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Kostenübernahme für eine Behandlung mit Immunglobulinen

Rechtsanwalt Andreas Czech, Stuttgart, sieht positive Tendenzen in der Rechtssprechung.

Die Frage der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen für die Behandlung mit Immunglobulinen bei Multipler Sklerose ist immer noch nicht einheitlich und abschließend beantwortet. Allerdings sind für MS-Patienten mit schubförmigem Verlauf positive Tendenzen erkennbar.

Nach § 27 Absatz 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 iVm. § 31 Absatz 1 Satz, Alt. 1 SGB V haben Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit verordnungsfähigen Arzneimitteln. Immunglobuline sind zugelassene Arzneimittel, welche grundsätzlich in der kassenärztlichen Versorgung eingesetzt werden dürfen. Allerdings sind Immunglobuline speziell für die Multiple Sklerose-Behandlung bislang noch nicht zugelassen. Es handelt sich um ein so genanntes Off-Label-Use, bei dem das Bundessozialgericht mehrere Voraussetzungen vorgegeben hat, unter denen ein nicht zugelassenes Medikament ausnahmsweise von den gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine Verordnung dann in Betracht, wenn es sich erstens um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung handelt, wenn zweitens keine andere Therapie verfügbar ist und wenn drittens aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

Während die ersten beiden Voraussetzungen in der Regel von den Krankenkassen bei MS nicht weiter vertieft bzw. beanstandet werden, bestreiten die Krankenkassen bis heute nachdrücklich das Vorliegen des dritten Kriteriums, nämlich das Vorliegen ausreichender medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse, die auf einen Behandlungserfolg mit entsprechenden Präparaten schließen lassen.

Nach Einschätzung des Verfassers dieses Beitrags und der jüngsten Tendenzen der Sozialgerichte, die in mehreren aktuellen Entscheidungen zugunsten MS-Betroffener entschieden haben, ist die Auffassung der gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich des dritten Kriteriums unrichtig.
Damit letztere Voraussetzung bejaht werden kann, müssen Forschungsergebnissevorliegen, die erwarten lassen, dass das Medikament für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.

Letzteres bestätigt aber insbesondere eine aktuelle Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts, dem Bundesamt für Sera und Impfstoffe. Darin wird dargelegt, dass die Anwendung von Immunglobulinen von Leitlinien zur Therapie der Multiplen Sklerose empfohlen wird, wie zum Beispiel durch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) oder durch die Veröffentlichung der MS-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG). Auf Grund neuer Studiendaten zog das Paul-Ehrlich-Institut jetzt den Schluss, dass noch stärker als bisher Hinweise auf eine Wirksamkeit der Immunglobuline bei der schubförmigen Multiplen Sklerose abgeleitet werden können.

Die nunmehr vorliegende Datenlage ist aus Sicht des Verfassers deutlicher als bislang so zu bewerten, dass die begründete Aussicht besteht, dass mit Immunglobulinen bei schubförmiger MS ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. MS-Betroffene mit schubförmigem Verlauf, die mit keiner der zugelassenen Basistherapien mehr behandelt werden können, haben damit gute Chancen zur Übernahme der Behandlungskosten für eine Immunglobulin-Therapie durch die Krankenkasse.

Rechtsanwalt Andreas Czech

Redaktion: AMSEL e.V., 24.02.2006