MS-Symptome mildern

07.08.06 - Forscher aus Göttingen und Italien beschreiben ein zelluläres Signal, das die Symptome der Multiplen Sklerose verstärkt. Das Signal könnte Angriffsziel für neue Therapieansätze sein.

Sehstörungen, Missempfindungen, Sprach- und Koordinationsprobleme oder Muskelschwäche sind nur einige der Symptome bei Multipler Sklerose. Forscher in der Abteilung Neuropathologie am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen und an der Mouse Biology Unit des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Monterotondo, Italien, haben herausgefunden, dass die MS-Symptome durch ein bestimmtes Signal in den Zellen des Nervensystems verschlimmert werden.

Die Ergebnisse könnten den Weg frei machen für neue Therapien gegen MS, die jene Proteine blockieren, die das beschriebene Zell-Signal aktivieren. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Onlineausgabe der Zeitschrift Nature Immunology veröffentlicht.

Die Nervenzellen in unserem Gehirn und Rückenmark kommunizieren miteinander, indem sie elektrische Signale aneinander senden. Diese Kommunikation ist schnell und effizient, weil die Fortsätze unserer Nervenzellen ähnlich Stromkabeln von einer isolierenden Schicht umhüllt sind. Bei Patienten mit Multipler Sklerose zerstören Zellen des körpereigenen Immunsystems zunehmend diese schützenden Hüllen aus Fetten und Proteinen, genannt Markscheiden.

Eine zentrale Komponente bei dem molekularen Mechanismus hinter der Multiplen Sklerose ist das Signalmolekül NF-κB.
"Wir wussten schon seit längerem, dass NF-κB zentral an der MS beteiligt ist", sagt Dr. Manolis Pasparakis, früherer Gruppenleiter an der EMBL Mouse Biology Unit, und derzeitiger Professor am Institut für Genetik an der Universität Köln. "Aber bis jetzt war nicht klar, ob es Freund oder Feind ist. Wir wussten nicht, ob NF-κB die Gehirnzellen vor den Auswirkungen der Krankheit schützt oder die Situation verschlimmert."

Um zu verstehen, welche Rolle NF-κB bei der Multiplen Sklerose spielt, arbeiteten Priv. Doz. Dr. Marco Prinz in der Abteilung Neuropathologie in Göttingen und Dr. Pasparakis in Italien mit Mäusen, die an einer MS-ähnlichen Krankheit litten. Die Wissenschaftler blockierten die Aktivität von NF-κB bei den Tieren und beobachteten, was mit ihren Nervenzellen und den Markscheiden passierte. Um NF-κB zu unterbinden, inaktivierten sie IKK2 und NEMO, zwei Proteine, die NF-κB aktivieren.

"Das war eine Herausforderung", sagt Pasparakis, "weil NF-κB in vielen sehr wichtigen Prozessen im ganzen Körper mitwirkt. Seine Aktivität komplett zu unterbinden heißt, dass die Maus stirbt, bevor sie geboren wird. Damit wir die Rolle von NF-κB während der MS-Erkrankung beobachten konnten, haben wir mit ausgeklügelten genetischen Methoden Mäuse gezüchtet, denen IKK2 und NEMO nur in Gehirnzellen fehlt." Das Ergebnis waren Mäuse, die weit mildere MS-Symptome zeigten als gewöhnlich. Dieser Effekt hängt wahrscheinlich mit der geringeren Menge entzündungsfördernder Signale zusammen, die das Gehirn bei MS produziert.

"NF-κB reguliert die Bildung von Signalen, die bei einer Entzündung produziert werden. Die Signale locken Immunzellen herbei und aktivieren sie", sagt Priv. Doz. Dr. Marco Prinz aus Göttingen. "Normalerweise ist das eine sinnvolle Strategie, um den Körper vor Infektionen zu schützen. Aber bei MS-Patienten sind es exakt diese Immunzellen, die Probleme machen. Ihre Hyperaktivierung durch NF-κB macht die Situation nur noch schlimmer."

Indem die Forscher IKK2 und NEMO blockierten, hemmten sie die krankheitsfördernde Aktivität von NF-κB und milderten damit die MS-Symptome. Aus diesem Grund sehen die Forscher in den beiden Proteinen neue und vielversprechende Ziele für neue Therapien gegen Multiple Sklerose. Das menschliche NF-κB-Signalnetzwerk ist dem der Maus sehr ähnlich. Deshalb ist zu vermuten, dass die Substanzen, die IKK2 und NEMO in der Maus blockieren dies auch beim Menschen tun und auch hier die Krankheitssymptome mildern können.

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen

Redaktion: AMSEL e.V., 07.08.2006