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Pflege zu Hause (Teil 1)

17.09.08 - Die Krankheit Multiple Sklerose zeichnet sich aus, durch einen unvorhersehbaren und oft fortschreitenden Verlauf, der häufig mit zunehmender Behinderung und Pflegebedürftigkeit einhergeht. Mechthild Zeh berichtet darüber in Together 03/2008, dem jüngst erschienenen Nachrichtenmagazin der AMSEL.

Das komplexe Krankheitsbild beinhaltet eine Vielzahl von physischen (körperlichen) und psychischen Symptomen und motorischen Einschränkungen bei den Erkrankten, die zur teilweisen, bzw. kompletten Abhängigkeit von Hilfspersonen und Hilfestrukturen führen können. Die vielfältigen Krankheitssymptome, wie Spastik, Lähmungen, Koordinationsstörungen, Blasen- und Darmstörungen, usw., der in der Regel oft noch relativ jungen Erkrankten stellen hohe Anforderungen an die Fähigkeiten der Pflegenden. Weiterhin beeinträchtigen kognitive Störungen, abnorme Ermüdbarkeit, depressive Verstimmungen verbunden mit starken Tagesschwankungen der Symptomatik nicht nur die Betroffenen, sondern haben auch erhebliche Auswirkungen auf betreuende und pflegende Angehörige. Trotzdem ist es der größte Wunsch und das vorrangige Ziel aller MS-Erkrankten im eigenen häuslichen Umfeld, mit größtmöglicher Selbstständigkeit und Eigenverantwortung leben zu können und – wenn nötig – versorgt und gepflegt zu werden. So werden die meisten schwer erkrankten MS-Betroffenen – wie 2/3 aller Pflegebedürftigen in Deutschland – zu Hause von Ihren Angehörigen betreut und gepflegt, das heißt: von Ehepartnern, Eltern und Kindern.

Für pflegende Angehörige ist es deshalb unerlässlich, durch umfassende Kenntnis des Krankheitsbildes und der vielfältigen Symptomatik die notwendige Sicherheit und Gelassenheit in der Pflege und Betreuung der Erkrankten zu haben.

Die Kenntnis aller MS-pflegerischen und -therapeutischen Möglichkeiten und möglichen Pflegekonzepte im häuslichen Umfeld und die Sicherheit bei deren Anwendung bildet die Basis für eine partnerschaftliche Unterstützung der Erkrankten und eine gute Alltagsbewältigung.

Die Planung der Pflege im häuslichen Umfeld bindet den Pflegebedürftigen aktiv in die Planung und Umsetzung der Pflege mit ein. Angemessene Zeitplanung, der Einsatz pflegerischer und pflegetherapeutischer Konzepte und gute Strukturkenntnis des Unterstützungssystems ermöglichen ein optimales Ergebnis.

Die aktivierende Pflege

(aktivierend – lateinisch: aktiv machen) holt den pflegebedürftigen Erkrankten dort ab, wo er gerade steht und begleitet ihn auf seinem Weg zur Erhaltung größtmöglicher Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Die Pflege orientiert sich an den Erfordernissen und Bedürfnissen des Pflegebedürftigen und bindet ihn aktiv in die Pflegeprozesse und einzelne Pflegemaßnahmen ein. Sie fördert größtmögliche Selbständigkeit und soll dem Erkrankten das Gefühl des

„Begleitet werden“ und nicht der „Abhängigkeit“ vermitteln. So unterstützt aktivierende Pflege die Bewältigung des Alltages bei allen „Aktivitäten und Erfahrungen des täglichen Lebens“ (AEDL) und ist Bestandteil eines umfassenden und einheitlichen Pflegekonzeptes, in das sich idealer weise alle in den Pflegeprozess eingebundenen Personen (pflegende Angehörige, professionelle Pflege, Ärzte, Therapeuten) eingliedern. Ziele der aktivierenden Pflege müssen stets sein:

Hilfe zur Selbsthilfe

  • Sicherheit in der häuslichen Umgebung und des Umfeldes
  • Berücksichtigung aller pflegerelevanten MS-Symptome
  • Stabilität des seelischen Zustandes und des Selbstwertgefühles
  • Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität

Gelingt dies, können soziale Defizite (Isolation und Vereinsamung), psychische Defizite (nachlassende Selbstachtung und Depressionen) und körperliche Defizite (Steigerung des Pflegebedarfs) vermindert oder vermieden werden.

