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Praxisrelevante Fragen zu Multiple Sklerose (Teil2)

Schwangerschaft, Autofahren, Rehabilitation und die leitliniengerechte Versorgung im Fokus.

"Schwangerschaft und Immuntherapie sind wichtige Themen nach der Diagnosestellung und bei der Frage einer MS-Therapie." so Prof. Dr. Judith Haas. Aktuelle Daten zeigten übereinstimmend, dass Schwangerschaft und Geburt kein erhöhtes Risiko für MS-Kranke und das Baby bedeuten. Bekannt ist, dass es ein erhöhtes Schubrisiko in den ersten drei Monaten nach der Entbindung gebe. Danach geht es auf das Niveau wie vor der Schwangerschaft zurück. Stillen, so die Berliner Professorin zeigt eher günstige Effekte auf die MS. Die Art der Entbindung scheint ohne Bedeutung für den Verlauf.

Schübe, so die Ärztliche Leiterin des Zentrums für MS am Jüdischen Krankenhaus in Berlin, können während der Schwangerschaft und Stillzeit mit Hochdosis Corticosteroiden, Plasmaaustausch und/oder Immunadsorption behandelt werden. Im Einzelfall kann auch die Immunmodulation während der Schwangerschaft fortgesetzt werden. Dies sei zwischen Patientin und behandelndem Arzt genau abzuwägen. Bei nicht stillenden Frauen sollte unmittelbar nach der Entbindung eine Immuntherapie (wieder) begonnen werden. Als sicherste Therapie während der Stillzeit sieht Haas Immunglobuline an. MS-Erkrankte, die eine Fertilitätsbehandlung benötigen, können diese machen. Sie hat nach bisherigen Daten wohl keinen negativen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung.

Autofahren mit MS

Um allgemeine Aspekte zur Fahreignung und mögliche Kompensationsmöglichkeiten bei einer Schädigung des Gehirns wie z.B. bei MS ging es im Vortrag von Dipl.-Psych. Heike Meißner. "Nur 0,8% neurologisch erkrankter Patienten lassen mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) ihre Fahreignung überprüfen, obwohl es durch die Erkrankung zu einer Vielzahl von Problemen bei der Fahrzeugführung kommen kann." ist die Erfahrung der Psychologischen Psychotherapeutin / Klinischen Neuropsychologin (GNP). Es gibt aber eine gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgepflicht.

Während einer neurologischen Rehabilitation im Quellenhof, so die dortige Leitende Psychologin, kann auf Wunsch eine verkehrspsychologische Untersuchung stattfinden. Mit verschiedenen Testverfahren werden dann die Belastbarkeit unter Zeitdruck, die Konzentrationsleistung, komplexe Aufmerksamkeitsleistungen, die Reaktionsfähigkeit sowie visuelle Orientierungsleistungen und die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit überprüft

Reha lohnt sich

Dies ist die feste Überzeugung von Juan Victor Coseriu Pisani. "In Baden-Württemberg", konstatierte er zufrieden, "ist der Anteil derjenigen MS-Erkrankten, die eine Rehabilitationsmaßnahme wahrnehmen, höher als in anderen Bundesländern." Die Quote sei aber dennoch zu gering. Dabei könne durch eine qualifizierte Rehabilitation Berentung hinausgezögert und durch den Verbleib in der Erwerbstätigkeit höhere Anwartschaften für die Rente erworben werden.

Verschlechtert sich die Erkrankung, so ist auch vor der allgemeingültigen 4-Jahres-Frist eine Rehabilitationsmaßnahme möglich, so der Leiter Sozialmedizinischer Dienst / Reha-Management bei der DRV BW. Diese müsse sorgfältig begründet werden. Was bei Antragstellung zu beachten gilt, lesen Sie auf amsel.de. Nach einer akuten Krankheitsphase sollte immer eine Rehabilitation erfolgen. Denn je früher rehabilitative Maßnahmen eingeleitet werden, desto größer sind die Chancen auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit.

Leitliniengerechte Versorgung in der Praxis

Die Leitlinien zur Behandlung der MS geben behandelnden Ärzten Entscheidungshilfen für die angemessene ärztliche Vorgehensweise. "Leitlinien sind sinnvoll, hilfreich, machbar und notwendig." sagte Dr. med. Lienhard Dieterle. "Die ambulante Versorgung geht aber über Leitlinien hinaus." Aus Sicht des niedergelassenen Ravensburger Neurologen ist das Arzt-Patienten-Verhältnis ein wichtiger Aspekt. Diese Beziehung erfordere je nach Patiententyp eine unterschiedliche Vorgehensweise, sei aber Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. In der Praxis gebe es neben therapeutischen Gesichtspunkten bei der Behandlung der MS aber auch sozialrechtliche Fragestellungen, wie z.B. die Versorgung mit Arzneimittel bzw. Heil- und Hilfsmittel, Zuzahlungsbefreiung, Haushaltshilfe, Entgeltfortzahlung und Krankengeld, Rehabilitation, Reha- und Funktionstraining und viel Bürokratie mit Krankenkassen, Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern etc. zu bewältigen.

AMSEL dankt den Unternehmen Almirall, Biogen, Genzyme, Merck Serono, Novartis und Teva für die Unterstützung bei der Durchführung der Veranstaltung.

Redaktion: AMSEL e.V., 04.12.2015