Also ich versuchs mal mit der Übersetzung:

Wenn ein Patient, der Placebos bekam, 10 neue aktive Läsionen nach 2 Jahren hatte, dann könnte (dürfte) ein Patient der Tysabri nimmt nur eine neue aktive Läsion haben.

Das wichtigste Wörtchen m.E. ist may und da sagt der Leo dürfen, können, mag. Also in dem Fall alles Konjunktiv.

Es grüßt

Das Meckerle

Da ich mal davon ausgehe, dass Lupo keinen Beweis dafür hat, dass die Studien gefälscht sind (Ist doch so, Lupo, oder?), bin ich nachwievor der Meinung, dass die Studien die beste Lageeinschätzung liefern, die wir bekommen können. Ich traue den Pharmafirmen zwar prinzipiell alles zu bei den Geldmengen, um die es geht, aber ich schätze, dass es extrem schwierig ist, so große Studien mit fast 1000 Probanden in 99 Zentren und einem riesigen daran arbeitenden Forscherheer wie z. B. die AFFIRM-Studie (die ich immer Polman-Studie nenne) zu fälschen. Ganz abgesehen von der im Nacken sitzenden FDA. Wobei ich mich frage, ob die allgegenwärtige Verblindung es nicht erleichtert, Studien zu fälschen. Aber wie auch immer: in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Solange Langzeiterfahrungen den Studien nicht vehement widersprechen, werde ich sie als die beste Informationsquelle hinsichtlich der Qualität der Medis ansehen.

ursula schrieb:
"was ich etwas schwach gefunden habe:

“8 von 10 patienten hatten unter tysabri keine krankheitsprogression”
7 von 10 patienten unter placebo aber auch nicht (71%)?"

Man kann der Werbebroschüre allerdings nicht vorwerfen, dass sie diese nicht sehr große Differenz von EDSS-Verschlechterung zwischen Tysabri- (17 %) und Placebo-Gruppe (29 %) von 12 % unterschlagen würde. Die Zahlen werden 2 mal auf den entsprechenden Seiten genannt, auch wenn selbstverständlich die riesige Schrift nur auf den Nutzen von Tysabri hinweist - ist halt Werbung, was will man erwarten?

Wirklich beurteilen können wird man die Reduktion der Behinderungszunahme durch Tysabri wahrscheinlich erst, wenn man 5-Jahres oder 10-Jahres-Daten, am besten 20- oder 50-Jahres-Daten hat. Schließlich ist der Behinderungszustand bei vielen MSlern über viele Jahre glücklicherweise sehr konstant, was die relativ geringe Behinderungszunahme von nicht einmal einem Drittel der Probanden in 2 Jahren in der Placebogruppe ja auch unterstreicht.

Ich möchte noch auf eine Sache hinweisen, die ich in diesem Zusammenhang als ziemlich wichtig einschätze:

Im April ist ein Aufsatz von Miller et al. in Neurology erschienen, der sich nur mit den MRT-Ergebnissen der AFFIRM-Studie befasst, also die Polman-Daten teilweise erneut berichtet, teilweise ergänzt (Abstract: <a href=“http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/68/17/1390”>http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/68/17/1390</a>).

Während in dem Polman-Aufsatz nur von den T2-gewichteten und den Gadolinium-anreichernden Läsionen berichtet wird, werden in diesem Aufsatz auch die Zahlen für die T1-gewichteten Läsionen in der AFFIRM-Studie beschrieben.

Warum ist das interessant? Weil T1-Gewichtung die sog. schwarzen Löcher zeigt, die im Unterschied zu der T2-Gewichtung mit der Behinderungszunahme deutlich korreliert.