Die Grundlage aller pflegerischen Handlungen und eine wichtige Voraussetzung zum Wohlbefinden des Pflegebedürftigen ist ein gepflegter Körper. Deshalb ist die Beachtung nachfolgender Kriterien bei der Körperpflege von großer Bedeutung:

Alle pflegerischen Maßnahmen sollten vor Pflegebeginn mit dem zu Pflegenden abgesprochen werden und möglichst auf dessen Wünsche, Bedürfnisse und Gewohnheiten abgestimmt sein. Insbesondere der zur Verfügung stehende Zeitrahmen und die Pflegezeiten sind im „Pflegeteam“ (Betroffener und Pflegeperson) festzulegen.

  • Alle Pflegemaßnahmen, die der Betroffene selbständig ausführen kann, werden gefördert und nur die Ausführung wird unterstützt.
  • Waschutensilien, Pflegemittel und Kleidung werden in Absprache mit dem Pflegebedürftigen vor Beginn der Körperpflege bereitgelegt.
  • Spastik und Ataxie vermeidende Bewegungen werden unterstützt und Lähmungen berücksichtigt.
  • Das Waschtempo, der ausgeübte Druck mit dem Waschhandschuh und die Wassertemperatur müssen auf die Wünsche und Bedürfnisse des Pflegebedürftigen abgestimmt sein. Hier sind Sensibilitätsstörungen, gestörtes Temperaturempfinden, gestörtes Schmerzempfinden und gestörtes Lageempfinden zu berücksichtigen.
  • Für den Abtrocknungsvorgang sind die gleichen Kriterien von Bedeutung, insbesondere deshalb, da nicht richtig abgetrocknete Körperstellen vom Erkrankten, durch die beschriebenen Symptome oft nicht wahrgenommen werden und so unbemerkt zu Hautschäden führen können.
  • Hautpflegeprodukte werden in Absprache mit dem Erkrankten ausgewählt und sollen auf die Hautbeschaffenheit abgestimmt sein.

Pflegekonzepte und unterstützende Pflegemaßnahmen bei häufigen MS-Symptomen:

Spastik:

ist eine erhöhte Spannung der Muskulatur, die sich in leichten Fällen nur mit einer Reflexsteigerung äußert und in schweren Fällen bis hin zur Bewegungsunfähigkeit und Gelenkversteifung führen kann. Jede Muskelaktivität wird durch einen komplexen Vorgang zwischen Muskulatur, Rückenmark, Hirnstamm und Großhirn, sowie chemischen Botenstoffen zwischen Nerven und Muskeln, gesteuert. Bei Störungen in diesem dynamischen Prozess, z.B. durch MSPlaques, kann die Regulation der Muskelgrundspannung gestört sein und es kommt zur Überreaktion (einschießende Spastik).

Spastik kann durch innere und äußere Reize, wie Überforderung, Stress und Angst verstärkt werden. Ebenfalls spastikfördernd wirken sich Schmerzen, Infekte, Blasen- und Darmstörungen und falsche Lagerung aus. Für die Pflegenden ergibt sich daraus eine besondere Aufmerksamkeit, die sowohl die genannten spastikverstärkenden Symptome im Blick behält, als auch eine ausgeglichene, ruhige und entspannte Pflegesituation schaffen sollte. Komplikationen nicht ausreichend behandelter Spastik sind vor allem Schmerzen, Kontrakturen (Dauerverkürzung von Muskeln und Sehnen mit Fehlstellungen von Gelenken) und Dekubitus (Druckgeschwür).

