienstvereinbarungen und/oder Tarifverträgen eine chronische Erkrankung berücksichtigt werden. Das ist in der Vergangenheit allerdings nicht der Fall gewesen. Deutlich daran zu sehen, dass die Bewertungen prompt im Jahr nach der Diagnose steil nach unten gingen und auch nichts vermerkt war. Auch der zuständige Kollege sieht das so. Ich hatte davon ja zuvor gar nichts gewusst. Kann eine nachträgliche Korrektur verlangt werden inkl. ggf der "Prämienzahlungen"? Ich habe nur einen GdB von 30 und keinen SBA. Einen Gleichstellungsauftrag wollte ich machen, allerdings hat mir davon dann der Schwerbehindertenbeauftragte abgeraten, da es nichts bringe und mein Job ja nach 20 Jahren im öffentlichen Dienst nicht gefährdet sei. War das jetzt ein Fehler? Meine Neurologin hat schon gesagt, dass sie gerne bestätigt, dass es sich um eine chronische Erkrankung handelt. Meinen Sie, das reicht?

RA Andreas Czech: Lieber Chtater, ich kann diese Frage im Rahmen eines Chats in der Kürze nicht beantworten. Hierzu müsste man die Rechtssprechung der Gerichte zu dieser Thematik zunächst prüfen, um eine konkrete und richtige Antwort geben zu können.

Anke: echt - die Diagnose MS reicht für Schwerbehinderung 50?? wenn das so ist sollte ich wohl handeln....

RA Andreas Czech: Liebe Anke, die Diagnose MS alleine reicht grundsätzlich nicht für eine Schwerbehinderung 50 aus. Die Beurteilung über das Vorliegen einer Schwerbehinderung richtet sich nach den Einschränkung des Betroffenen und nicht alleine nach der Erkrankung MS.


Allgemein - Vera: @Laura: Nein, das ist nicht mehr so


Anke: Aber ich lese überall im Netz, dass man als Antragssteller dazu verpflichtet ist, den Arbeitgeber darüber zu informieren, dass man eine „Schwerbehinderung“ hat. was ist denn nun richtig. bin verwirrt

RA Andreas Czech: Liebe Anke, eine Pflicht zur Mitteilung der Schwerbehinderung besteht nur, wenn sich die Schwerbehinderung bzw. die Einschränkung durch die Schwerbehinderung auf die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers auswirkt. Hierzu vielleicht ein Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer durch seine Schwerbehinderung beispielsweise an seinem linken Arm gelähmt ist und bereits beim Vorstellungsgespräch feststeht, dass der Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten beide Arm zwigend einsetzten muss bzw. benötigen wird, dann ist der potentielle Arbeitnehmer verpflichtet, seine Schwerbehinderung dem Arbeitgeber mitzuteilen. Umgekehrt, wenn der Arbeitnehmer beispielweise an seinem linken Fuss gelähmt wäre und er seine arbeitsvertragliche Tätigkeit auch vollständig im Sitzen erledigen könnte, dann wäre er nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung dem Arbeitgeber gegenüber zu offenbaren.


Allgemein - Ben: @ laura stimme Vera zu, mittlerweile wird der Gdb nach art der einschränkungen berechnet die man besitzt



Allgemein - laura: @ Vera und @ Ben: hallo, ich frage vor allem, weil ich Probleme habe, länger zu gehen. Aber solange ich nicht weiß was für Konsequenzen (positive und negative) es gibt, wenn man sich einstufen lässt, hatte ich das Thema für mich bisher völlig ausgeklammert. Deshalb nochmal die Frage etwas anders formuliert: was bringt es mir einen gdb zu haben?


Moderator Patricia Fleischmann: @ Anke: Vielleicht kann Herr Czech die Frage anhand eines Beispieles beantworten. Es kommt, darauf an, was man macht, so weit ich weiß: Bürojob z.B. oder Busfahrer etc. Man darf niemand andern gefährden oder Schaden zufügen aufgrund seiner Erkrankung - ganz laienhaft ausgedrückt, wohlgemerkt :-(


Allgemein - Peter74: Hallo Ben, wenn Du Dich nicht in der Lage fühlst, 24-h-Bereitschaftsdienste durchzuhalten, hier ein Tipp von mir: Man kann sich neuropsychologisch untersuchen lassen (wird leider von den Krankenkassen nicht übernommen, ist auch nicht ganz billig). Falls dort herauskommt, dass Du nach einer gewissen Zeit nicht mehr so belastbar bist, dann hättes Du was in der Hand. Jeder Betriebsarzt würde Dich von den 24-h- Bereitschaften befreien (weil es sonst auch ein Versicherungstechnisches Problem gibt, wenn ein Fehler geschieht). So war das bei mir. Viel ERfolg !!