T1, T2 und Behinderung

Für den Zusammenhang zwischen T1-Gewichtung, T2-Gewichtung und Behinderungszunahme zitiere ich mal etwas ausführlicher aus einem Artikel von Michael Sailer und Nils Bodammer in Rudolf M. Schmidt und Frank A. Hoffmann (Hrsg.): Multiple Sklerose, München 2006:

“Bis zu 20-30% der in T2-gewichteten Aufnahmen signalintensiven Läsionen können auch in T1-gewichteten Aufnahmen dargestellt werden. Akute Läsionen können in der T1-Wichtung hypointens erscheinen, das pathologische Substrat ist ein ausgeprägtes Ödem. Dies hat zur Folge, dass ein nicht geringer Anteil dieser T1-Läsionen sich ohne strukturelle Veränderung wieder zurückbilden kann. In den chronischen, auch ‘black holes’ genannten hypointensen Läsionen liegen strukturelle Veränderungen des Gewebes vor. Das pathologische Substrat der chronischen Läsion ist aber sehr heterogen. Die neuropathologischen Veränderungen können sich erheblich im Ausmaß der Myelinisierung und/oder des axonalen Unterganges unterscheiden. Histopathologische Untersuchungen zeigen jedoch, dass in allen in der T1-Wichtung hypointensen chronisch persistierenden T1-Läsionen Hinweise auf einen irreversiblen axonalen Untergang in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen.” (S. 141)

“In Querschnittsuntersuchungen ist die Korrelation zwischen der Anzahl bzw. dem Volumen der Läsionen in der T2-gewichteten Bildgebung und der Behinderung sehr schwach.” (S. 146) Allerdings gebe es einige Studien, die eine Korrelation in der individuellen Langzeitentwicklung zwischen Zunahme von T2-Herden und Behinderungszunahme gefunden haben. Andere Studien konnten diese Korrelation aber nicht nachweisen, so dass im Ergebnis zwischen T2-Herden und Behinderungszunahme kein großer Zusammenhang zu vermuten ist.

“Die Anzahl bzw. das Volumen der in den T1-gewichteten Sequenzen dargestellten Läsionen weist sowohl in Querschnittsuntersuchungen als auch in longitudinalen Studien eine stärkere Korrelation zum Behinderungsgrad auf als die T2-gewichtete MRT-Untersuchung. […] Die chronischen, in T1-gewichteten Aufnahmen hypointensen Läsionen durchlaufen in ihrer Entwicklung ebenfalls zunächst ein akutes Stadium mit Kontrastmittelanreicherung. Post-mortem-Untersuchungen zeigen, dass diese Läsionen eine niedrigere Anzahl von Axonen aufweisen als in T2-gewichteten Aufnahmen hyperintense Läsionen. Gestützt wird dies durch zusätzliche Befunde, wie z.B. eine Abnahme des Magnetisierungstransferverhältnisses (magnetization transfer ratio, MRT) in diesen Bereichen sowie eine Konzentrationsabnahme des neuronalen Markers NAA in der Spektroskopie. Neuropathologische Untersuchungen zeigen, dass die gemeinsame Endstrecke der unterschiedlichen pathologischen Prozesse im Hinblick auf den Behinderungsgrad der Axonverlust ist.” (147)

Ergebnisse der AFFIRM-Studie zu T1-Herden (Miller)

Nach der 2-Jahres-Studie tauchten im Durchschnitt 1,1 neue T1-Herde in der Tysabri-Gruppe und 4,6 neue T1-Herde in der Placebo-Gruppe, d. h. Tysabri verringerte die Anzahl der T1-Herde um 76 % gegenüber Placebo. Das ist nicht ganz so beeindruckend wie die T2-Werte (1,9; 11; knapp 83 %), aber immernoch ziemlich beeindruckend und vor allem für die Behinderungszunahme wichtiger!

Die Zahl der T1-Herde, die nicht Gadolinium anreicherten, die also nicht bloß akut waren, sondern chronisch, war: 1,0 zu 3,8. Auch das ist immerhin noch ein Rückgang von knapp 74 % gegenüber Placebo.

Es gibt noch eine weitere Betrachtung in dem Miller-Aufsatz, die ich ziemlich interessant finde. Sie haben nämlich auch das Gehirn-Volumen (Brain parenchymal fraction: BPF - fraction, weil das sie nur bestimmtes Gehirngewebe in Betracht gezogen haben) über die 2-Jahre hinweg betrachtet und etwas seltsames festgestellt: Über die zwei Jahre hinweg war die Abnahme des Gehirnvolumens zwischen Natalizumab-Gruppe und Placebo-Gruppe ähnlich (0,80 % gegenüber 0,82 %, Prozente beziehen sich auf die gesamte Gehirnmasse), im ersten Jahr war die Abnahme in der Tysabri-Gruppe aber deutlich höher (0,56 % gegenüber 0,40 %) und im zweiten Jahr dafür niedriger (0,24 % gegenüber 0,43 %). Am Ende des Aufsatzes formulieren sie eine Vermutung, woran das liegen könnte:

“Whereas the BPF, a measure of brain tissue volume that is normalized to intracranial volume, was decreased more in natalizumab-treated patient during year 1, the rate of brain atrophy was significantly less in natalizumab-treated patients during year 2. A plausible explanation for an initial reduction in brain volume in natalizumab-treated patients is the profound decrease of inflammatory brain lesions with resolution of associated edema. An early reduction in brain volume has been associated with other treatments that have an anti-inflammatory effect: highdose IV methylprednisolone and interferon beta. The samller amount of brain atrophy in year 2 may reflect a longer-term benefit of natalizumab in preventing new lesion formation and the consequent axonal transaction (and resulting wallerian degeneration) that occurs in such lesions.”

Knapp gefasst lautet die Vermutung also: Die Gehirnatrophie, also Abnahme der Gehirnmasse, ist etwas gutes, weil sie bedeuten kann, dass die Entzündungen/Schwellungen im Gehirn zurückgegangen sind. Dass unter Tysabri im ersten Jahr mehr Gehirnatrophie vorlag, wird so interpretiert, dass Tysabri schneller zu einem Abklingen von Entzündungen geführt hat als unter Placebo.

Auch wenn die Zahlen nicht gigantisch sind, finde ich das eine interessante Überlegung, z. B. weil sie bei Tysabri vielleicht das wieder ins Spiel bringt, was ja immer hinsichtlich BT gesagt wird: je früher, desto besser.

Hallo Bert, ich denek wir sollten nicht annehemn, daß die Studien “gefälscht” sind in dem sionne, daß Daten manipuliert oder direkt geändert wurden.

Ich denke es ist eher ein die Frage, wie die Daten zusammengefasst und interpretiert werden. Jeder der schon mal mit Mengenlehre zu tun hat, weiss, daß ich aus einer Gesamtmenge unterschiedliche Teilmengen generieren kann, je nachdem wie ich die Abfrage wähle.

Kleines Beispiel: Wenn ich aus der Gesamtzahl der deutschen die über 20 jährigen bis unter 50-jährigen auswähle kriege ich eine ganz ander Zahl als wenn ich sage alle 20 - 50 jährigen. Gleiche Datenbasis, nur geringfüg veränderte Abfrage. Wenn ich jetzt eine bestimmte Aussage treffen will, nehme ich die eine oder andere Zahl. Je nachdem mit welcher Zahl ich meine Aussage und mein Ziel am besten untermauern kann.

Deine anderen Infos muss ich erstmal in Ruhe verarbeiten. Wobei ich mir jetzt schon die Fragen stelle “ist entzündetes Gewebe dichter, weniger dichter kleiner, größer, leichter wie nicht entzündetes” und “und wwi macht sich die Entmarkung im Verhältniss zur Gehirnmasse bemerkbar”

Es grüßt

Das Meckerle

Hallo Bert,

ich bewunder deinen Eifer sehr. Aber was bringt uns das letztlich?

Ob die Zahlen stimmen oder nicht ist doch total unwichtig.

Wichtig ist ob ein Medikament dem einzelnen etwas bringt.

Und das kann er nur durch ausprobieren feststellen.

Und das kann jeder tun oder auch lassen.

Du hast jedenfalls keinen Beweis dafür das die Zahlen stimmen,
ebensowenig wie ich, der die Zahlen nicht ernst nimmt das Gegenteil
beweisen kann. Um etwas zu verkaufen braucht man halt gute Zahlen.

“Wirklich beurteilen können wird man die Reduktion der Behinderungszunahme durch Tysabri wahrscheinlich erst, wenn man 5-Jahres oder 10-Jahres-Daten, am besten 20- oder 50-Jahres-Daten hat.”

… dem kann ich mich nur anschließen!