Pflegekonzept:

Neben spastiklindernden Medikamenten und neurophysiologischer Krankengymnastik können verschiedene Pflegemaßnahmen im häuslichen Umfeld zur Spastikreduzierung beitragen:

  • Regelmäßiges, tägliches Bewegungstraining, z. B. mit Stehtrainer und Bewegungstrainer.
  • Spastikvermeidende Transfertechniken anwenden, so wirken z. B. spezielle Pflegekonzepte, wie Kinästhetik oder der Einsatz von Liftern vermehrter Spastik entgegen.
  • Beuge- und Streckmuster regelmäßig wechseln, z. B. bei Lagerung im Bett Beuge- und Streckmuster diagonal mischen (Bobath – Pflegekonzept)
  • Weitgehendes Vermeiden von Stress, Angst und Aufregung, insbesondere bei allen pflegerischen Handlungen (Pflegekonzept – Basale Stimulation).

Koordinationsstörungen:

Zu den Koordinierungsstörungen gehören insbesondere Störungen im Ablauf der Bewegung, wie Ataxie, Tremor und Gleichgewichtsstörungen. Die Ataxie ist eine Beeinträchtigung der Feinkoordination von Bewegungsabläufen und Tremor (Zittern) die Unsicherheit in einer gezielter Bewegung. Eine Tasse oder eine Gabel können nicht mehr sicher zum Mund geführt werden, das Schriftbild verschlechtert sich und das Gangbild wird unsicher und schwankend. Starke Koordinationsstörungen können zur völligen Abhängigkeit des Erkrankten von Pflegepersonen führen, da sie einfache Alltagsaktivitäten, wie Essen, Waschen oder Ankleiden unmöglich machen. Verstärkend auf Koordinationsstörungen

wirken sich innere und äußere Einflüsse, wie Anspannung und Aufregung, Erschöpfung, Fieber und Schmerzen aus. Da der Erkrankte mit seinen unkontrollierbaren, ausfahrenden Bewegungen ein auffälliges Verhalten zeigt, ist die psychische Belastung der Betroffenen sehr hoch. Koordinationsstörungen sind sehr präsent und stoßen oft auf großes Unverständnis der Umgebung, MSErkrankte werden bei starken Gleichgewichtsstörungen häufig sogar als betrunken angesehen. Soziale Isolation durch Abgrenzung des Umfelds kann die Folge sein.

Pflegekonzept:

Neben medikamentösen und ergotherapeutischen Maßnahmen können gezielte pflegerische Handlungen eingesetzt werden. Unverzichtbare Voraussetzung ist die gute Zusammenarbeit von allen, am Pflegeprozess beteiligten Personen (auch Therapeuten), um größtmögliche Selbständigkeit des Erkrankten zu erhalten. Ruhe und Gelassenheit sind bei allen pflegerischen Maßnahmen und täglichen Aktivitäten oberstes Gebot. Da Menschen mit Koordinationsstörungen zu ihrer Bewegungskontrolle ein hohes Maß an Konzentration benötigen, bedeutet es, dass sie immer nur eine Tätigkeit gezielt ausführen können. So können z.B. beim morgendlichen Ankleiden nicht die Frühstückswünsche besprochen werden, Gespräche finden immer nur im Blickfeld des Betroffenen statt.

Um mit diesem schwerwiegenden Symptom umgehen zu können, müssen bestimmte Grundsätze im Pflegealltag berücksichtigt werden. Gute Voraussetzungen werden geschaffen, wenn:

  • Der Erkrankte immer ausreichend Zeit und Ruhe bei allen Pflegemaßnahmen hat und sich nicht unter Druck gesetzt fühlt.
  • Bei allen Aktivitäten mit dem Erkrankten direkter Blickkontakt besteht.
  • Bewegungsabläufe in Ruhe ausgeführt werden können und nicht durch Pflegehandlungen oder äußere Einflüsse unterbrochen werden.
  • Ein großzügiges Raum- und Platzangebot zur Verfügung steht, da bei ausgeprägten Gangstörungen der Bewegungsradius sehr groß ist.
  • Hilfsmittel, wie Dickgriffbesteck/ Dickgriffstifte und rutschfeste Unterlage beim Essen und Schreiben die Feinkoordination unterstützen
  • Gehilfen (Gehstöcke und Rollatoren) rechtzeitig zur Verminderung der Sturzgefahr eingesetzt werden.

