Hallo,

vor ca. zweieinhalb Jahren hatte ich das Glück, einen unbefristeten Arbeitsvertrag in einem städtischen Betrieb zu erhalten. Im Rahmen meiner Einstellung wurde eine ärztliche Untersuchung vorgenommen, die ich erfolgreich absolvierte, verschwieg dabei aber, daß bei mir 1996 im Rahmen eines Klinikaufenthaltes die chronische Erkrankung MS (Multiple Sklerose) diagnostiziert wurde. Dieses gab ich auch nicht auf dem ausszufüllenden und unterschriftspflichtigen werksärztlichen Formular an. Da ich bis jetzt mehrere Jahre weitgehend beschwerdefrei war, sah ich auch keinerlei Veranlassung dazu, zumal ich mich für arbeitsfähig halte und nicht ‘kranker’ machen will, als ich die meiste Zeit tatsächlich bin. Trotzdem kam es, offenbar durch diese Erkrankung bedingt, in den letzen beiden Jahren zu längeren Ausfällen von ca. 10 oder mehr Arbeitstagen. Nun würde ich das gerne in irgendeiner Form “offiziell” machen, z.B. durch Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, da ich in meinem Job keine Lust auf ein dauerhaftes Versteckspiel habe. Anbei meine Fragen:
1.) Wieviel Prozent Schwerbehinderungsgrad steht mir bei MS mindestens zu?
2.) Was muß ich bei Antragstellung beachten?
3.) Habe ich im Job überhaupt Vorteile durch solch einen Ausweis oder eher im Gegenteill?
4.) Sollte ich beim Arbeitgeber einen Schwerbehindertenausweis einreichen können, kann der Arbeitgeber die explizite Nennung der Krankheit / Diagnose bzw. den Zeitpunkt der Feststellung (in dem Fall ja vor der Einstellung) verlangen, zumal er ja 2003 schriftlich von mir bestätigt bekommen hatte, daß ich an keinerlei schweren chronischen Erkrankungen leide, oder zählt nur das Datum der Ausstellung des Schwerbindertenausweises (falls dieses auf dem Ausweis angegeben ist?) Wie ist hier die rechtliche Lage?
4.) Muß ich solch einen Ausweis beim Arbeitgeber einreichen, sobald ich ihn einmal habe?

Vielen Dank im voraus und mit freundlichen Grüßen

Hallo Bernd,
“1.) Wieviel Prozent Schwerbehinderungsgrad steht mir bei MS mindestens zu?”
Dazu gibts keine generelle Aussage - je besser Dein Neuro es begründen kann, desto mehr Prozente. Ich hatte das Glück, daß ich sofort 50% erhalten habe, obwohl man mir nichts anmerkt und ich wg. MS noch nie im Krankenhaus war. Viele kriegen mit knapper Not (denen gehts deutlich schlechter) 30%,
“2.) Was muß ich bei Antragstellung beachten?”
Unsere Schwerbehinderten-Vertreterin hatte mir empfohlen, keine Romane zu schreiben und nur die aktuellen Ärzte angeben. Hab als Antragsgrund nur MS angegeben (ohne irgendwas auszuführen) und meinen Hausarzt und meine aktuelle Neuro, von allem andern hab ich nur Berichte beigelegt. Ansonsten nach dem Bescheid mußt Du innerhalb von 4 Wochen Widerspruch einlegen, wenn Du nicht einverstanden bist.
“3.) Habe ich im Job überhaupt Vorteile durch solch einen Ausweis oder eher im Gegenteill?”
Kommt drauf an, wenn Du noch öfter wechseln willst, erst recht neu bei der Firma bist oder richtig Karriere machen willst, ist es wohl eher hinderlich. Ansonsten, Du bist zwar nicht unkündbar, aber es wird erschwert, ab 50% 5 Tage mehr Urlaub und einen Steuerfreibetrag (nicht die Welt, aber ganz ok). Heute wichtiger denn je, zumindest nach dem jetzigen Stand - man kann früher mit wesentlich weniger Abzügen in Rente gehen.
“4.) Sollte ich beim Arbeitgeber einen Schwerbehindertenausweis einreichen können”
Dem Arbeitgeber mußt Du nur den Staus als Schwerbehinderter und die Art der Anerkennung - also Prozentzahl und falls vorhanden z.B. “G” als zusätzliche Kennzeichnung. Weder was Du hast, noch seit wann es bekannt ist. In meiner Firma gibts einige, die eine anerkannte Behinderung haben, aber nicht mal die Schwerbehinderten-Vertrauensfrau weiß, was sie haben. Einzig der Tag der Ausstellung zählt und die Befristung. In der Regel sind sie befristet (ist natürlich zum Teil völlig schwachsinnig) - bei mir z.B. auf 5 Jahre. Der Arbeitgeber erhält nur eine Kopie des Ausweises und dasteht nichts drauf.
“4.) Muß ich solch einen Ausweis beim Arbeitgeber einreichen, sobald ich ihn einmal habe?” Da muß ich passen, da mir nur Schwerbehinderten-Ausweis-Inhaber bekannt sind, die auch die Vorteile beim Arbeitgeber nützen wollen. (ich glaube erst bei drohender Kündigung aus der Tasche ziehen gilt nicht).
Mein Hauptgrund obwohl ich mich wirklich nicht krank fühle einen zu beantragen war, lieber wollte ich den Papierkram erledigen solange es mir gut geht, wenns mich MS-technisch mal richtig erwischt, hab ich vielleicht ganz andere Sorgen. Vielleicht ist da anz gut schon vorgebaut zu haben. Viele Grüße und alles Gute Andrea

4.) Muß ich solch einen Ausweis beim Arbeitgeber einreichen, sobald ich ihn einmal habe?
Ich glaube ja: Es gibt eine Verpflichtung für Arbeitgeber einen bestimmten Prozentsatz an Behinderten zu beschäftigen. Insofern hat der Arbeitgeber natürlich ein Interesse daran zu erfahren, ob er die Quote bereits erfüllt. In jedem Fall solltest Du Dich auch an den VDK wenden (www.vdk.de). Als Mitglied hast Du dort sogar die Möglichkeit, Dich kostenfrei von Experten sozial- und arbeitsrechtlich beraten und auch vertreten zu lassen. Die sind wirklich klasse: Mir haben sie geholfen, meine zuerkannten 30% auf 50% zu heben.