LG von Lupo

…zu den angezweifelten Ergebnisse von klinischen Studien kann ich nur sagen, dass ich bei einem Pharmaunternehmen arbeite (Roche) und mit der Auswertung von klinischen Studien vertraut bin. Wenn man an den Ergebnissen der klinischen Studien zweifelt, dann kann man auch alle anderen Daten in der zivilisierten Welt in Frage stellen. Man sollte sich vielleicht einmal die Mühe machen und berücksichtigen, wieviele klinische Studien ihre Endpunkte verfehlen und daraufhin nicht einmal zur Zulassung eingereicht werden, weil die Zulassungschancen gleich Null sind.
So oberflächlich wie hier diskutiert wird, das ist ja nicht auszuhalten.

Anton

PS
Roche hat kein MS-Präparat am Markt oder in der Klinik - bin seit 20 Jahren an MS erkrankt

Hi Anton, sicher biste auch aus Tirol!

    COOL

Hallo Anton

Ui,pass auf,jetzt kann kein Beitrag von dir mehr ernst genommen werden. :wink:
Wegen versteckter Werbung,Küngelei etc. :slight_smile:
Einige “Kritiker” hier wissen m.e. exakt Bescheid,wie’s dreht…

lg,Tom

Ei, Lupo, da stimme ich dir mal zu. Wenn de ´Berti seine geistigen Ergüsse über uns läd, ist das für mich immer, als würde der Tiefensee eine Infrastruktur auf dem Mars aufbauen. - Ist mal schön anzusehen, aber beseitigt nicht das Schlagloch am Ende meiner Straße.

So oberflächlich wie z.T. von Pharmaunternehmen beschissen wird ist es kaum auszuhalten.

Ich sage nur Lipobay (eindeutig gefälschte Ergebnisse), Humaninsulin (kein Nutzen nur merh Umsatz) Blutdrucksenker (Preise verdreifachen, Leistung schlechter), also erzähl hier nicht die Mär von der hehren Pharmaindustrie. Du mchst dich nur wie einige ander auch total lächerlich.

Das Meckerle

Hallo Meckerle,

also ich hatte bei der Lektüre des Polman-Aufsatzes nicht den Eindruck, dass solche Taschenspielertricks verwendet werden wie nur alle 21- bis 49-jährigen in die Analyse einzubeziehen, dem Leser aber zu suggerieren, es ginge um die 20- bis 50-jährigen.

Wenn ich dich richtig verstehe, ist deine “Fälschungs”-These die, dass für die AFFIRM-Studie (die SENTINEL lass ich mal außen vor, weil sie wegen PML ja ohnehin nicht von Interesse ist) eine Stichprobe aus der Menge der MSler gezogen wurde, die zu günstig, also zu gesund ist. Du hattest diese Vermutung ja in der einen oder anderen Form schon hier und da mal geschrieben, einmal hatte ich dir dafür die Vorlage geboten, mich dann aber relativiert, weil mir bis heute unklar ist, ob das wirklich so ist.

Da es eine interessante Frage ist, will ich sie mal zu klären versuchen. Dazu habe ich mir überlegt, dass der Vergleich der Baseline-Daten (also der Probanden-Daten vor Beginn der Studie) und der Placebo-Daten nach 2 Jahren zwischen verschiedenen Studien doch Auskunft darüber geben müsste, ob die Population der AFFIRM-Studie zu günstig ist. Als Studien habe ich mir die wichtigste zu Copaxone ausgesucht, die ich im Folgenden Johnson-Studie nenne (Abstract der 2-Jahres-Ergebnisse: <a href=“http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/45/7/1268”>http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/45/7/1268</a>, Abstract nach follow-up (insgesamt 35-Monate): <a href=“http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/50/3/701”>http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/50/3/701</a>), und zwei zu Interferon, eine dreiarmige zu Rebif, die ich PRISMS-Studie nennen werde (Abstract: <a href=“http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140673698033340/abstract”>http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140673698033340/abstract</a>), und eine dreiarmige zu Betaseron, die ich INFNB-Studie nennen werde (Abstract: <a href=“http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/43/4/655”>http://www.neurology.org/cgi/content/abstract/43/4/655</a>). Außerdem habe ich noch eine Studie zu Copaxone ausgewählt, die zusätzlich zu ihren eigenen Charakteristiken auch die Baseline-Daten von sog. US Pivotal Trial Cohorts aufführt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das eine offizielle Referenz ist oder ob die Studienmacher diese Daten selber als Metaanalyse beisteuern. Jedenfalls sollen diese Pivotal-Daten anscheinend die Durchschnitts-Baseline-Daten aller Copaxone-Studien darstellen. Die Pivotal-Daten werde ich Pivotal-Daten nennen und die Daten der Studie selbst mit Comi-Studie ansprechen. Alle StudienARME beinhalteten mindestens 100 Probanden.