Fatigue:

Als Fatigue (französisch: Müdigkeit, Erschöpfung) bezeichnet man eine abnorme körperliche und/oder geistige Ermüdbarkeit, die das Leben und den Alltag der Erkrankten stark beeinträchtigen. Sie tritt individuell schwankend auf, ist schwer planbar und prägt den Tagesablauf der MS-Erkrankten und der Pflegenden.

Die Fatigue steht erst seit wenigen Jahren als anerkanntes MS-Symptom im Blickpunkt der Aufmerksamkeit, ist schwer nachvollziehbar und wird dadurch in der Pflege oft nicht ausreichend berücksichtigt. Da selbst alltägliche Pflegeverrichtungen einen MS-Erkrankten völlig erschöpfen können, muss sie bei der Tagesplanung berücksichtigt und die Pflegeplanung darauf abgestimmt werden. Pausen müssen gezielt oder auch nach individueller Anforderung eingeplant werden. Verstärkende Faktoren der Fatigue sind Stress, hohe Außentemperaturen, feuchtwarme Räume (Bad), gestörte Nachtruhe und Zeitdruck. Ebenso können sich Störungen im gewohnten Tagesablauf, fieberhafte Infekte und immunmodulatorische Medikamente negativ auswirken.

Pflegekonzept:

Da die medikamentöse Behandlung der Fatigue oftmals sehr schwierig ist, stehen die individuelle Planung der täglichen körperlichen und geistigen Aktivitäten im Vordergrund:

  • Die individuelle Tagesplanung aller, auch pflegerischer Verrichtungen und das Verständnis der Bezugspersonen.
  • Alle Pflegemaßnahmen müssen so gestaltet sein, dass sie nicht eine zusätzliche Beeinträchtigung zur Folge haben und weitere Tagesaktivitäten verhindern. Hilfsmittel, wie z. B. Pflegebett und Lifter können kräftesparend eingesetzt werden.
  • Kühle Bäder, Kühlwesten oder Kühlkompressen wirken bei Fatigue ebenfalls lindernd. Alle vom Erkrankten genutzten Räume sollten nicht zu stark beheizt sein und bei hohen Außentemperaturen möglichst klimatisiert werden.
  • Leichtes und regelmäßiges körperliches Training, wie Bewegungstrainer und Stehtrainer können sich positiv auswirken.

Blasenstörungen:

gehören zu den häufigsten und beeinträchtigendsten Symptomen der Multiplen Sklerose und etwa 90% der Erkrankten sind im Laufe der Erkrankung davon betroffen. Die Aufgaben der Blase sind die Speicherung des Urins und eine anschließende kontrollierte Entleerung. Hierfür sind verschiedene Muskeln der Blase zuständig, deren Zusammenspiel wiederum durch komplizierte Schaltungen innerhalb des Nervensystems gesteuert werden. Die Spannweite der Blasenstörungen reicht je nach neurologischer Ursache von der „spastischen“ Blase, bei der bereits kleine Urinmengen in der Blase zu sehr starkem (imperativen) Harndrang und Inkontinenz führen über die verzögerte Blasenentleerungsstörung, mit ebenfalls starkem Harndrang und Inkontinenz, bis hin zur „schlaffen“ Blase, mit unvollständiger Blasenentleerung und Restharnbildung. Hier besteht die Gefahr häufiger Blasenentzündungen. Die daraus resultierenden Beeinträchtigungen reichen von leichter Inkontinenz, über die Belastungsinkontinenz, bis hin zur absoluten Unfähigkeit die Blasenfunktion zu kontrollieren. Die Symptome können phasenweise oder kontinuierlich auftreten und den Alltag und die Pflegesituation stark beeinträchtigen.

Die Diagnostik und das Behandlungskonzept der vorliegende Störung sollte idealerweise von Neurologe und Urologe gemeinsam abgeklärt und entwickelt werden.

