Natürlicher Verlauf der Multiplen Sklerose: Risikofaktoren und Prognose

17.08.2007

Es ist immer noch nicht möglich, bei einem individuellen Patienten, den voraussichtlichen Verlauf seiner MS vorherzusagen.
Eine Übersichtsarbeit aus Frankreich nähert sich diesem Thema.

Die Entstehung bzw. der Verlauf einer MS ist inzwischen auf der Ebene definierter Patientengruppen schon recht gut verstanden: Die Ausprägung von Schüben in der frühen Erkrankungsphase sowie der Beginn der progredienten Phase der Erkrankung scheinen die zuverlässigsten Vorhersagefaktoren zu sein.

Neuere Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass die progrediente Phase bei der MS ein altersabhängiger degenerativer Prozess ist, unabhängig von vorangegangenen Schüben, und dass der Verlauf zu Beginn der MS keinen Einfluss auf das Alter hat, in dem ein bestimmter Grad der Behinderung eintreten wird.
Im Gegenteil - ein jüngeres Alter bei Krankheitsbeginn steht in engem Zusammenhang mit dem Eintritt bestimmter Behinderungsgrade auch in einem früheren Lebensalter. Dieses wird durch die Tatsache bestätigt, dass es, auch wenn es bei jungen Patienten länger bis zu einem bestimmten Behinderungsgrad dauert, sie doch vergleichsweise früher behindert sind als das bei Patienten mit späterem Krankheitsbeginn der Fall ist.

Nach Meinung der Wissenschaftler ist die Multiple Sklerose eher als eine Krankheit mit unterschiedlichen klinischen Formen zu sehen und nicht als ein Überbegriff für mehrere unterschiedliche Erkrankungen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Verlauf und die Prognose vermutlich vom Alter und vom Beginn der sekundär-progredienten Phase der Erkrankung abhängig sind und weniger von Schüben oder anderen klinischen Parametern. Eine Prognose für den Verlauf bei einem individuellen Patienten bleibt jedoch riskant.

Quelle: Vukusic S, Confavreux C.
Natural history of multiple sclerosis: risk factors and prognostic indicators.; Curr Opin Neurol. 2007 Jun;20(3):269-74.

Redaktion: DMSG, Bundesverband e.V. - 17. August 2007

LG von Lupo

<i>ein jüngeres Alter bei Krankheitsbeginn steht in engem Zusammenhang mit dem Eintritt bestimmter Behinderungsgrade auch in einem früheren Lebensalter. Dieses wird durch die Tatsache bestätigt, dass es, auch wenn es bei jungen Patienten länger bis zu einem bestimmten Behinderungsgrad dauert, sie doch vergleichsweise früher behindert sind </i>

au weiha! Das wird W.W. mit seinen “Prognoseregeln” aber gar nicht freuen!!!
LG Chris

Warum wird eigentlich nie der subjektive Stressverlauf erhoben? Die Lebensumstände, die Ernährung? - Das kann doch nicht so schwer sein… und haben nicht viele die Erfahrung gemacht, dass Schübe auf Stress folgten?

Ich sehe nicht, dass die Studie den Prognoseregeln von Weihe zuwiderlaufen würde, die ich vor einiger Zeit mal im Forum zitiert hatte: siehe <a href=“http://www.amsel.de/foren/index.php?kategorie=msforen&kategorie2=forum&tnr=1&mnr=15225&beitragnr=15266&aktpos_nav=0&thread_aktpos_nav=0&thread_showtheme=15225”>http://www.amsel.de/foren/index.php?kategorie=msforen&kategorie2=forum&tnr=1&mnr=15225&beitragnr=15266&aktpos_nav=0&thread_aktpos_nav=0&thread_showtheme=15225</a>. Zwar wird betont, dass ein jüngeres Alter bei Eintritt der MS eher schlecht ist: “A younger age at MS onset should therefore no longer be considered as a good prognostic factor.” Aber Weihe behauptet auch gar nicht das Gegenteil in seinen Prognoseregeln. Auch sonst sehe ich nichts konkret Widersprechendes zwischen Studie und Prognoseregeln.

Der Clou bei der Studie ist, dass sie wirklich viele Probanden-Daten auswertet, mehrere Studien einbezieht, die jeweils über 1000 Probanden untersuchten. Insgesamt sind es wohl gut 5000 untersuchte MSler. Und im Durchschnitt dieser Masse zeigt sich, dass die Zeit seit Beginn der Krankheit das beste Prognosekriterium ist. Und dank dieser Masse an einbezogenen Probanden ist dieses Ergebnis auch ziemlich überzeugend.

Das heißt aber dennoch nichts für den individuellen Verlauf, wie in der Studie selbst betont wird:
“All of these data are of course applicable only at the population level. It is a challenge now to develop individually predictive tools. Bergamaschi et al. [26•] very recently proposed an individual and simple clinical score that could be useful to detect patients likely to have a long-term bad prognosis. However, this score has to be validated on another set of patients to evaluate its predictive potential before it can be used in daily practice.”

Da also die individuelle Prognose auch nach der Feststellung, dass die Zeit der im Durchschnitt wesentliche Faktor ist, ein offenes Problem bleibt, interessiert vielleicht eine gerade in Radiology erschienene Studie, die einen signifikanten, wenn auch zahlenmäßig nicht besonders hohen Zusammenhang (“modest”) zwischen T1-gewichteten Läsionen und individueller Prognose herstellen. Abstract hier: <a href=“http://radiology.rsnajnls.org/cgi/content/abstract/244/3/823”>http://radiology.rsnajnls.org/cgi/content/abstract/244/3/823</a>
Recht ausführlicher Bericht bei HealthScout hier: <a href=“http://www.healthscout.com/news/1/607646/main.html”>http://www.healthscout.com/news/1/607646/main.html</a>