Du könntest gegen so einen Vergleich zwar einwenden, dass dann ja nur Pest mit Cholera verglichen werde, weil ja alle Medikamenten-Studien ein Interesse an der Verzerrung der Daten haben, aber zumindest scheint mir dieser Vergleich die Frage zu beantworten, ob die AFFIRM-Daten günstiger sind als die der Studien zu den beiden älteren BT-Medis.

In Klammern gebe ich die plus-minus Standardabweichung bzw. den Standardfehler (SEM bei INFNB-Studie) bzw. die Spannweite an.

Baseline - Probanden-Daten vor der Studie

  1. Durchschnittsalter

AFFIRM:

  • Tysabri: 35,6 (8,5)
  • Placebo: 36,7 (7,8)

Johnson:

  • Cop: 34,6 (6,0)
  • Placebo: 34,3 (6,5)
    Comi:
  • Cop: 34,0 (7,5)
  • Placebo: 34,1 (7,4)
    Pivotal:
  • Cop: 34,3 (6,5)
  • Placebo: 34,6 (6,0)
    PRISMS:
  • Rebif22: 34,8 (5,5)
  • Rebif44: 35,6 (7,2)
  • Placebo: 34,6 (5,8)
    INFNB:
  • Betaferon 1,6: 32,1 (SEM: 0,6)
  • Betaferon 8: 30,6 (SEM: 0,7)
  • Placebo: 30,5 (SEM: 0,6)

Was fällt auf?
Das Alter der AFFIRM-Studie ist das höchste aller Studien, ebenso ist die Streuung am höchsten. M. E. kein Indiz dafür, dass die AFFIRM-Probanden “gesünder” gewesen sein könnten als die der anderen Studien.

  1. Durchschnittliche Dauer der MS

AFFIRM:

  • Tysabri (Median): 5,0 (Spannweite: 0-34)
  • Placebo (Median): 6,0 (Spannweite: 0-33)

Johnson:

  • Cop: 7,3 (4,9)
  • Placebo: 6,6 (5,1)
    Comi:
  • Cop: 8,3 (5,5)
  • Placebo: 7,9 (5,5)
    Pivotal:
  • Cop: 6,6 (5,1)
  • Placebo: 7,3 (4,9)
    PRISMS:
  • Rebif22: 5,4 (Spannweite: 3,0-11,2)
  • Rebif44: 6,4 (Spannweite: 2,9-10,3)
  • Placebo: 4,3 (Spannweite: 2,4-8,4)
    INFNB:
  • Betaferon 1,6: 3,9 (SEM: 1,3)
  • Betaferon 8: 4,7 (SEM: 0,4)
  • Placebo: 4,7 (SEM: 0,4)

Was fällt auf?
Bei Polman et al. wird nur der Median angegeben, nicht aber die Durchschnittswerte. Das macht einen Vergleich schwierig. Da die Spannweite wesentlich weiter nach rechts (34 bzw. 33) vom Median geht als nach links (0), ist zu vermuten, dass der Durschnitt größer ist als der Median. D. h. dass die Dauer der MS zumindest länger ist als in der INFNB-Studie und vermutlich mindestens genauso lang wie in der PRISMS-Studie. Die Cop-Studien hingegen haben wahrscheinlich eine längere Durchschnittsdauer der MS in der Baseline. Im Ergebnis würde ich auch hier sagen, dass es kein Indiz dafür gibt, dass die AFFIRM-Probanden “gesünder” gewesen sein könnten als die der anderen Studien, höchstens als die der Cop-Studien.

