Wenn sich Ärzte und Ärztinnen nur Monate von KI-Technik bei Koloskopien unterstützen lassen, sinkt ihre Erfolgsrate bei der Suche nach Hinweisen auf Krebs
Ärzte und Ärztinnen, die von KI-Technik bei der Suche nach Geschwulsten unterstützt werden, die auf eine Krebserkrankung hinweisen, arbeiten schon nach wenigen Monaten deutlich weniger erfolgreich als vor dem Rückgriff auf die Technik. Das hat eine jetzt vorgestellte Studie aus Polen ergeben, deren Verantwortliche deshalb dafür plädieren, die Folgen der Einführung von KI-Unterstützung “sorgfältig zu prüfen”. Die Verantwortlichen sprechen von “Deskilling”, also dem Verlust an Kompetenz (“Skill”). Gefunden wurde der Effekt bei Medizinern, die über viel Erfahrung verfügen, bei Neulingen könnte er deshalb noch größer ausfallen. Ein beteiligter Forscher meint außerdem, dass der Effekt mit zunehmender Leistungsfähigkeit von KI zunehmen könnte.
Noch viele Fragen offen
Für die Studie wurde an vier Endoskopie-Zentren in Polen die Erfolgsrate von Koloskopien bei der Suche nach Geschwulsten, die auf eine Krebserkrankung hindeuten können, ermittelt. Das wurde einmal vor der Durchführung eines Tests zur KI-Unterstützung dieser Arbeit und einmal danach gemacht. Nachdem die erfahrenen Mediziner in dessen Rahmen die KI-Hilfe in Anspruch genommen haben, ist ihre Erfolgsrate bei der Erkennung von Adenomen “signifikant” gesunken, heißt es in der Arbeit. Der Unterschied hat demnach mehr als 20 Prozent ausgemacht. Das lege einen “negativen Einfluss” der KI-gestützten Koloskopie auf das Verhalten der Endoskopiker nahe, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin The Lancet Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht wurde.
Die Studie sei der erste klinische Nachweis des Effekts von Deskilling im echten Klinikalltag, erläutert Omer Ahmad vom University College London in einem Kommentar, der der Veröffentlichung beigefügt wurde. Die deute zudem darauf hin, dass frühere Studien zur Leistungsfähigkeit von KI-Technik in der Medizin bereits durch diesen Effekt verfälscht wurden. Ermittelt werden müsse jetzt, ob der Effekt generell auftritt und ob er umkehrbar ist. Dass KI in der Lage sei, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Menschen subtil zu verändern, “macht diese revolutionäre Technologie zu etwas ganz Besonderem”. Auch wenn die Technik weiterhin großes Potenzial habe, müsse man sich gegen “die leise Erosion” fundamentaler Fähigkeiten wappnen.