Wer ist auch (noch) vollzeitbeschäftigt und hat Kollegen, die einem mit Aussagen wie:\" Dir sieht man ja gar nichts an!\" oder \" … dann bleib doch daheim!\" eher auf den geschädigen Nerv gehen. Dazu noch für andere kränkelnde Kollegen wesentlich mehr Verständnis aufbringen.
Fühle mich da nicht ernst genommen.
Ich habe das eigentlich aufgegeben. Anfangs hatte ich noch mal was aus dem Internet ausgedruckt, was alles MS bewirken kann, aber da hat man nur mal kurz drauf geschaut und das war es dann mit dem Kommentar : “Naja, aber du hast das ja alles nicht!”
Dass ich mich oft schwach fühle, Gleichgewichts- und Sensistörungen habe und ich durch meine wechselnden körperlichen Zustände schlecht etwas planen kann, wird nicht ernst genommen…
So ist das. Ich versuche mich nicht darüber aufzuregen. Ich werde halt belächelt, wenn ich beispielsweise aufgrund einer Erkältung dann auch mal 2 Tage daheim bleibe, aber das ist mir egal.
Hallo Ulrike,
ich benutze in solchen Situationen immer folgenden Text:
Gestatten, mein Name ist MS
Hallo! Ich bin die MS. Mit vollem Namen heisse ich Multiple Sklerose. Aber die Abkürzung finde ich cooler. Ist so ähnlich wie mit dem JR aus “Dallas”; ich bin ebenso fies. Im Gegensatz zu dem Ölmulti habe ich sogar noch einen lateinischen Titel: Enzephalomyelitis disseminata. Trotzdem: MS passt schon.
Allgemein wirft man mich in einen Topf mit den chronischen Krankheiten. Speziell stolz bin ich darauf, dass gegen mich noch kein Kraut gewachsen ist. Weil nämlich niemand weiss, woher ich wirklich komme und warum ich mir gerade den Menschen aussuche, der mich dann ein Leben lang am Hals hat. Natürlich arbeiten die Wissenschaftler mit Hochdruck, um mir auf die Schliche zu kommen. Gegenwärtig reparieren sie allerdings nur mehr als notdürftig die Schäden, die ich hinterlasse.
Ich bin ein wahres Genie, weil ausgesprochen wandelfähig und kreativ. Nicht umsonst nennt man mich auch “Die Krankheit mit den tausend Gesichtern”. Denn, ich plage den einen heftiger, den andern fast gar nicht, entzünde Sehnerven, lasse stolpern und wanken, führe zu Missgriffen, verwirre die Empfindungen, tanze mit manchen den “Zitterfox”, mache schlapp oder auch steif, lasse bleierne Müdigkeit den Tag vermiesen, die Blase ein Eigenleben führen, vergälle das Liebesleben und zische da und dort mit einem mörderischen Schmerz durch die Glieder und Eingeweide. Je nach Lust und Laune mische ich einen Symptom-Cocktail zusammen oder belasse es auch nur bei einer Widrigkeit. Ich bin da sehr flexibel. Auch, was mein Bemerkbarmachen angeht. Ich komme oft schubweise daher, wobei mir der Überraschungseffekt ausgesprochen wichtig ist. Sehr gerne hinterlasse ich dann einen neuen Schaden oder auch zwei oder verstärke bestehende. Wenn ich ganz hinterhältig aufgelegt bin, stichel ich nur ein bisschen, grad so viel, dass es meinem Wirt nicht auffällt, aber genügend, damit er sich schleichend schlechter und schlechter fühlt. Und dann gibt’s auch noch wenige Menschen, die mich derart langweilen, dass ich sie nur einmal heimsuche und danach nur mal so nebenbei vorbeischaue.
Ach, ihr wollt wissen, wie ich mein zerstörerisches Werk verrichte? Die Wissenschaft glaubt, dass eine Virusinfektion im Kindes- oder Jugendlichenalter eine Rolle für mein späteres Auftauchen spielen kann. Lassen wir sie in dem Glauben. Soviel sei verraten: Ich niste mich im Zentralnervensystem ein, befalle an verschiedenen Stellen (daher multipel) in Gehirn, an den Sehnerven und im Rückenmark die Schutzhüllen der Nervenfasern (das sogenannte Myelin). Das führt dort zu Entzündungsherden und zu Vernarbungen (Sklerosen). Weil die Nervenfasern jetzt teilweise blank liegen oder hässliche Narben haben, leiten sie schlecht. Das wiederum löst diese unterschiedlichen Funktionsstörungen aus. Die Schutzhüllen können sich, wenn überhaupt, nur teilweise regenerieren, darum bleiben oft die Störungen erhalten. Und mit jedem Schub sorge ich dafür, dass der Schaden etwas grösser wird. Oder ich seh’ zu, dass die Entzündung schon gar nicht mehr nachlässt. Etwa zwanzig Prozent der Menschen, die ich heimsuche, zwinge ich früher oder später in den Rollstuhl. Man wird mit mir genau so alt wie ohne mich. Ansteckend? Gott bewahre! Dazu bin ich viel zu exklusiv. Darum lasse ich mich auch nur sehr, sehr ungern vererben.
