Für zahlreiche Krankheitsbilder werden seit vielen Jahren Generika und Biosimilars verordnet. Für die Behandlung der Multiplen Sklerose gibt es bisher wenige Nachahmerpräparate. Was Generika und Biosimilars sind, wie sie sich von Originalpräparaten und untereinander unterscheiden und was ihre Zulassung für die Behandlung der MS bedeutet, veranschaulicht laienverständlich in Text, Grafik und Film die neue Wissensseite der AMSEL
Sowohl Generika als auch Biosimilars sind Nachahmerpräparate ehemals patentgeschützter Arzneimittel. Ihre Entwicklung und Herstellung aber sind wie die der Originalpräparate von Grund auf verschieden. In der Behandlung von Symptomen der MS, etwa von Spastik oder Depressionen, sind Nachahmerprodukte bereits Alltag. Relativ neu hingegen ist ihr Einsatz in der Behandlung der MS selbst.
Der Grund dafür ist einfach: Die meisten MS-Medikamente unterliegen noch dem Patentschutz, der für Originalpräparate rund 20 Jahre lang gilt. Weil allerdings häufig zwischen Patenteinreichung und der Marktzulassung durch die Arzneimittelbehörde viele Jahre vergehen können, verlieren Originalpräparate bereits nach ungefähr 10 Jahren auf dem Markt den Patentschutz. Die Zulassung für erste Generika der Wirkstoffe Dimethylfumarat und Fingolimod wird erwartet, ein erstes Biosimilar wurde 2023 für Natalizumab zugelassen.
Herstellung von Biosimilars und Generika
Medikamente zur Behandlung der MS werden entweder chemisch-synthetisch oder biotechnologisch hergestellt. Ihre Nachahmerprodukte unterscheiden sich ebenfalls in der Herstellung und werden je nach Herstellungsverfahren Generika oder Biosimilars genannt.
Was bedeutet Generikum?
Generika sind nahezu identische Kopien chemisch oder synthetisch hergestellter Originalpräparate. Gleich sein müssen Wirkstoff, Wirkstoffmenge und die Darreichungsform. Wenn also das Originalpräparat eine Injektionslösung ist, muss auch das Generikum eine Injektionslösung sein. Ist das Original eine Tablette, gilt das auch für das Generikum. Diese darf jedoch zum Beispiel eckig und grün anstatt rund und weiß sein.
Wichtigste Voraussetzung für die Zulassung von Generika ist, dass das Nachahmerpräparat gleichwertig bzw. „bioäquivalent“ zum Original ist. Das bedeutet, dass das Generikum genauso schnell und in gleicher Menge ins Blut gelangt und dort genauso lange verbleibt wie das Originalpräparat. Diese zentrale Voraussetzung muss der Generika-Hersteller durch Studien nachweisen. Damit wird garantiert, dass das Generikum genauso wirksam und verträglich ist wie das Original. Unterschiedlich dürfen dagegen die Hilfsstoffe sein. Generika müssen strenge Qualitätsstandards erfüllen und Zulassungsverfahren durchlaufen. Aufwändige klinische Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit sind meist nicht erforderlich.
Was bedeutet Biosimilar?
Biosimilars werden biotechnologisch, also in lebenden Zellen, zum Beispiel Bakterien, hergestellt. Im Gegensatz zu Generika ist deshalb gar keine vollständig identische Kopie des Originalpräparats, eines Biologikums oder, neudeutsch, "Biologicals", möglich. Es kann also gar kein Generikum von einem Biologikum hergestellt werden, sondern nur ein Biosimilar.
Biosimilars und Originalpräparate können, der Name deutet es an, nur möglichst ähnlich (similar) sein. Natürliche kleine Schwankungen sind auch zwischen den Chargen des Originalpräparates eines Biologikums normal und erlaubt – solange sie keinen Einfluss auf die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit haben.
Dem Original gleichen müssen die Verabreichungsform und die Wirkstärke. Biosimilars unterliegen aufwändigen Zulassungsverfahren. Neben dem Qualitätsnachweis müssen klinische Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit durchgeführt werden. Nur wenn das Biosimilar im direkten Vergleich zum Originalpräparat gleichwertig ist, darf es zugelassen werden. Die Einsparungsmöglichkeiten für das Gesundheitssystem sind deshalb bei Biosimilars gegenüber Generika prozentual betrachtet nicht so hoch.
Komplizierte Sachverhalte einfach erklärt
Die AMSEL-Wissensseite bietet nicht nur informative Texte. Erklärfilme machen zudem verständlich, was Generika und was Biosimilars sind und zusätzliche Grafiken zeigen auf einen Blick Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Generika und Biosimilars sowie, was identisch, ähnlich und unterschiedlich sein kann zwischen den Nachahmer- und den Originalpräparaten.
Exkurse auf der Wissensseite „Generika und Biosimilars“ bieten zudem weiterführende verständliche Informationen zu Antikörpern, Phasen der Medikamentenentwicklung und Biologika. Wissen, das im Zusammenhang mit Generika und Biosimilars, aber auch grundsätzlich bei der Behandlung der MS hilft, Informationen einzuordnen und für sich passende Entscheidungen zu treffen.
Wichtig zu wissen
Apotheker sind angehalten, verordnete Medikamente gegen ein verfügbares Generikum auszutauschen. So ist es bereits bei anderen Krankheitsbildern seit langem üblich. Wenn kein Generikum verordnet werden kann, weil der Patient z.B. auf bestimmte Hilfsstoffe des Arzneimittels allergisch reagiert, muss der Arzt dies auf dem Rezept vermerken. Biosimilars hingegen dürfen derzeit in den Apotheken nicht automatisch ausgetauscht werden. Über den Wechsel auf ein Biosimilar entscheidet in Deutschland nur der behandelnde Arzt.
Videovortrag von Prof. Peter Flachenecker
In diesem Videomitschnitt des AMSEL-Webseminars "Biosimilars und Generika" erklärt Prof. Peter Flachenecker, Chefarzt des Rehazentrums Quellenhof in Bad Wildbad und Arzt im Vorstand der AMSEL, ausführlich die Unterschiede zwischen Originalwirkstoff und Generikum bzw. Biosimilar und was das für Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose bedeutet. Dauer: knapp 40 Minuten.
Die Themenseite „Generika und Biosimilars“ wurde gemeinsam von AMSEL und DMSG-Bundesverband entwickelt. Ein Dank gilt der Techniker Krankenkasse für ihre Unterstützung bei der Realisierung dieser Seite. Wissenschaftlich begleitet wird „Generika und Biosimilars“ von Prof. Dr. med. Peter Flachenecker, Chefarzt des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof und Vorstandmitglied der AMSEL e.V. und im Ärztlichen Beirat der DMSG, Bundesverband e.V.
Redaktion: AMSEL e.V., 26.01.2024