Moderator Patricia Fleischmann: @ bellaitalia: beratungsteam@amsel.de hat sicher gute Ratschläge parat.


Allgemein - Vera: @Laura: ich glaube das ist seit Mitte 2007 so, denn seit dem hab ich GbB 50 und mein Neuro wusste es



Allgemein - Ben: evtl vorteile wenn de ohne befristeten anstellungs verhältnis bist und dazu den Gleichstellungs Antrag stellst -nicht so schnell kündbar, und ohne anstellung erschwert es evtl eine geeignetten Arbeits platz zu finden. Aber man muss nicht zwingend darauf hinweisen einen Gdb zu haben sofern es nicht offensichtlich ist, mein wissensstand


Anke: @Patricia .. Bürokauffrau bei mir

RA Andreas Czech: Liebe Anke, bei einer Bürokauffrau muss eine Schwerbehinderung nur angegeben werden, wenn die Bürokauffrau aufgrund der Einschränkung durch die Schwerbehinderung ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nicht oder nur sehr eingeschränkt nachkommen kann. Zu den Beispielen darf ich auf meine Antwort zu Ihrer letzten Frage verweisen.

Angehende Juristin: Guten Abend Herr Czech, ich studiere ebenfalls Rechtswissenschaften und würde gerne wissen, inwiefern nach Beendigung des Studiums noch eine Verbeamtung als Richterin mit der Diagnose Ms möglich wäre? Vielen Dank

RA Andreas Czech: Für die Übernahme in das Beamtenverhältnis müssen die Voraussetzungen nach Art. 33 Abs. 2 GG, einfachgesetzlich konkretisiert in § 9 BeamtStG erfüllt sein. Für die Übernahme in das Beamtenverhältnis muss der/die Bewerber/Bewerberin eine gesundheitliche Eigung besitzen, bei dem aufgrund der körperlichen Veranlagung die Möglichkeit des Eintritts "der dauernden Dienstunfähigkeit vor erreichen der Altergrenze mit einem hohen Grad an wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Bei einer MS-betroffenen Person muss also in jeden Einzelfall geprüft werden, ob die gesundheitliche Eignung vorliegt oder nicht, wobei es bereits verwaltungsgerichtliche Entscheidungen gibt, bei denen der Dienstherr verpflichtet wurde, eine MS-Betroffene zu verbeamten. Entscheidend ist allerdings, wie der gesundliche Zustand der MS-Betroffenen, der meist durch einen Neurologen beurteilt wird, ist.


Allgemein - Vera: @Laura: Du hast einen sicheren Arbeitsplatz! Vor Kündigung muss das Intergrationsamt eingeschaltet werden und du hast 5 Tage mehr Urlaub und kannst Dich von Mehrarbeit, sprich Überstd befreien lassen



Allgemein - laura: @ vera und @ ben: Danke für eure Antworten! Dass man mit der Diagnose MS früher den Gdb 50 bekommen hat, hängt soweit ich weiß damit zusammen, dass die Ärzte damals noch dachten, dass MSler jede Anstrengung vermeiden sollten. Inzwischen weiß man, dass Bewegung und auch ein kontrolliertes Maß an Anstrengung die Krankheit positiv beeinflussen können, da macht ein grundsätzlicher Gdb von 50 natürlich keinen Sinn...


Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, habt vielen Dank für Eure breitgefächerten Fragen heute. Ich gehe davon aus, dass die 2 offenen Fragen noch beantwortet werden. In 2 Wochen heißt es dann "Wiederchatten" - Experte und Thema findet Ihr wie immer vorher auf amsel.de. - Mein ganz großer Dank auch an Herrn RA Czech für seine kompetenten Antworten ! Und allen noch einen angenehmen Abend !

Redaktion: AMSEL e.V., 07.05.2013