Grundsätzlich mag ich lieber Jüngere und mir liegen Frauen mehr als Männer, darum befalle ich Frauen doppelt so oft. In jüngster Zeit finde ich auch immer häufiger Gefallen an Jugendlichen und sogar Kindern. Meine bevorzugte Heimat sind die gemässigten Klimazonen; ich mags eher kühl. Speziell wohl fühle ich mich in Skandinavien, wohingegen mir die Hitze des Südens absolut nicht behagt. Auch Japan ist mir nicht sympathisch.
Ach, es gibt so viel von mir zu erzählen! Dauernd entdecke ich selbst neue Seiten an mir. Was Wunder, kriegt man mich nicht zu fassen. Die Ärzte rücken mir neuerdings mit Interferonen zu Leibe. Schmeckt scheusslich! Drum lass ich mich bei den Menschen, die solches Zeugs spritzen, weniger oft blicken. Oder lass mal das Piesacken ganz sein. Aber wirklich sicher vor mir machen die Chemiekeulen auch nicht - kommt ganz auf meine Tagesform an.
(geschrieben von Gotvanilla)
Gruss Willi
Dafür braucht man keine Kollegen, dafür reicht schon die liebe Familie. Gleich nach der Diagnose kriegt man ein “Es gibt Schlimmeres” reingesemmelt. Man darf sich auch anhören: “Ach was, damit kann man 100 werden!”, oder: “Das macht doch nichts, dafür gibt’s heute doch Medikamente!” oder (wenn man nicht mehr Auto fahren und nicht mehr die Wohnung verlassen kann): “Da versäumst du nichts, wir gehen auch nicht mehr aus.” Wenn sie den Faltrolli ins Auto laden und mitnehmen sollen: “Wenn das man bloß keine Katzer in den Lack gibt!” Beim Verladen des Faltrollis: “Warum hast du so einen zentnerschweren genommen?” (Es war der leichteste lieferbare Faltrolli). “Da hebt man sich ja einen Bruch!” Wenn man Essen gehen will: “Da kannst du nicht mit, das ist nichts für Behinderte. Was würden da die Pächter sagen. Denen können wir das nicht zumuten, wir sind da doch gute Kunden. Die wollen keine Behinderten. Der Anblick von Krüppeln zieht einen so runter, da vergeht den Gästen der Appetit.” - Wer solche Verwandte hat, braucht keine Kollegen mehr.
ist der letzte Ausspruch deiner Verwandten wirklich die Wahrheit??? Das ist ja der Hammer. Da fehlen mir doch echt die Worte. Solche Verwandtschaft kann man echt nicht gebrauchen…
Hallo, ich bin auch berufstätig. Mein direkter Kollege in der Abtlg. klagt sehr, wenn ich krank bin oder auch wenn ich mittags gehe “Du hast es gut” - oder “Frau xy hat Urlaub und ich habe so viel zu tun…” - dies immer schön laut vor versammelter Mannschaft!!Natürlich - soll ja jeder hören wieviel er arbeitet und ich nicht. - Ich arbeite seit seit 2 Jahren nur noch 1/2-tags und gehe mittags. Ich bekomme aber auch nur ein 1/2 Gehalt. Also alles legitim! Ich bin keine Verbrecherin! Wenn mein Kollege eine Grippe oder einen Schnupfen hat, bleibt er auch zuhause. -
Ich habe mir angewöhnt schlagfertiger zu sein “Willst Du mit mir tauschen”. Was für mich aber am wichtigsten ist: Ich erwarte gar nicht mehr, dass meine Kollegen sich für mich interessieren und genieße meine “Ruhe” - die Arbeit ist nicht der Ort der LIebe! Sondern nur Dein Arbeitsplatz. - Verständnis, Rücksicht, Mitfühlen etc. das “genieße” ich nur noch von Leuten, die mir nahe und wichtig sind.
Halt die Ohren steif - denk in stressigen MOmentn lieber an was schönes und geh gut mit Dir um! Niemand wird Dir ein Denkmal setzen!
LG Manu
Hallo Manu,
das ist die richtige Einstellung!!