  1. Durchschnittliche Schubrate

AFFIRM:

  • Tysabri (1 Jahr): 1,53 (0,91)
  • Placebo (1 Jahr): 1,50 (0,77)

Johnson:

  • Cop (2 Jahre): 2,9 (1,3)
  • Placebo (2 Jahre): 2,9 (1,1)
    Comi:
  • Cop (2 Jahre): 2,5 (1,4)
  • Placebo (2 Jahre): 2,8 (1,8)
    Pivotal:
  • Cop (2 Jahre): 2,9 (1,1)
  • Placebo (2 Jahre): 2,9 (1,3)
    PRISMS:
  • Rebif22 (2 Jahre): 3,0 (1,1)
  • Rebif44 (2 Jahre): 3,0 (1,1)
  • Placebo (2 Jahre): 3,0 (1,3)
    INFNB:
  • Betaferon 1,6 (2 Jahre): 3,6 (SEM: 0,1)
  • Betaferon 8 (2 Jahre): 3,3 (SEM: 0,1)
  • Placebo (2 Jahre): 3,4 (SEM: 0,2)

Was fällt auf?
Zuerst ist der Wert wieder mal nicht vergleichbar, weil es nur eine 1-Jahres-Angabe bei Polman et al. gibt. Am praktikabelsten ist es wohl, diesen Wert einfach zu verdoppeln, um 2-Jahres-Daten zu schätzen. Ich sehe jedenfalls nicht, was prinzipiell gegen eine Verdopplung des Durchschnitts als Schätzung sprechen sollte. Damit ergibt sich 3,06 und 3. Mit Ausnahme der höheren INFNB-Werte reihen sich die AFFIRM-Werte in die der anderen Studien ein.

  1. Durchschnittliche EDSS-Werte

AFFIRM:

  • Tysabri: 2,2 (4,7)
  • Placebo: 2,0 (4,8)

Johnson:

  • Cop: 2,8 (1,2)
  • Placebo: 2,4 (1,3)
    Comi:
  • Cop: 2,4 (1,2)
  • Placebo: 2,3 (1,1)
    Pivotal:
  • Cop: 2,4 (1,3)
  • Placebo: 2,8 (1,2)
    PRISMS:
  • Rebif22: 2,5 (1,2)
  • Rebif44: 2,5 (1,3)
  • Placebo: 2,4 (1,2)
    INFNB:
  • Betaferon 1,6: 2,8 (SEM: 0,1)
  • Betaferon 8: 2,9 (SEM: 0,1)
  • Placebo: 3,0 (SEM: 0,1)

Was fällt auf?
Die EDSS-Werte der AFFIRM-Studie sind die niedrigsten, im Vergleich zur INFNB-Studie sogar mit Abstand von fast einem ganzen Punkt. Die EDSS-Werte liefern in der Tat ein Indiz dafür, dass die AFFIRM-Probanden “gesünder” waren als die der anderen Studien. Noch auffälliger ist die Differenz zwischen den Standardabweichungen. Das liegt zum einen nur daran, dass die AFFIRM-Studie mit fast 1000 Probanden mehr Probanden als die anderen Studien, die eher so zwei-, dreihundert hatten. Für eine gewisse Vergleichbarkeit (das ganze Konzept der Streuungsmaße ist nicht gerade sehr geeignet für Vergleichbarkeiten) müsste man den Standardfehler ausrechnen, wozu ich gerade keine Lust habe. Geschätzt kann man aber sagen, dass der Standardfehler bei AFFIRM so um 0,5 liegt und bei den anderen Studien so um 0,1. D. h. dass die Streuung in der AFFIRM-Studie höher war, also mehr Probanden mit niedrigerem EDSS und mehr Probanden mit höherem EDSS.

Doch wie kann man das bewerten? Da bin ich überfragt. Auffällig ist es in jedem Fall.

Placebo-Daten-Vergleich nach 2 Jahren reiche ich bei Gelegenheit mal nach.

Hallo Lupo,

du hast geschrieben:
“Du hast jedenfalls keinen Beweis dafür das die Zahlen stimmen,
ebensowenig wie ich, der die Zahlen nicht ernst nimmt das Gegenteil
beweisen kann. Um etwas zu verkaufen braucht man halt gute Zahlen.”

