Spenden und Helfen

Der Nachmittag auf der Mitglieder-Versammlung 2009

26.06.09 - Im Patientendialog berichteten Dr. Michael Lang und PD Dr. Oliver Neuhaus über Therapien der MS. Vier Neurologen stellten sich anschließend den Fragen der AMSEL-Mitglieder.

Nach den Wahlen und einem Jahresrückblick in Zahlen am Vormittag eröffneten zwei Vorträge den Nachmittag der AMSEL-Mitgliederversammlung 2009:

1. "Das therapeutische Fenster steht nur am Anfang offen"

Dr. Michael Lang aus Ulm erläuterte in der Filderhalle, wie m Verlauf einer Multiplen Sklerose die Entzündungsschübe zunehmen und symptomatisch werden: Es kann zu sehbaren Störungen führen wie Lähmungen, Doppelbildern oder Gleichgewichtsstörungen. Auch wenn zu Beginn in Maßen noch eine Regeneration möglich sei, so nähmen die Zerstörungen dennoch zu. Gehirngewebe wird nach und nach abgebaut, und kann zu Schwierigkeiten im Bereich Konzentration, Denken, Gedächtnis und auch in der Motorik führen, die Läsionslast wird größer.

Die entzündliche Aktivität im Gehirn ist von Betroffenen nicht wirklich spürbar, sondern erst, wenn diese die klinische Schwelle überschritten habe und sich beispielsweise in Form einer Lähmung zeigt. Doch "Was weg ist, ist weg", schärfte Dr. Lang ein. Die einzige Möglichkeit dieser Behinderungsprogression entgegenzuwirken, sei früh und konsequent zu behandeln, denn dadurch sei die Wahrscheinlichkeit eine sichere MS zu entwickeln nach einem ersten klinischen Symptom umso geringer. "Das therapeutische Fenster steht nur am Anfang offen".

2. "Eskalation ist keine Einbahnstraße"

Keine Schübe, keine Progression, keine Nebenwirkungen der Therapie und eine schmerzfreie Applikation, das seien die Wünsche an eine MS-Therapie, solange es die ideale Therapie, eine Heilung, nicht gebe, so PD Dr.med. Oliver Neuhaus in seinem Kurzvortrag zu "Nutzen und Risiken moderner Immuntherapien". Alle derzeitigen Therapieoptionen richteten sich allein gegen die Entzündungsaktivität, nicht gegen die Neurogeneration. Und alle Therapieoptionen hätten Nebenwirkungen. Bei den Interferonen, einem Mittel der MS-Basistherapie, z. B. grippeähnliche Symptome, Leberwertveränderungen, Depression, bei Mitoxantron, einem Mittel der MS-Eskalationstherapie, z.B. Kardiotoxizität, akute Leukämie und Amenorrhoe. Basistheapie und Eskalationstherapie, so der Chefarzt des Städtischen Klinikums in Sigmaringen, seien keine Einbahnstraßen, nach der Eskalation könne auch wieder mit einer Basistherapie begonnen werden.

In der Zukunft der MS-Therapie, so der Ärztliche Beirat der AMSEL, seien Kombinationstherapien, die Therapie mit monoklonalen Antikörpern, orale Immunsuppressiva, orale Sphingosin 1 Phosphar Rezeptor-Modulator, eventuell Statine und neuroprotektive oder neurorestaurative Ansätze denkbar. Aber auch hier kämen zur Wirkung zum Teil erhebliche Nebenwirkungen wie z.B. Tumore, schwerwiegende Herpes-Infektionen, die Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML).

Im Anschluss an die Vorträge hatten Patienten und Angehörige eine knappe Stunde Zeit für Fragen an vier Neurologen.

"Wo fängt Fatigue klinisch an?"

lautete eine der Fragen in der Gesprächsrunde mit Prof. Dr. Wiethölter in Studio I. Hier die Antwort des Ärztlichen Direktors der Neurologischen Klinik am Bürgerhospital:

Fatigue hat keine wirkliche klinische Relevanz, auch wenn es Skalen gibt, die diese einstufen können. Fatigue, als MS-typische Erschöpfbarkeit zu beschreiben, ist bei rund 70 % der Patienten bereits vor Diagnosestellung ein wichtiges Symptom. Derzeit gibt es keine optimalen Therapien, dennoch ist das sogenannte Fatiguemanagement sehr wichtig, um den Umgang mit Fatigue zu lernen, die eigenen Grenzen besser abschätzen zu können oder Begleitsituationen analysieren zu können.

Man sollte allerdings nicht Gefahr laufen, dieses mit dem Uthoff-Syndrom zu verwechseln, welches oft ähnliche Symptome aufweist. Fatigue tritt auch häufig als Begleiterscheinung bei einer depressiven Symptomatik oder als Wechselwirkung mit einem Medikament auf. Bei Medikamenten kann auf PK-Merz zurückgegriffen werden (welches nur nach Operationen zugelassen ist), bei dem etwa 30% der Patienten profitieren können, ähnliche positive Wirkungen zeigt etwa Vigil.

"Ist MS vererbbar?"

war eine der Fragen im Gespräch mit PD Dr. Peter Flachenecker
in Studio III. Es fragte ein junger Mann, bei dem er selbst, sein Vater und der Großvater MS haben.

Jein! antwortete der Chefarzt des Rehazentrums Quellenhof hierauf. Die Anlagen und die Empfänglichkeit für MS seien vererbbar. Die Krankheit als solche jedoch nicht. So zumindest der heutige Stand. Das Risiko, eine "familiäre MS" zu bekommen (also dass noch jemand in der Kernfamilie Großvater-Sohn-Enkel besipielsweise, MS bekommt, wenn schon jemand anders in der Familie MS hat) liege bei 10-15%. Als gesunder Mensch liegt das Risiko bei 1:1000, von Eltern, bei denen einer von MS betroffen ist, zum Kind bei 3-5%.

Redaktion: AMSEL e.V., 26.06.2009