Ich wünsche mir, meine Schwester hätte auch wenigstens ein stückweit so gedacht. Nur um ja nicht aufzufallen oder womöglich als “krank” zu gelten hat sie geschuftet bis zum Umfallen und hat ihre MS schlichtweg ignoriert und mit eisernem Willen niedergedrückt. Sie hat auch nie erwähnt, dass sie MS hat. Angesprochen auf ihr Hinken “hatte sie etwas am Fuss”, oder bei einem Schub hatte sie “Grippe”. (Die allerdings dann schon mal vier Wochen dauerte…)
Als die Behinderungen deutlich sichtbarer wurden, hatte sie eine “Nervenentzündung, die aber behandelt wird und wieder weggeht”.
Sie sagte mir mal, als MS-Kranker musst du 200% geben, um so wie die anderen 100% Leistung zu bringen. Du musst deinen Körper zwingen und zur Not vergewaltigen.
Ich hab damals schon zu ihr gesagt, dass sie sich kaputt macht. Aber ich hatte dann nur “keinen Ehrgeiz”. Eine Meinung, die übrigens auch mein Schwager hatte und der auf die hart errungene Arbeitsleistung seiner Frau “die der MS so trotzt” stolz war.
Ich war nur die dumme Schwägerin, die sich an ihrer Stelle einen faulen Lenz gemacht
hätte…
Sie zwang sich noch zum Gehen, als sie schon fast nicht mehr gehen konnte und trank einfach nichts mehr, um den Weg zur Toilette zu sparen.
Sie ging nie zur Reha, gönnte sich keine Auszeit.
Innerhalb von drei Jahren war dann von Vollzeitarbeit Rollstuhl und Rente angesagt. Wobei sie bei der für den Rentenantrag erforderlichen Reha angab “Selbstversorger” zu sein, der sie schon nicht mehr war. Mit dem Erfolg, dass sie völlig gebrochen und fix und fertig zurück kam. Nur ein Beispiel: Sie konnte nicht mehr alleine zur Toilette, hat das aber nicht eingesehen und lag dann 1 Std mit heruntergelassenen Hosen auf dem kalten Boden bis Hilfe kam etc. etc etc
Deshalb war natürlich auch die Klinik “Scheisse” und hat überhaupt nichts gebracht…
Ich möchte absolut nicht behaupten, dass es ihr heute so schlecht geht (EDSS 9), weil sie sich so schlecht behandelt hat, aber irgendwie lässt der Gedanke mich einfach nicht los.
Sorry, das war jetzt nicht so ganz das Thema.
Ich hab mich einfach gefreut, dass es MS-Kranke gibt, die sich “trotzdem” lieb haben und gut zu sich sind…
Lieber Gruss und alles Gute
Gabi
Liebe Gabi,
danke für Deine Antwort! Auch ich habe mich darüber sehr gefreut. Ich habe auch zwei Schwestern - und ich bin froh darum! Es ist sicherlich auch für die Angehörigen schwierig mit der Erkrankung umzugehen. Ich habe es so gehalten: Ich habe meinen Mann, meinen Sohn (erwachsen!), meine beste Freundin und alle Bekannten informiert! Ich habe ihnen gesagt, dass ich für mich sorgen werde, dass ich nicht zu schnell aufgebe, aber dass ich mich auch nicht verausgabe - nur für einen Beruf! Ich möchte kein “Mitleid” oder traurige Blicke - ich lebe! Ich weiß was ich tun muss, damit es mir einigermaßen gut geht. Ich setze Pläne und Träume trotzdem um! Vielleicht anders - aber ich setze sie um! Ich reise, arbeite, wandere, koche gerne, mache Yoga - so lange wie es geht! Natürlich macht es mich auch traurig, wenn ich merke (wie im Moment: aktueller Schub - Beinprobleme!) es geht nicht so gut - aber ich behalte immer wieder die Hoffnung, dass es einigermaßen weitergeht. Notfalls im Rollstuhl. Aber selbst dann - davon bin ich einfach überzeugt - werde ich versuchen, da wieder herauszukommen!
Ich war einmal in Reha und habe gerade einen Antrag für die 2. Reha laufen (Erhaltung der ARbeitskraft heißt es offiziell! - Aber eigentlich möchte ich meine Lebensqualität erhalten oder einigermaßen erhalten!). Ich habe jede einzelne Anwendung genossen! Für jeden Moment war ich dankbar - für die Aufmerksamkeit, für die Freundlichkeit und das Interesse an mir und meiner Krankheit! Und ich freue mich und hoffe, dass die 2. Reha genehmigt wird.
Bei Deiner Schwester denke ich so, vielleicht ist es nicht “nur” die MS mit der sie auf “Kriegsfuß” steht! Lass Sie! Signalisiere aber “ich bin für Dich da, wenn Du mich brauchst - ich denke an Dich!”.
Sei ganz herzlich gegrüßt - Manu (45).