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Kognition im Anfangsstadium

13.12.05 - Kognitive Flüssigkeit und Arbeitsgedächtnis sind subklinisch bereits früh betroffen.

Der Erfassung von schwerpunktmäßig fronto-temporalen Hirnfunktionen und Aufmerksamkeitsleistungen bei RRMS-Patienten (Patienten mit Relapsing Remitting Multiple Sclerosis) im Vergleich zu Gesunden und deren Langzeitentwicklung unter verschiedenen Therapiebedingungen widmete sich ein süddeutsches Neurologenteam. Unter anderem gehören Dr. Herbert Schreiber und Dr. Michael Lang aus der Ulmer Gemeinschaftspraxis, bei der AMSEL als ChatExperten und Vortragende bekannt, zum Forscherkreis.

Das Design der Studie ist als Multicenter-Studie mit einer Querschnitts- (QS) und zwei Längsschnittbeobachtungen (LS) nach 1 und 2 Jahren (Datenprofil T0, T1, T2) ausgelegt. Die QS umfasste 108 RRMS-Patienten (30 Männer und 78 Frauen) im Alter zwischen 18-55 Jahre. Diagnostiziert wurde nach Mc Donald-Kriterien. Die maximal drei Jahre MS-diagnostizierten Patienten mit RRMS-Patienten unterteilten sich in folgende Behandlungsgruppen: Avonex (43), Copaxone (45), Patienten ohne Immunmodulation (20).

Datenprofil: Für die Baseline (QS) wurden erfasst:

  1. klinische und Verhaltensparameter: Neurostatus, EDSS, Clin. Global Impression (CGI), Amb. Index (AI), Funkt. Status (FS), IQ, Depressivität, Fatigue Severity Scale (FSS), Lebensqualität (EQ5d),
  2. Exekutive Funktionen: Regensburger Wortflüssigkeitstest (RWT), Ruff Figural Fluency Test (RFFT), Farbe-Wort-Interferenztest (FWIT), Visual Verbal Test (VVT)
  3. Arbeitsgedächtnis: Wechsler Memory Scale (WMS-R, ZS/BS), TAP Arbeitsgedächtnis (TAPag),
  4. Lernen/Gedächtnis: Recurring Figures Test (RFT, Kimura), verb. Lern- und Merkfähigkeitstest
    (VLMT), WMS-R, Subtest vis. Wiedergabe u. Textreproduktion;
  5. Aufmerksamkeit: TAP Alertness (TAPal), TAP Reaktionswechsel (TAPrw), TAP geteilte Aufmerksamkeit (TAPga), Paced Auditory
    Serial Addition Task (PASAT), und
  6. visuo-konstruktive Funktionen: Complex Figure Rey-Osterrieth (CFR).

Ergebnisse: Beim Vergleich von RRMS-Gesamtgruppe und Kontrollen fanden sich in den Verhaltensparametern (Alter, IQ, Geschlechterverteilung) keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Lediglich der Depressions-Score war in der Patientengruppe erhöht. Auch die Treatment-Untergruppen (COP, AV, non-treatment) zeigten sich in
klinischem Status, Verhaltens- und MRI-Parametern vergleichbar.

In der Baseline-Untersuchung (QS) schnitten die RRMS Patienten bei vergleichbarer Intelligenz in den vielen Tests schlechter ab als die Kontrollen. Folgende Bereiche diskriminierten signifikant zwischen RRMS und Kontrollen: verbale Fluency in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad (RWT; formal-lexikalisch n.s., semantische Kategorien trend, semantischer Kategorienwechsel p<0.01), non-
verbale Fluency (RFFT; total unique designs p<0.05), Interferenz-kontrolle (FWIT; Farbe-Wort-Lesen p<0.03 und Benennungsleistung p<0.01), non-verbales Arbeitsgedächtnis (WMS; Zahlennachsprechen, rückwärts p<0.05), tonische (p<0.01) und phasische (0.02) Aufmerk-samkeit (TAPal, TAPrw) sowie hochsignifikant auch die geteilte Auf-
merksamkeit (TAPga; visuelle Modalität p<0.009). Nicht signifikant diskriminativ waren: Konzeptbildung (VVT), einfaches Arbeitsgedächtnis (TAPag), nicht-verbale Wiedererkennung (RFT_KIM), verbales Lernen (VLMT), verbale und nicht – verbale Wiedergabe (WMS), Reaktionswechsel (Trw) und visuelle Perzeption (CFR).

Schlußfolgerung: Die Studie belegt subklinische Einschränkungen des kognitiven Leistungsprofils von Multiple Sklerose-Patienten schon in frühen Phasen der Erkrankung. Hierbei sind vor allem die kognitive Flüssigkeit (Fluency) und verschiedene Aspekte der Interferenzkontrolle, des Arbeits-gedächtnisses sowie der Aufmerksamkeit betroffen. Diese Parameter sollen in einer follow-up Studie in Abhängigkeit von verschiedenen immunmodulatorischen Therapien getestet werden.

Redaktion: AMSEL e.V., 13.12.2005