Eine kontinuierliche Aufzeichnung (über mehrere Wochen) der Ein- und Ausfuhrmengen mit Entleerungszeiten dient der gezielten Diagnosestellung und unterstützt die Erstellung eines Behandlungskonzeptes. Störungen der Blasenfunktion und die damit häufig verbundene Inkontinenz sind für Betroffene oft ein großes soziales und psychisches Problem, das nicht selten auch dem behandelnden Arzt verschwiegen wird.

Pflegekonzept:

Neben der medikamentösen Behandlung stehen dem Erkrankten verschiedene Behandlungskonzepte im häuslichen Umfeld und der Einsatz von ableitenden und aufsaugenden Kontinenz- Systemen zur Verfügung:

  • Ausreichende Trinkmenge: ca. 2–2,5 Liter Wasser, Tee oder Säfte sollten über den Tag verteilt getrunken werden. MS-Erkrankte trinken aber in der Regel aus Angst vor dem häufigen Harndrang und dem damit verbundenen, oft durch Behinderung erschwerten, Harndrang jedoch häufig viel weniger.
  • Trinkgewohnheiten ändern: um nächtlichem Harndrang vorzubeugen, kann die Trinkmenge am Tag erhöht und am Abend eingeschränkt werden.
  • Beckenbodentraining: diese Methode kann in der Physiotherapie erlernt werden und lässt sich dann in den pflegerischen Tagesablauf integrieren.
  • Klopftraining (Triggern): Hierbei werden die Blasenreflexe durch klopfen auf den Unterbauch aktiviert. Voraussetzung ist die vorherige urologische Diagnostik, da es bei einem spastischen Blasenmuskel nicht eingesetzt werden darf.
  • Strukturierung des Tagesablaufes mit zeitlich ausreichender Einplanung der Toilettengänge und regelmäßige, auch vorbeugende Blasenentleerung.
  • Intermittierender Katheterismus: stellt eine Besonderheit der Urin ableitenden Systeme dar, bei dem die Blase mehrmals täglich mit einem Einmalkatheter geleert wird. Diese Methode gewinnt zunehmend im häuslichen Umfeld an Bedeutung. Sie ist sowohl vom Erkrankten, als auch von der Pflegeperson erlernbar und kann so drohende oder bestehende Inkontinenz vermeiden.
  • Einsatz von aufsaugenden Hilfsmitteln: für Frauen und Männer stehen aufsaugende Einlagen in unterschiedlichen Größen und Aufnahmevolumen zur Verfügung, sowie auch komplette Windelhosen. Männer haben zusätzlich die Möglichkeit Tropfenfänger und Urinalkondome zu verwenden, die am Penis angebracht werden können.
  • Urin ableitende Systeme wie Dauerkatheter, sollten als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden, da sie eine invasive (in den Körper eingreifende) Maßnahme darstellen und zu vermehrten Blasenentzündungen und zur Schrumpfblase führen können.
  • Regelmäßige Intimhygiene ist bei zunehmender Inkontinenz und der Verwendung von aufsaugenden Einlagen unerlässlich. Die mehrmals tägliche Reinigung des Intimbereichs, das umsichtige Abtrocknen und gegebenenfalls das Verwenden von Hautschutzcreme ist für die Erhaltung einer intakten Haut unerlässlich.
  • Stehtraining: zur Vermeidung von Blasenentleerungsstörungen und damit häufig verbundenen Blasenentzündungen, ist das regelmäßige Stehen mit Stehtrainern von wesentlicher Bedeutung.
  • Ausstattung der Toilette mit allen wichtigen Hilfsmitteln wie Haltegriffe und Toilettensitzerhöhung.

Darmstörungen:

Sie sind ebenso wie Blasenstörungen ein häufig verschwiegenes und sehr beeinträchtigendes Symptom der MS. Störungen der Darmentleerung sind zum einen die Obstipation (Verstopfung), die durch falsche Ernährung, aber auch durch Blasenentzündungen oder Spastik verstärkt werden. Die seltenere Stuhlinkontinenz hat zusätzlich noch soziale Isolation durch Geruchsbelästigung und Verunsicherung der Betroffenen zur Folge. Wichtig für Betroffene ist die Besprechung der vorliegenden Symptomatik mit dem behandelnden Neurologen zum Ausschluss anderer Darmerkrankungen und zur Absprache des Behandlungskonzeptes.