Da würde ich Anton recht geben: Wenn du grundsätztlich Medikamenten-Daten misstraust, musst du auch an allem anderen zweifeln, was du nicht unmittelbar selbst erfährst: Wie viele Flugzeugabstürze gibt es wirklich, wie viele Autounfälle? Sind wir vielleicht nur in einer Reality-Show à la Truman-Show oder gar in der Matrix? Du kannst es bis zu Descartes Gewissheit treiben, dass du als Zweifelnder zumindest exisitierst, aber Descartes wußte ohne Gottes Hilfe keinen Weg zu der Unbezweifelbarkeit der Tatsachen. Vielleicht liegt dein Gehirn auch in einer Nährlösung und deine Sinneseindrücke sind nur Stromstöße in einer cleveren Versuchsanordnung. Falls es so etwas wie ein Gehirn überhaupt gibt …

Bei aller Skepsis wegen der Finanzinteressen der Pharmas: Bei dem Aufwand, der für Studien betrieben wird, und angesichts der großen Anzahl von Forschern und sonstigen Mitarbeiter, die daran teilhaben, würde ich erst mal davon ausgehen, dass das nicht alles nur Inszenierung ist und aus dem versteckten Werbeetat finanziert wird. Das erscheint mir WESENTLICH plausibler. Es ist ein Unterschied, ob man vermutet, dass das Forschungssystem missbraucht werden kann, oder ob man meint, dass das Forschungssystem den Missbrauch darstellt. Ich denke, dass allein der Pathos, der der Aufklärung anhängt, zumal in der Medizin, dafür spricht, dass es Missbrauch im System geben kann, aber dass das System durchaus auf Linderung und Heilung angelegt ist. Außerdem: Ohne Gebrauchswert kein Profit. Selbst wenn die Studiendaten noch so gut sind: Wenn die Patienten nach einer gewissen Zeit keine Besserung spüren, werden sie das Produkt im Zweifel wieder absetzen. Ob sich dann der große Fake an den Studiendaten gelohnt hätte?

es IST ein unterschied, ob eine pharmafirma eine studie in auftrag gibt oder ob z.b. eine universität eine studie selbst (auf eigene kosten) durchführt.

das wird dir JEDER insider bestätigen!

ursula

Ich hatte doch geschrieben das die Zahlen letztlich wurscht sind!
Nochmals:

"Ob die Zahlen stimmen oder nicht ist doch total unwichtig.

Wichtig ist ob ein Medikament dem einzelnen etwas bringt.

Und das kann er nur durch ausprobieren feststellen."

Soweit ich weiß hast du selbst keine MS- bitte korrigiere mich, wenn das
falsch ist- vielleicht erklärt das aber den Unterschied in der Betrachtungsweise…

Im MRT war mein Gehirn übringes zu sehen- und ich glaube sogar dass das Bild keine Fälschung war! :wink:

zeig mir bitte mal die universität, die noch genug geld hat, um solche studien durchzuführen. ohne forschungsgelder von der pharma wären die unis aufgeschmissen.

http://www.aerzteblatt-studieren.de/doc.asp?docId=102731

hallo Eva,

z.b. die Charite Berlin.

schön, daß es sowas noch gibt…

andrea

Wird jetzt Grüner Tee-Charite genannt.

Hallo Lupo,

ich finde nicht, dass die Zahlen wurscht sind. Da die Medis unter Umständen unangenehme Nebenwirkungen verursachen, möchte ich schon wissen, ob es sich für meine Freundin lohnt, das Risiko einzugehen. Außerdem bezweifle ich, dass man unter einem Medi wirklich beurteilen kann, ob es einem hilft oder nicht. Schließlich weiß man ja nicht, wie der Verlauf ohne Medi gewesen wäre. Hat man dann einen Schub oder neue bleibende Beeinträchtigungen, ist man vielleicht geneigt, das Medi als wirkungslos anzusehen - dabei hätte man vielleicht ohne Medi bereits zwei Schübe gehabt oder noch mehr Beeinträchtigungen. Oder umgekehrt ist man froh, dass die Entzündungsaktivitäten unter dem Medi aufgehört haben und nur selten mal ein leichter Schub kommt, und nimmt die Nebenwirkungen dafür hin - dabei wäre das ohne Medis und deren Nebenwirkungen vielleicht genauso gewesen, weil man einfach in eine ruhigere Phase der Krankheit eingetreten ist.

Solange es keine verläßlichen individuellen Prognosen gibt, finde ich den Vorschlag “Probier doch einfach aus und guck, was es macht!” nicht besser, als sich mit den Zahlen zu beschäftigen - eher schlechter. Aber wenn du das anders siehst, ist das für mich ok. Vielleicht hast du recht und unsere unterschiedlichen Auffassungen liegen daran, dass ich nicht selber MS habe. Vielleicht liegt es aber auch mehr daran, dass du in einer späteren Phase der Krankheit bist und dich überhaupt schon viel länger damit arrangieren konntest, vielleicht daran, dass meine Freundin noch keine BT angefangen hat und uns damit Erfahrungen fehlen.

