Bezüglich MRT-Zufallsbefund / Radiologisch Isoliertem Syndrom (RIS): RIS ist nicht gleich RIS.
Es gibt RIS-Fälle, da spricht nichts für MS und es entwickelt sich auch nie eine MS daraus.
Es gibt aber auch RIS-Fälle, die ein Vorstadium der MS darstellen, aus denen sich schließlich eine MS manifestiert. In einer Studie lies sich das bei 72 % der Probanden durch eine sofortige Behandlung mit Teriflunomid (Aubagio) ggü. Placebo verhindern.
Das zeigt: Selbst wenn noch gar keine MS vorliegt, kann eine RIS-Behandlung lohnen. Zumindest mit dem milden und liquorgängigen MS-Basismedikament Aubagio.
Und es gibt ein RIS, das ist bereits ausgebrochene MS. Nur eben eine MS, die bereits vor einem ersten Schub oder ersten Symptomen (zufällig) im MRT entdeckt wird. Hier bietet sich direkt eine hochwirksame Therapie an, wer nach dem Prinzip “Hit hard and early” gegen seine MS vorgehen möchte. Direkt im Anschluss an ein RIS auf MS zu therapieren, wenn alles für eine bereits manifestierte MS spricht, empfehlen auch die 2024 aktualisierten McDonald-Kriterien.
@Jess34 Deine Ärzte kommen zu dem Schluss, dass du manifestierte MS hast. Wahrscheinlich hast du aktive und inaktive Läsionen, was oft Indiz für eine bereits länger laufende, entzündliche Aktivität ist und gegen ein einmaliges Ereignis spricht. Wenn dann noch die Oligoklonalen Banden (OKB) für MS sprechen, wird die Diagnose MS gestellt.
OKB-Beurteilung gemäß europäischem Konsens (Andersson et al., 1994):
Typ 1: Normaler Befund. Keine oligoklonalen Banden im Serum und Liquor (negativ)
Typ 2: Oligoklonalen Banden im Liquor, aber keine im Serum (positiv)
Typ 3: Oligoklonale Banden im Liquor, zusätzlich identische Banden in Liquor und Serum (positiv)
Typ 4: Identische oligoklonale Banden in Liquor und Serum (negativ)
Typ 5: Monoklonale Banden in Liquor und Serum. Monoklonale Gammopathie (negativ)
Ich wäre froh um so umsichtige Ärzte, die direkt eine Behandlung und dann auch gleich noch hochwirksam empfehlen, wenn sie bei einem RIS von MS ausgehen. So zu handeln ist (noch) nicht selbstverständlich. Andere MS-Betroffene werden oftmals zu spät diagnostiziert, wenn bereits irreparable Schäden durch die MS vorliegen oder eine frühe hochwirksame Behandlung nicht mehr möglich ist, was später das SPMS-Risiko deutlich erhöht. Du hast aber nun Chancen mit einem “blauen Auge” davonzukommen.
Frag ggf. nochmal nach, ob eine Fehldiagnose ausgeschlossen werden kann. Ich hatte bei mir damals ein paar Tage nach Diagnose die selbe Frage gestellt. Die MS-erfahrenen Ärzte der Neurologie hatten es mir dann nochmal genau erklärt, wieso, weshalb, warum sie sicher sind, dass ich eine manifestierte MS habe und nicht nur ein Klinisch Isoliertes Syndrom (KIS). KIS ist ähnlich RIS, nur mit einem Schub dabei und muss, ähnlich RIS, nicht zwingend zu MS führen.
Meine MS-Geschichte ist weitgehend vergleichbar mit deiner. Einziger Unterschied: Bei mir führte 2023 eine milde Sehnerventzündung (SNE) zu MRT- und Liquorbefund, nicht Kommissar Zufall noch vor dem ersten Schub. Bis zur SNE hatte ich nie Symptome, auch heute merke ich noch nichts von meiner MS. Habe auch keine Fatique, bin topfit. Die Läsionslast ist gering und es sind nur sehr kleine Läsionen. Ich fühle mich, als hätte ich gar nichts.
Meine Therapie: “Hit hard and early” mit Kesimpta. Gestartet 3 Monate nach Diagnose. Am liebsten wäre mir noch früher gewesen, aber da spielte mein damaliger Arzt nicht mit (erst ein anderer).
Hätten Ärzte per Zufalls-MRT meine MS-Läsionen schon vor meinem ersten Schub entdeckt, ich hätte mit dem heutigen MS-Wissen sofort nach dem RIS mit der Therapie begonnen (sofern sich dafür ein Neurologe gefunden hätte, denn 2023 galten die neuen McDonald-Kriterien noch nicht). Dann wäre es gut möglich gar nicht zur SNE gekommen.
Fast jeder Schub (auch wenn “vollständig” zurückgebildet) hinterlässt dauerhafte Schäden im Zentralen Nervensystem (ZNS). Ob spürbar oder nicht, es geht i. d. R. immer kognitive Leistungsreserve verloren. Vollständige Remyelinisierung von Läsionen ist selten. Nach neuronalen Schäden / Schüben kann lebenslang Uhthoff auftreten, bei Fieber, Hitze oder Sport. 80 % der MS-Erkrankten sollen im Laufe ihrer Krankengeschichte von Uhthoff betroffen sein. Wenn es einmal auftritt, kommt es immer wieder. Dann kommen Schubsymptome als sogenannte Pseudo-Schübe zurück oder Sehstörungen im Sommer, im winterlichen Südseeurlaub oder beim Sport. Jeder nicht verhinderte Schub, der vermeidbar gewesen wäre, ist m. E. ein Schub zu viel. Außerdem ist für “Hit hard and early” eben das “Early” entscheidend. Am Anfang lässt sich die MS noch am besten eindämmen, später immer weniger. Was man anfangs verpasst, holt man später nicht mehr ein. Die Smoldering MS / schubunabhängige Progression ist unerbittlich und das bisher einzige Mittel dagegen ist früh und hochwirksam behandeln.
Hit-hard-and-early-Strategie bremst auch schubunabhängige Progression
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