Spenden und Helfen

Tag des Ehrenamts 2006

05.12.06 - Hertie-Stiftung und Stiftung MyHandicap zeichneten heute herausragendes Engagement im Bereich der multiplen Sklerose und der neurodegenerativen Erkrankungen aus.

Zwei Chöre und zwei Künstler erhalten den mit insgesamt 25.000 Euro dotierten Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe. Der "Innovationspreis für Menschen mit Behinderung" in Höhe von 10.000 Euro geht an eine Produkt-Designerin für eine neuartige Gehhilfe für Parkinsonkranke. Die diesjährigen Preisträger kommen aus Bremen, Magdeburg, Saarbrücken und Worms.

Schwerpunkt Kultur

Modellhafte Aktivitäten von Selbsthilfegruppen und besonders engagierte Helfer im Bereich der multiplen Sklerose und der neurodegenerativen Erkrankungen (z.B. Parkinson- oder Alzheimer-Erkrankung) stehen bei der heutigen Preisverleihung in der Alten Stadtbibliothek in Frankfurt am Main im Rampenlicht. Der Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe, der zum 15. Mal verliehen wird, hat dieses Jahr den Themenschwerpunkt "Kultur". Zwei Chöre und zwei Künstler teilen sich den mit insgesamt 25.000 Euro dotierten Preis. Der "Innovationspreis für Menschen mit Behinderungen" in Höhe von 10.000 Euro wird gemeinsam von der Stiftung MyHandicap.com und der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung verliehen, nun im zweiten Jahr. Ausgezeichnet werden technische Neuerungen mit Vorbild-Charakter, die Menschen mit multipler Sklerose oder neu-rodegenerativen Erkrankungen den Alltag besonders erleichtern. Preisträgerin dieses Jahr ist eine Produkt-Designerin, die im Rahmen ihrer Diplomarbeit einen Gehstock für Parkinsonerkrankte entwickelt hat, den "Pagilo". Die Preisverleihung findet heute am internationalen Tag des Ehrenamts in Frankfurt am Main statt.

Rund 120.000 Menschen leiden derzeit in Deutschland an multipler Sklerose. Damit zählt die MS zu den häufigsten Hirnerkrankungen, deren eigentliche Ursache immer noch unbekannt ist. Es existiert bislang kein Therapiekonzept, das die Erkrankung heilt oder zumindest einen Stillstand der Erkrankung garantiert. Neurodegenerative Krankheiten wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer stellen unsere Gesellschaft vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung vor große Herausforderungen. Mit ihrem seit 1992 verliehenen Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe möchte die Stiftung den Erkrankten Mut machen, vorbildliche Aktivitäten würdigen und Selbsthilfegruppen unterstützen.

Hertie-Preis für Selbsthilfe und Engagement

Den Hertie-Preis für Selbsthilfe und Engagement 2006 erhalten Phil Hubbe aus Magdeburg, Eva Jauch aus Worms und die Chöre "Musica Splendida" der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Saarland e.V. sowie "PAoL & Friends" der Internet-Selbsthilfegruppe PARKINSonLINE e.V.

Phil Hubbe ist leidenschaftlicher Karikaturist und zeichnet seit 1992 hauptberuflich für verschiedene Zeitungen. Im Jahre 1985 erkrankte er an multipler Sklerose. Seitdem hat er seine Erkrankung und auch andere körperliche Behinderungen zum Thema seiner Zeichnungen gemacht und so den Begriff der "Behinderten Comics" mit Leben erfüllt. Seine 2004 und 2006 erschienenen Bücher "Der Stuhl des Manitou" und "Der letzte Mohi-kaner" erfreuen sich großer Beliebtheit – vor allem bei den Betroffenen, die Herrn Hubbe durch ihre positiven Rückmeldungen in seiner Arbeit bestärken. Die engagierte Arbeit von Herrn Hubbe ermutigt und hilft MS-Betroffenen auf eine ganz besondere Art und Weise, denn auch durch das gemeinsame Lachen von Behinderten und Nichtbehinderten kann es gelingen, Vorurteile aus dem Weg zu räumen und eine integrative Lebensweise umzusetzen. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung ehrt das Engagement und die Arbeiten von Herrn Hubbe mit dem Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe, verbunden mit einem Preisgeld von 7.500 Euro.