Wogegen ich mit meinem letzten Beitrag anreden wollte, war deine Gleichgültigkeit gegenüber Medikamenten-Studien - als wäre es dasselbe, ob sie gemacht werden oder nicht, weil man ihnen eh nicht trauen könne. Wenn du damit recht hättest, wäre die Beschäftigung mit den Zahlen selbstverständlich wirklich müßig und brächte rein gar nichts. Auch wenn ich da einige Skepsis habe, finde ich ein so radikales Misstrauen gegenüber der Medikamenten-Forschung aber nicht plausibel - wofür ich versucht hatte, ein paar Argumente anzubringen.

Hallo ursula,

da ich kein Insider bin und bislang auch nie Anlass dazu hatte, mich mit Medikamenten-Forschung zu beschäftigen, habe ich keine Vorstellung, INWIEFERN es Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Forschung in dem Bereich gibt. Kannst du meiner Phantasie vielleicht etwas auf die Sprünge helfen, indem du ein wenig aus dem Nähkästchen plauderst? Oder kannst du mir vielleicht informative Links geben?

Danke,

Bert

Hallo Bert,

richtig- wir alle schippern doch alle im Nebel umeinander.

Man kennt nicht die Ursachen der MS.
Man kann die vielen Verlaufsformen nicht zweifelsfrei diagnostizieren.
Man kann MS nicht heilen und nur mit mehr oder weniger Erfolg behandeln.
Man weiß nicht, wie du schreibst, ob eine Therapie wirklich geholfen hat.
Man hat nur die Möglichkeit zu probieren und seinen Weg zu finden.
Man revidiert ständig Forschungsergebnisse.
Man muß sich damit abfinden.

Bernd, auch wenn ich Zahlen kritisch gegenüberstehe bin ich natürlich froh
dass geforscht wird. Ich bin doch auf die Pharma angewiesen!
Ohne die Mittel gegen meine brutalen Schmerzen zB. wäre ich schon
nicht mehr hier.

Ich wünsch euch alles Gute und finde es sehr toll das du deiner Freundin auf
ihrem Weg zur Seite stehst- das ist wahrscheinlich die beste Medizin.
Liebe kann man nicht rational erklären und sie braucht weder Studien
noch Statistiken…

LG von Lupo

hallo bert,

ein beispiel:
die grüne tee studie. keine pharmafirma der welt würde gelder für eine solche studie zur verfügung stellen. den inhaltsstoff gibt es schon längst, es gibt kein patent darauf und damit würde sich so gut wie kein geld verdienen lassen.

  1. beispiel:
    die benefit studie (bezahlt von bayer/schering):
    obwohl die zahlen auch früher kaum besser waren, ist es zunächst gelungen, die ergebnisse so schönzuschreiben, daß der eindruck erweckt wurde, ohne interferone würde man ziemlich schnell im rollstuhl landen (wie wir inzwischen wissen, dauert es MIT interferonen auch nicht viel länger).
    vor allem: sofort damit anfangen!
    die ergebnisse der nachfolgestudie waren dann aber so schlecht, daß vieles zurückgenommen werden mußte, was vorher auch schon recht haltlos war.

die pharmafirma verlangt durch die finanzierung einer studie selbstverständlich, daß die ergebnisse so positiv wie möglich dargestellt werden (sonst gibt es beim nächsten mal eben KEIN geld mehr, ist doch klar…)

3.beispiel tysabri.
ich kenne jemand aus der forschung, der die begeisterung vieler hier im forum überhaupt nicht teilt (außer bei schweren verläufen).
es hätte wohl durchaus komplikationen gegeben (nicht nur die todesfälle), die nicht gerne an die große glocke gehängt werden.

du willst links?
geh doch mal auf die bayer/schering healthcare-seite.
da stehen bis heute noch die glorreichen ergebnisse von 2003 (oder ms-gateway).
die neuen verschweigt man lieber…
das sagt doch schon einiges darüber aus, wie es so läuft mit den studien.

gruß ursula