Spenden und Helfen

Riskanter Heilmittel-Boykott

28.02.06 - Dramatischer Rückgang bei Rezepten für Ergotherapie gefährdet Patientenversorgung.

Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE) wehrt sich gegen das zurückhaltende Verhalten beim Verschreiben von Ergotherapie: Seit Jahresbeginn herrscht in mehreren Bundesländern große Aufregung: Viele Ärzte verschreiben kaum noch Ergotherapie. Betroffen sind in erster Linie Kinder, die teilweise überhaupt keine Verordnungen mehr erhalten. Selbst bei Kindern mit körperlicher Behinderung oder schweren Wahrnehmungsstörungen lehnen Ärzte Rezepte ab, obwohl die Gefahr besteht, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Sollten diese Versorgungsengpässe anhalten, so sind die Folgen für die Patienten – und für die Gesellschaft – nicht absehbar.

Das Verhalten der Ärzte wird mit den sog. "Richtgrößen" erklärt, welche die Ausgaben für Heilmittel (Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie) begrenzen sollen. Richtgrößen werden von den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen für die einzelnen Regionen festgelegt. Die Androhung von Regressen beim Überschreiten der Richtgröße schüchtert viele Ärzte im Moment so sehr ein, dass sie
Heilmittel nur noch äußerst zurückhaltend oder wie in manchen Regionen gar nicht mehr verschreiben.

Seit Anfang des Jahres ist diese Entwicklung bundesweit zu beobachten. Dabei ist das diesjährige Ausgabenvolumen für Heilmittel mit 3,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht angehoben worden, wenn auch die tatsächlichen Ausgaben im Jahr 2005 voraussichtlich darüber lagen, genaue Zahlen gibt es noch nicht.

Von der Verschreibungszurückhaltung sind besonders die Regionen Nordrhein und Schleswig-Holstein betroffen, wo seit Januar erstmals Richtgrößen gelten. Dramatisch zugespitzt hat sich die Lage in einigen Regionen Nordrheins. Aus Protest gegen die neuen Richtgrößen haben viele Kinder- und Jugendärzte die Verordnung von Heilmitteln ganz eingestellt. Mittlerweile bedroht diese Verschreibungspraxis auch
die Existenz zahlreicher Ergotherapie-Praxen. Hier hat eine Entlassungswelle bereits begonnen.

Der Verordnungsstreik der Ärzte ist jedoch nur zum Teil mit den Richtgrößen zu erklären. Der grundsätzliche Protest gegen die derzeitige Gesundheitspolitik und die
berufspolitischen Forderungen der Ärzteschaft spielen eine wichtige Rolle. "Wir appellieren an die Verantwortlichen in den Kassenärztlichen Vereinigungen und den ärztlichen Berufsverbänden, die Ärzte sachgerecht zu informieren und Panikmache zu vermeiden", fordert Reinhild Ferber, die Vorsitzende des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten bei Gesprächen mit den Verantwortlichen.
"Unbestreitbar ist, dass Ärzte ihre Vertragspflichten verletzen und verantwortungslos handeln, wenn sie ihre Patienten unversorgt lassen und damit in eine schwierige Lage bringen. Diese Sichtweise wurde auch in den Gesprächen eindeutig bestätigt."

Quelle: Deutscher Verband der Ergotherapeuten

Redaktion: AMSEL e.V., 28.02.2006