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Der Sozialgerichtsprozess - Teil 1

05.03.08 - In seiner Kolumne in Together-Ausgabe 01/2008 erklärt Rechtsanwalt Andreas Czech, Stuttgart, die Besonderheiten des Sozialgerichtsprozesses. Teil 1 dieser Rechtserie widmet sich dem Bereich "Zuständigkeit und Vorverfahren".

Dieser Beitrag hat die Zielsetzung die Besonderheiten des Sozialgerichtsprozesses darzustellen. Entsprechend dieser Zielsetzung werden die Besonderheiten dargestellt, die den Rechtssuchenden und Bevollmächtigten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten.

Zulässigkeit des Sozialgerichtswegs

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist überwiegend nur in öffentlichen-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, da die Sozialgerichtsbarkeit eine besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit ist. Im Einzelnen werden hiervon insbesondere nachfolgende Bereiche umfasst:

• Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung
• Gesetzliche Krankenversicherung, soziale und private Pflegeversicherung
• Gesetzliche Unfallversicherung
• Angelegenheiten der Arbeitsförderung
• Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende
• Sonstige Angelegenheiten der Sozialversicherung
• Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts
• Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes
• Schwerbehindertenrecht
• Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach dem Lohnfortzahlungsgesetz
• Streitigkeiten bezüglich der Aufgaben der Hauptzollämter

Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit bezieht sich darauf, welches Gericht innerhalb des Rechtswegs in erster Instanz zu entscheiden hat. Das Sozialgericht entscheidet dabei im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offen steht. Gemäß § 29 SGG entscheidet das Landessozialgericht im zweiten Rechtszug über Berufungen gegen Urteile und Gerichtsentscheide sowie über Beschwerden gegen andere Entscheidungen des Sozialgerichts. Gemäß § 39 Abs. 1 SGG entscheidet das Bundessozialgericht im dritten Rechtszug über Revisionen sowie nach § 160 a SGG über Nichtzulassungsbeschwerden gegen Urteile des Landessozialgerichts.

Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt, welches von mehreren sachlich zuständigen Gerichten aufgrund seines Sitzes zu entscheiden hat.

Verwaltungsakt

In der weit überwiegenden Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren geht es um die Anfechtung belastender Verwaltungsakte, mit denen Behörden die Gewährung von Sozialleistungen abgelehnt oder zuvor gewährte wieder entzogen haben. Gemäß § 36 SGB X ist der schriftliche oder schriftlich bestätigte Verwaltungsakt mit einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Die Frist für ein Rechtsmittel beträgt dabei regelmäßig einen Monat. Nur ausnahmsweise, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres möglich.

Widerspruch

Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nachzuprüfen. Gleiches gilt auch für die Verpflichtungsklage, wenn der Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist. Sinn des Vorverfahrens ist es, die Gerichte durch seine Filterfunktion zu entlasten. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG ist das Vorverfahren in ganz besonderen Fällen ausnahmsweise nicht erforderlich.

Form, Frist

Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Begründung und Antragstellung sind nicht vorgeschrieben, eine Begründung des Widerspruchs sollte jedoch erfolgen, weil die Behörde den Widerspruch sonst u.U. pauschal mit der bisherigen Begründung des angefochtenen Bescheids zurückweist. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. War dem Verwaltungsakt keine oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, läuft die Jahresfrist.

Verfahren und Widerspruchsbescheid

Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch für begründet, muss sie diesem abhelfen. Hilft sie nicht oder nur teilweise ab, muss sie den Widerspruch der Widerspruchsstelle vorlegen. Mit Erlass des Widerspruchsbescheids ist das Widerspruchsverfahren abgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, die über die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Gerichts belehrt. Das Widerspruchsverfahren ist für den Bürger kostenfrei. Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat die Behörde dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Rechtsanwalt Andreas Czech

 
 
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Redaktion: AMSEL e.V., 05.03.2008