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So viel Information war nie

20.10.04 - Und doch sind Internetnutzer oft die weniger vernünftigen Patienten. Auch MS-Betroffene sollten wachsam mit dem Medium umgehen.

Wie eine Meta-Analyse der Cochrane Collaboration zeigt, ist der informierte Patient nicht unbedingt der vernünftigere Patient. Das Internet gehört zu den computergestützten Paketen, die idealerweise unter Kontrolle von Gutachtern Gesundheitsinformationen für Patienten anbieten, um diese bei Entscheidungen zu unterstützen und nach Möglichkeit eine positive Veränderung des Verhaltens zu bewirken. Solche seriösen Angebote erreichen jedoch nicht immer ihr Ziel, so die Einschätzung von Dr. Elizabeth Murray, die für die Cochrane Collaboration acht randomisierte kontrollierte Studien zur computergesteuerten Gesundheitsinfo in einer Meta-Analyse zusammengefasst hat.

Das Ergebnis scheint zunächst positiv: Im Vergleich zum Arztgespräch sind die übers Netz geschulten Patienten besser über ihre eigene Krankheit informiert. Auch erfahren sie eine gewünschte soziale Unterstützung. Die erhoffte Verhaltensänderung tritt jedoch nicht ein. Schlimmer noch: In einigen Studien verhalten sich diese Patienten weniger vernünftig als Patienten, die ihrem Arzt vertrauen. Vor allem chronisch Kranke laufen Gefahr, vor lauter Informationsflut das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren.

Dies erläutert Murray am Beispiel eines Diabetikers: Wenn dieser von seinem Arzt eindringlich auf die negativen Folgen einer schlechten Blutzuckereinstellung hingewiesen wird, habe dies häufig eine nachhaltigere Wirkung, als wenn der gleiche Patient sich später im Internet über die wissenschaftlichen Grundlagen des ärztlichen Ratschlags informiert. Dort erfährt er nämlich, dass ein erhöhter Blutzucker kurzzeitig keine negativen Auswirkungen hat, was der Arzt ihm in der verkürzten Darstellung verschwiegen haben mag. Doch wenn mit Spätkomplikationen erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten zu rechnen ist, dann könnte der Patient die Umstellung seiner Lebensweise oder die regelmäßige Blutzuckereinstellung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Aufklärung über die Risiken allein genügt also nicht. Vor allem dann nicht, wenn der zu erwartende Schaden aus der Unvernunft erst mit zeitlicher Verzögerung eintritt. Das wiederum lässt eine Parallele zur MS erkennen, zeigt sich doch eine positive Auswirkung von Interferonen und Immunglobulinen auf Multiple Sklerose oft erst nach einem Dreiviertel Jahr. Die teils nebenwirkungsintensiven Therapien hingegen erfordern viel Ausdauer und Vernunft: Man spricht hier auch von "Therapietreue".

Sich in Sicherheit zu wiegen, weil man übers Internet gut informiert ist, ersetzt nicht den Ratschlag des Arztes, den man ernst nehmen sollte, genauso wie in Zeiten vor der Errungenschaft des welteiten Netzes!

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 · Mangelnde Therapietreue zahlt sich nicht aus
· Artikel der Cochrane Collaboration (in Englisch) 

Redaktion: AMSEL e.V., 20.10.2004