Spenden und Helfen

Aufi! Zum Höhenkammertraining bei Multipler Sklerose

22.07.08 - Gestern startete in Bad Wildbad eine Untersuchung, die zeigen soll, ob sich ein Bewegungstraining in der Höhenkammer positiv auf Fatigue auswirken kann. Auch Patienten mit schleichendem Verlauf (PPMS) sind in die Studie eingeschlossen.

Aufi, der Berg ruft! - Nein, ernsthaft: Für Gesunde gibt es gute Gründe, in großer Höhe zu trainieren, warum sollte der Erfolg bei MS-Patienten ausbleiben?

Privatdozent Dr. Peter Flachenecker leitet eine vergleichende Untersuchung, die gestern im Quellenhof in Bad Wildbad startete. Hier geht es um die Effekte eines Bewegungstrainings in der Höhenkammer auf die erhöhte Erschöpfbarkeit ("Fatigue") und die körperliche Leistungsfähigkeit bei multipler Sklerose. Die Studienteilnehmer sind bereits rekrutiert.

Hintergrund

Die erhöhte Erschöpfbarkeit bzw. abnorme Ermüdbarkeit ("Fatigue") findet sich in Abhängigkeit von dem eingesetzten Untersuchungsinstrument bei 53 – 92 % aller MS-Patienten. Damit gehört sie zu den häufigsten behindernden Symptomen dieser Erkrankung, mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensqualität (Flachenecker et al., 2002).

Trotz dieser hohen Bedeutung existieren bisher keine überzeugenden Behandlungsmöglichkeiten. Kleinere Studien legen nahe, dass ein Ausdauertraining (Ergometertraining) die subjektive Selbsteinschätzung verbessern kann (Mostert und Kesselring, 2002). Inwieweit objektivierbare Parameter dadurch beeinflusst werden können, ist nicht bekannt, nicht zuletzt deshalb, weil derartige Messmethoden nur unzureichend vorhanden sind.

Training in großer Höhe

Training in großer Höhe (2.500 – 3.200 m), sog. "Hypoxietraining" ist eine wirksame und sichere Trainingsmethode bei Leistungssportlern. In einer ersten Studie bei Patienten mit arterieller Hypertonie konnte eine Leistungssteigerung von etwa 15 – 20 % erzielt werden, Nebenwirkungen oder Komplikationen waren nicht aufgetreten (S. Freigang, persönliche Mitteilung). Inwieweit diese Methode auch bei MS-Betroffenen die körperliche Leistungsfähigkeit und die Fatigue-Symptomatik bessern kann, ist nicht bekannt.

Möglicherweise langfristige Auswirkung auf den Verlauf

Von besonderem Interesse ist aber, dass durch ein Hypoxietraining das körpereigene Hormon Erythropoetin ansteigen kann und in einer jüngst vorgestellten Pilotstudie gezeigt wurde, dass durch die wöchentliche Gabe von rekombinantem Erythropoetin Gehvermögen und kognitive Leistungsfähigkeit bei MS-Patienten deutlich verbessert waren (Ehrenreich, ECTRIMS-Kongress Prag, 2007). Damit könnte das Höhentraining bei MS nicht nur einen kurzfristigen Trainingseffekt, sondern auch langfristige positive Effekte auf den Krankheitsverlauf haben. Dazu existieren in der wissenschaftlichen Literatur jedoch keine Daten.

Methoden

Während des Studienzeitraumes durchlaufen alle eingeschlossenen Quellenhof-Patienten ihre störungsspezifischen, individuellen Rehabilitationsmaßnahmen. Zusätzlich erhält ein Teil der Patienten ein Fahrradergometertraining in der normobaren Hypoxiekammer unter Bedingungen, wie sie in 2.500 m Höhe herrschen, ein zweiter Teil das gleiche Bewegungstraining unter "normalen" Bedingungen. Beide Trainingsformen werden über 2 Wochen hinweg durchgeführt und umfassen jeweils 6 Stunden Training pro Woche. Verschiedene Messungen vor, während und am Ende des zweiwöchigen Behandlungszeitraums werden erhoben. Zusätzlich werden zu den festgelegten Zeitpunkten Messungen in einer Kontrollgruppe vorgenommen, die keine zusätzlichen Trainingseinheiten erhalten.

Die drei Gruppen

Da bisher keine Erfahrungen zu den Effekten eines Ergometertrainings in der normobaren Hypoxiekammer bestehen, wird die Erhebung als Pilotstudie mit insgesamt 64 Patienten in drei verschiedenen Gruppen durchgeführt:

Gruppe 1
Ergometer-Training in der normobaren Hypoxiekammer: 32 Patienten in zwei Blöcken zu je 16 Patienten, die in 4 Gruppen � 4 Patienten in der normobaren Hypoxiekammer auf dem Ergometer trainieren. Die Höhenkammer wird auf Bedingungen eingestellt, wie sie in 2.500 m Höhe herrschen. Die Sauerstoff-konzentration in der Kammer wird fortlaufend überwacht.

Gruppe 2
Ergometer-Training unter Normalbedingungen: 16 Patienten in zwei Blöcken zu je 8 Patienten, die in jeweils 2 Gruppen á 4 Patienten unter normalen Sauerstoffverhält-nissen auf dem Ergometer trainieren.

Gruppe 3
Kontrollgruppe: 16 Patienten ohne zusätzliches Ergometer-Training und ohne normobare Hypoxiekammer durchlaufen das studienunabhängige, krankheitsspezifische Rehabilitationsprogramm ohne zusätzliche Trainingseinheiten. Bei diesen Patienten werden die unten aufgeführten Messungen zu den vorgegebenen Zeiten vorgenommen.

Ziele des Projekts

Folgende Fragen sollen mit Hilfe dieses Projekts beantwortet werden:

  1. Kann ein Bewegungstraining unter normobaren Hypoxie-Bedingungen ("Höhenkammer") die MS-assoziierte Fatigue beeinflussen (subjektive Selbsteinschätzung), und lassen sich diese Effekte objektivieren?
  2. Sind diese Effekte additiv zu denen eines Ergometer-Trainings unter normalen Bedingungen?
  3. Kommt es zu messbaren Erhöhungen des Erythropoetin-Spiegels in Abhängigkeit von der Zeitdauer des Höhenkammer-Trainings? [Erythropoetin ist ein körpereigenes Hormon, das durch Training in großer Höhe ansteigen kann und laut einer jüngst vorgestellten Studie Gehvermögen und Kognition bei MS-Patienten verbessern kann]
  4. Hat eine evtl. Erhöhung von Erythropoetin auch einen langfristigen Effekt auf den Verlauf der Erkrankung?

Quelle: PD Dr. Peter Flachenecker, Quellenhof

Redaktion: AMSEL e.V., 22.07.2008