Eva Jauch wurde schon im Jahr 1994 durch einen Zeitungsbericht auf die zu dieser Zeit 63-jährige Irmgard Müller aufmerksam, die im Alter von 26 Jahre die Diagnose multiple Sklerose erhielt. Elf Jahre später saß sie im Rollstuhl und war im Alter von 51 so sehr auf Hilfe angewiesen, dass sie seitdem im Pflegeheim leben musste – mit wachem Geist bewegungslos ans Bett gefesselt. Während der kommenden 20 Jahre entdeckte sie die Poesie für sich und hat insgesamt über 120 Gedichte verfasst, in denen sie mit einfachen Worten und Reimen auf sehr offene Art und Weise ihr Leben mit der Krankheit analysiert, ohne um Mitleid zu bitten. 2002 freundete sich Frau Jauch mit Frau Müller an und besuchte sie häufig. Fasziniert und bewegt von den Worten nahm sie mit Unterstützung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Rheinland-Pfalz viele Gedichte auf und unterlegte sie mit klassischer Musik. Mit der so entstandenen CD "Licht in der Nacht" bekam Frau Müller die Möglichkeit, ihre Werke anzuhören, wann immer sie wollte. Frau Jauch erhält den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe, verbunden mit einem Preisgeld von 7.500 Euro für die Aufnahme einer weiteren CD.

Chor "Musica Splendida" der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Saarland e.V.
Die musizierende DMSG-Selbsthilfegruppe "Musica Splendida" wurde 2001 gegründet. Derzeit besteht sie aus sechzehn Mitgliedern. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um MS-Erkrankte, sondern auch Angehörige, Therapeuten und der DMSG verbundene Personen singen regelmäßig mit. Mit der Chorleiterin Marie-Theresia Meier trifft sich die Gruppe alle 14 Tage. Neben dem geselligen Aspekt steht für die Gruppenmitglieder die Freude an der Musik im Vordergrund. Damit schaffen sie es, eine weitere Seite des nor-malen Lebens aufrechtzuerhalten. Die Hertie-Stiftung zeichnet das Projekt aus, weil es den Betroffenen Mut macht und Nichtbetroffene zu gemeinsamen Aktivitäten motiviert. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro soll dabei helfen, weitere musikalische Projekte umzusetzen.

Der Chor "PAoL & Friends" wurde im Sommer 2005 gegründet. Derzeit besteht er aus zehn Mitgliedern, die aus ganz Deutschland kommen. Trotz der großen Entfernungen schaffen es die engagierten Mitglieder, sich regelmäßig zu gemeinsamen Proben zu treffen. Dabei üben sie begeistert verschiedenste Stücke ein, die sie dann z.B. auf Parkinson-Informationsveranstaltungen unentgeltlich vortragen. Dadurch machen sie auf die Parkinson-Erkrankung im jüngeren Alter aufmerksam und sensibilisieren die Öffentlichkeit für diese Problematik. Zudem zeigen sie, dass auch aus einer Internetgruppe Freundschaften und Projekte entstehen können. Der Chor "PAoL & Friends" erhält den Hertie-Preis für En-gagement und Selbsthilfe verbunden mit einem Preisgeld von 5.000 Euro für weitere musikalische Projekte.

Innovationspreis

Die junge Produkt-Designerin Julia Zacher hat als Diplomarbeit einen speziellen Gehstock für Parkinson-Patienten entworfen, den "Pagilo". Dieser Gehstock soll durch die neuartige Form seines Griffstückes Handgelenk und Ellenbogen der Patienten entlasten und eine direkte und damit optimale Kraftableitung bieten. Durch seinen mittigen Schwerpunkt ist ein problemloses Anhängen des Stockes an Tischkante, Türgriff oder Waschbecken mög-lich. Neben der individuellen Höheneinstellung ist eine weitere auf Knopfdruck verwend-bare situative Höhenverstellung vorgesehen. Hierbei verlängert sich der Stock um 20 cm und ermöglicht ein sicheres Treppensteigen, Aussteigen aus dem Bus oder Rücken scho-nendes Aufstehen. Ein akustischer Taktgeber soll bei der Behebung der bei Parkinson typischen Bewegungsblockaden helfen. Mit der Taktgeber-Taste wird ein gleichmäßiges Taktgeräusch ausgelöst - ähnlich dem eines Metronoms. Der in der Bewegung festgefrorene Patient kann seine Bewegungsabläufe so reaktivieren und weiterlaufen. Ein integrierter Notruf-Knopf bietet zusätzliche Sicherheit: Auf Knopfdruck wird ein Signal an eine vorher programmierte Nummer von Partner, Arzt oder Pflegepersonal gesendet.

Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Redaktion: AMSEL e.V., 06.12.2006