Hallo zusammen,
ich bin ganz neu hier. Ich bin 37 Jahre alt, habe am 07.05. die Diagnose MS bekommen und brauche von denjenigen von euch, die schon “alte Hasen” sind, mal etwas Hilfe, weil ich mich mit der Krankheit noch fast gar nicht auskenne und mich total verloren fühle.
Ich muss jetzt leider etwas ausholen, hoffe aber, dass euch das nicht abschreckt, und dass ihr mir etwas mehr Sicherheit mit euren Antworten geben könnt.
Mein erster Schub fing Anfang April an mit einem Spannungs- bzw. Taubheitsgefühl in der linken Wade. Das weitete sich dann in den nächsten Tagen auf das Knie, den Fuß und den linken Arm inklusive Hand aus. Dazu kam eine extreme Verspannung in der linken Schulter und ein bleiernes Gefühl, das sich über die linke Schulter in die linke Brust und auch in den linken Bauchbereich zog. Ein starkes Korsettgefühl in diesen Bereichen. Außerdem ein Taubheitsgefühl in der linken Kopfhälfte und mein linkes Ohr war zur Hälfte taub. Ich schob das (weil ich es nicht besser wusste) auf den Stress, den ich in der Zeit extrem hatte (sowohl beruflich als privat). Nach ca 2,5 Wochen kamen dann aber auch Sehstörungen in Form von Doppelbildern und Schwindel und dadurch bedingte Gangunsicherheiten (die aber für Außenstehende nicht sichtbar waren). Das habe ich ewa 1,5 Wochen ausgehalten, meinen Alltag ganz normal bestritten (ich arbeite als Rechtsanwältin), bin mit dem Hund spazieren gegangen und habe den Haushalt gemacht. Irgendwann habe ich mich dann aber von meinem Mann ins Krankenhaus bringen lassen, weil es mir Angst machte. Wegen meiner Augenproblematik wurden die euch bekannten Untersuchungen inklusive MRT durchgeführt und danach stand wegen mehrerer Herde (ausschließlich) im Kopf fest, dass ich MS habe. Ich habe dann 5 x 1000 mg Prednisolon bekommen und schon ab dem zweiten Tag fing es an, dass die Doppelbilder langsam besser wurden. Die Gefühlsstörungen in Arm und Bein wurden auch etwas besser.
Fast direkt ab Beginn der Kortisonbehandlung habe ich aber starke Nebenwirkungen gehabt. Zwar verschwanden die Doppelbilder, aber dafür litt ich durch das Kortison unter anderen Sehstörungen (Augendruck, verschwommenes Sehen), Schwindel und Benommenheit. Außerdem hatte ich seit der ersten Infusion in der linken Körperhälfte insbesondere bei Bewegung (insbesondere bei Bewegung des Arms und der Schulter ein extrem unangenehmes elektrisierendes Gefühl (aber kein Lhermitte Zeichen), das mich echt belastet, weil ich nachts dadurch kaum eine Schlafposition finde. Dazu kamen starke Schlafstörungen, ich habe nachts anfangs kaum 2 Stunden geschlafen.
Nach einer Woche wurde ich am 12.05. nach Hause entlassen und muss seitdem das Kortison in Drei-Tages-Schritten ausschleichen (Schema 80 - 60 - 40 - 20 - 10 - 5). Ich habe aber extrem mit den Nebenwirkungen des Kortisons zu kämpfen.
Das Sehen ist zwar seit der Stoßtherapie von Tag zu Tag besser geworden und auch die Benommenheit und der Schwindel. Darüber bin ich wirklich froh. Auch ist das Taubheitsgefühl in der linken Kopfhälfte vollständig weg und auch das Hören auf meinem linken Ohr ist seit ein paar Tagen wieder fast vollständig hergestellt. Außerdem sind mein Fuß und meine linke Hand wieder fast ganz hergestellt, die Feinmotorik funktioniert wieder.
Ich habe aber erhebliche Probleme mit der Psyche und seit dem Kortison starke Angstzustände.
Ich bin sehr dankbar, dass mein Mann im Home Office arbeitet und sich liebevoll um mich kümmert, da ich durch das Kortison kaum leistungsfähig bin (obwohl das schon besser wird).
Es gibt aber für mich viele Faktoren, die mich sehr verunsichern.
Zum Beispiel sagten die Neurologen, dass wenn nach 2 Wochen nach Abschluss der Stoßtherapie nicht alle Symptome abgeklungen sind, die Therapie wiederholt werden könne und ich mich dann melden soll.
Da mir das Kortison derart zusetzt, möchte ich das aber eigentlich überhaupt nicht. Zumal die stärkste Einschränkung - Doppelbilder und Gangunsicherheit - durch das Kortison behoben wurden.
Durch einige Beiträge von euch hier im Forum konnte ich schon vieles in Erfahrung bringen.
Dass Kortison bei vielen Patienten zu einer Verschlechterung führen kann und erst nach vielen Wochen eine langsame, schrittweise Besserung eintritt. Denn in Bezug auf mein Bein und meinen Arm habe ich an manchen Tagen zwar das Gefühl, dass schon eine Besserung eingetreten ist. An anderen Tagen fühlt es sich aber wieder schlechter an. Zum Beispiel habe ich seit einer Woche ein totales Blockadegefühl im linken Knie. Wobei ich auch gelesen habe, dass das Kortison die eigene Wahrnehmung beeinflussen kann.
Auch haben viele von euch geschrieben, dass der Körper erst dann so richtig in die Selbstheilung gehen kann, wenn das Kortison nach einigen Wochen aus dem Körper raus ist.
Kennt das jemand von euch, dass Kortison die Nerven so durcheinander bringt bzw den Schub gefühlt so verstärkt, dass die elektrisierenden Gefühle auftreten, die ich beschrieben habe?
Kann es auch sein, dass ich zu viel in mich hineinhöre und dass ich mir gewisse Verschlechterungen “einbilde”?
Habt ihr die Erfahrung gemacht, dass die Nebenwirkungen des Kortisons im Tagesverluf schwanken können? Den Eindruck habe ich nämlich sehr.
Ich habe schon viele mutmachende Dinge von euch gelesen. Dass man in Entspannung und Ruhe gehen soll und dass man auf seinen Körper vertrauen darf, was die Selbstheilung angeht.
Ich weiß, dass ich vermutlich auf hohem Niveau klage, weil ich keine körperlichen Einschränkungen in dem Sinne habe, dass ich nicht mehr oder schlechter gehen könnte oder eingeschränkt wäre in der Bewegung. Von außen merkt man mir nichts an. Und ich bin auch dankbar, dass ich wieder ohne Doppelbilder sehen kann und nicht mehr an dem dadurch bedingten Schwindel leide.
Aber trotzdem machen mich die Unsicherheiten in Verbindung mit der psychischen Angeschlagenheit durch das Kortison aktuell echt fertig und ich fühle mich verloren, weil ich als Neuling noch fast gar nichts über den Verlauf eines Schubs weiß.
Vielleicht kann jemand von euch mit etwas Mut machen und das, was ich geschrieben habe, ein bisschen kommentieren.
Ich danke euch schon jetzt.
Liebe Grüße
Jessica