Pflegekonzepte bei Obstipation:

  • Ausreichendes Trinken (ca. 2–2,5 Liter pro Tag)
  • ballaststoffreiche und ausgewogene Mischkost
  • Bewegung (z.B. mit Bewegungstrainer und Stehtrainer)
  • Anreicherung des Essens mit Milchzucker (Laktose) oder Einnahme von Laktulose
  • Anwendung von Klistieren oder Entleerungen mittels Irrigatoren

Pflegekonzepte bei Darminkontinenz:

  • Verwendung von Inkontinenzeinlagen oder Analtampons
  • Vermeidung von darmanregenden und blähenden Speisen
  • Gezielte regelmäßige Entleerung des Darms mittels Irrigator

Schmerzen:

sind wie die Fatigue ein sehr häufiges, aber erst seit kurzer Zeit beachtetes und anerkanntes MS-Symptom. Obwohl ca. 90% der Erkrankten im Laufe Ihrer Erkrankung davon betroffen sind, werden Schmerzen auch heute noch von Ärzten und Therapeuten oft nicht ausreichend beachtet oder auch von Betroffenen verschwiegen. Sie können unterschiedlichste Ursachen haben und sowohl primär MS-bedingt sein, z.B. durch Sehnerventzündung, Trigeminusneuralgie oder schmerzhafte Sensibilitätsstörungen, als auch durch medikamentöse Therapien, z.B. Beta-Interferone und Glatiramerazetiat und ebenso durch schlecht angepasste Hilfsmittel entstehen. Bei den Hilfsmitteln sind vor allem Rollstühle, Gehwagen/Stöcke und Schienen zu nennen. Weiterhin können Schmerzen durch MS-Symptome bedingt sein, wie z.B. Spastik, Blasenentzündungen und Verstopfung oder durch Pflegefehler (z.B. Druckgeschwüre oder Kontrakturen) entstehen und spielen somit auch im Pflegealltag eine erhebliche Rolle.

Pflegekonzepte:

Voraussetzung für gezielte Pflegemaßnahmen ist die ärztliche und therapeutische Abklärung der Ursachen und eine mögliche medikamentöse, bzw. therapeutische Behandlung. Im Pflegealltag können alle hier beschriebenen Pflege und pflegetherapeutischen Konzepte Anwendung finden. Je nach Ursache der Schmerzen können unterschiedliche Maßnahmen notwendig sein:

  • Bei symptomatischen Schmerzen: Stehtraining, Bewegungstraining, Dekubitusprophylaxe, Ergotherapeutische Maßnahmen und gezielte und regelmäßige Lagerungen und Lageveränderungen.
  • Schmerzen durch prophylaktische Medikamente: hier sind die Spritztechnik, der Einsatz von Begleitmedikamenten (Fieber- und schmerzlindernde Medikamente) und der Verabreichungszeitpunkt zu überprüfen und zu verbessern
  • Schmerzen durch schlecht angepasste Hilfsmittel: Pflegepersonen können gemeinsam mit dem Erkrankten eine gute, bedarfsgerechte Anpassung aller notwendigen Hilfsmittel erwirken und deren optimalen Einsatz mitgestalten.

Autorin: Mechthild Zeh, MS-Krankenschwester und Pflegedienstleitung, AMSEL e.V.

Literatur:

"Mehr Lebensqualität – Symtomatische Therapie bei MS"
"Fatigue Energie Manager"
"Pflegekonzepte und Informationen für MS-Erkrankte, Angehörige und Laienhelfer"
"Störungen des autonomen Systems bei Multipler Sklerose"

 
 
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Lesen Sie den zweiten Teil von "Pflege zu Hause" in Together – Ausgabe 04/2008.
Alles erhältlich über www.amsel-shop.de oder unter Tel.: 0711 / 69786-0.
 

Redaktion: AMSEL e.V., 17.09.2008