Mobbing und MS

24.08.07 - Christina Hünlein, Rechtsanwältin

und Fachanwältin für Arbeitsrecht, berichtet darüber in Together-Ausgabe 03/07.

Die MS-Erkrankung an sich kann bereits zu Vorurteilen der Kollegen und Vorgesetzten führen und damit Konflikte am Arbeitsplatz schüren. Fehlzeiten aufgrund von Krankheitsschüben können beispielsweise zu einer Mehrbelastung der anderen Mitarbeiter führen, wenn diese die Arbeit des erkrankten Kollegen mit erledigen müssen.

Hinzu kommt, dass für den MS-Erkrankten einige Sonderregeln gelten, wenn er zugleich schwerbehindert ist oder seine Gleichstellung erreicht hat. Diese Regelungen sollen dem Schutz und der Integration des Schwerbehinderten in das Arbeitsleben dienen. Zu nennen sind hier vor allem:

  • Die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes nach § 81 III, IV SGB IX
  • Die Möglichkeit, sich von Mehrarbeit freistellen zu lassen (§ 124 SGB IX)
  • Eine bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Fortbildungsmaßnahmen ( § 81 IV SGB IX)
  • Zusatzurlaub, § 125 SGB IX (nicht für Gleichgestellte)
  • Die erleichterte Möglichkeit der Teilzeitarbeit (§ 81 V SGB IX) und natürlich auch der besondere Kündigungsschutz.

Es ist nicht auszuschließen, dass diese Sonderregeln, die lediglich die Nachteile der Schwerbehinderung auszugleichen versuchen, von Kollegen falsch verstanden werden und zu Missgunst führen. Führen solche Konflikte zu Beleidigungen, Anfeindungen oder Schikanen durch den Arbeitgeber, die Kollegen oder Vorgesetzten, kann darin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arbeitnehmers liegen. Er kann sich dann zunächst gegen Verursacher dieser Verletzungen wenden und Unterlassung und gegebenenfalls Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Interessant ist für ihn aber vor allem auch, ob der Arbeitgeber ihn vor künftigen Anfeindungen der Kollegen schützen muss.

Schutzpflicht des Arbeitgebers

Dies ist prinzipiell der Fall. Der Arbeitgeber hat eine entsprechende Schutzpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Ob und wie der Arbeitgeber jedoch handeln muss, hängt von der Schwere der Anfeindungen ab. Nicht jede Beleidigung gilt schon als Mobbing. Von Mobbing spricht man bei fortgesetzten aufeinander aufbauenden und ineinander greifenden Anfeindungen, Schikanen oder Diskriminierungen, die in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Arbeitnehmers verletzen.

Eine recht ähnliche Definition findet sich nunmehr auch im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Dieses spricht in solchen Fällen fortgesetzter Anfeindungen von einer Belästigung (§ 3 III AGG).

Eine Belästigung liegt vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Abs. 3 AGG). Dies kann durch Vorgesetzte, Kollegen oder sonstige Dritte (z.B. Kunden) erfolgen. Die Belästigung muss geeignet sein, eine Würdeverletzung zu verursachen. Daher scheiden geringfügige und einmalige Eingriffe aus. Für das Vorliegen einer Belästigung ist die Sicht eines objektiven Beobachters entscheidend, um subjektive Überempfindlichkeit auszuschließen. Voraussetzung für die Anwendung des AGG ist, dass ein Zusammenhang zur Behinderung besteht. Anderenfalls gelten nur die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zum Mobbing.

Rechte des betroffenen Arbeitnehmers:
Rechte des Betroffenen im Falle des allgemeinen "Mobbings"

Es besteht ein Anspruch gegen den Arbeitgeber, den Betroffenen vor künftigen Anfeindungen der Kollegen zu schützen. Er kann verlangen, dass der Arbeitgeber die geeigneten Gestaltungsmittel gegen den störenden Mitarbeiter einsetzt, angefangen von Er- und Abmahnungen, über Umsetzungen bis hin zur Kündigung. Unterlässt der Arbeitgeber diese Maßnahmen, macht er sich schadensersatzpflichtig. Er muss dann beispielsweise Gehaltseinbußen wegen Arbeitsunfähigkeit ausgleichen, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch das Mobbing krank geworden ist oder wenn er sich genötigt fühlt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen (§ 628 II BGB). Außerdem kann ein Schmerzensgeldanspruch bestehen.

Rechte des Betroffenen im Falle der Belästigung nach § 3 III AGG:

Im AGG finden sich nun weitestgehend dieselben Rechtsfolgen festgeschrieben. Nach § 12 AGG ist der Arbeitgeber schon zur Prävention verpflichtet. Er soll seine Mitarbeiter durch Schulungen etc. mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vertraut machen. Verstöße hat der Arbeitgeber gemäß § 12 III AGG zu ahnden (Ermahnung, Abmahnung etc. bis zur Kündigung). Das AGG gibt dem Betroffenen das Recht, sich bei der zuständigen Stelle des Unternehmers zu beschweren, die den Fall prüfen muss (§ 13 AGG).

Unter Umständen kann der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 AGG haben, wenn der Arbeitgeber die nötigen Maßnahmen zu seinem Schutz nicht ergreift. Bei Unterlassen der nötigen Maßnahmen durch den Arbeitgeber kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 15 AGG in Betracht.

Christina Hünlein, Rechtsanwältin
und Fachanwältin für Arbeitsrecht

Gerlach, Hünlein & Partner
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Redaktion: AMSEL e.V., 24.08.2007