Ich wollte die Placebo-Daten noch nachreichen, die geben allerdings in Bezug auf die von mir angeschauten Aufsätze nicht so viel her. So fällt die Comi-Studie von vornherein raus, da sie nur 9 Monate lief. Die Pivotal-Daten sind auch nicht vorhanden. Bei den restlichen Aufsätzen sind nur die jährliche Schubrate und der EDSS-Anstieg vergleichbar, weil für die anderen Indikatoren keine Werte angegeben sind (jedenfalls nicht in den von mir zu Rate gezogenen Aufsätzen). Der IFNB-Aufsatz gibt zudem nur 3-Jahres-Daten für den EDSS-Anstieg an und bei der PRISMS-Studie musste ich mir damit behelfen, aus einer Grafik einen ungefähren Wert abzulesen, weil keiner angegeben war.
Abgesehen davon, dass damit das Datenmaterial ziemlich zusammengeschrumpft ist, stört mich vor allem, dass ich keine Vergleichsdaten zu den Läsionen habe, schließlich liegen bei denen die bedeutsamsten Effekte in der AFFIRM-Studie vor. Mit einigem Aufwand wäre es sicherlich möglich und interessant, die Frage nochmal genauer und unter Einbeziehung mehrerer weiterer Studien und Aufsätze zu untersuchen. Dafür habe ich aber gerade nicht die Zeit.
Placebo-Werte nach 2 Jahren
- Durchschnittliche jährliche Schubrate
AFFIRM: 0,73
Johnson: 0,84
PRISMS: 1,28
INFNB: 1,27
Was fällt auf?
Der Wert der AFFIRM-Studie ist deutlich geringer als die anderen, wobei auch der Wert aus der Cop-Studie deutlich von den Interferon-Studien-Werten abweicht. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Unterschiede etwas mit einer unterschiedlichen Bewertung zu tun hat, ab wann es sich um einen Schub handelt oder nicht.
Ansonsten aber ist das sicherlich ein Indiz für eine eher “gesunde” Probandengruppe in der AFFIRM-Studie.
- Durchschnittlicher EDSS-Anstieg um einen Punkt oder mehr für mindestens drei Monate
Prozente beziehen sich auf die gesamte Gruppe der Placeboprobanden
AFFIRM: 29 %
Johnson: 28,8 %
PRISMS: ca. 35 % (kein angegebener Wert, nur aus einer Grafik ablesbar)
INFNB (nach 3 Jahren): 39 %
Was fällt auf?
Aus diesen Zahlen würde ich nichts ableiten. Der Wert in der PRISMS-Studie scheint ziemlich hoch zu sein, geht man aber davon aus, dass der Wert nach 2 Jahren in der INFNB-Studie ungefähr bei zwei Dritteln des 3-Jahres-Wertes gelegen hat, dann liegt die AFFIRM-Studie ganz gut in der Mitte dieser Daten.
Ich ziehe aus diesen Überlegungen für mich zwei Konsequenzen:
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Die Frage, ob die AFFIRM-Studie nicht eine recht “gesunde” Probandengruppe studiert hat, bleibt weiterhin interessant. Allerdings müsste man umfangreichere Betrachtungen anstellen, um sich ein genaueres Bild davon zu machen, ob sie wirklich signifikant “gesünder” waren als in anderen vergleichbaren Studien - und ob sich das irgendwie quantifizieren lässt, so dass man die AFFIRM-Daten dann vielleicht doch vergleichbar machen könnte. Dafür müsste ich aber wohl erstmal einen Statistikkurs für Fortgeschrittene besuchen. 
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Die EDSS-Werte zu Beginn der Studie und die jährliche Schubrate der Placeboprobanden nach 2 Jahren sind Indizien dafür, dass die AFFIRM-Probanden tatsächlich “gesünder” gewesen sein könnten als die der anderen Studien. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das einen gewaltigen Einfluss auf die wichtigsten Ergebnisse der Studie hat. Schließlich ist es ja so, dass ein Effekt eines Medikaments um so besser nachzuweisen ist, je “kranker” die Probanden sind: Wenn niemand einen Schub hat, dann kann das Medi auch keinen Schub verhindern. Man könnte also auch durchaus umgekehrt argumentieren und sagen, dass die Effekte der AFFIRM-Studie noch überzeugender sind als sowieso schon, wenn die Probanden tatsächlich “gesünder” waren. Wirklich fälschbar auf dem Weg, “gesündere” Probanden zu studieren, wäre eine Studie eigentlich nur, wenn sie die “gesünderen” in die Wirkstoffgruppe steckt und die weniger “gesunden” in die Placebogruppe. Für ein solches Verhalten geben die AFFIRM-Daten zur Baseline aber keinen wirklichen Hinweis.
Alles in allem bleibe ich daher eher skeptisch gegenüber der Vermutung, dass die AFFIRM-Studie wenig aussagekräftig wäre. Im Gegenteil würde ich sogar meinen, dass z. B. die vergleichsweise hohe Probandenzahl von gut 900 (und noch einige Sachen mehr) eher auf die Qualität der Studie verweist.