In der Schweiz starten Phase 1b und Phase 2a Studien zur Entwicklung eines neuartigen MS-Medikaments, das einen völlig neuen Therapieansatz verfolgt. Dem Immunsystem von MS-Erkrankten werden in Milz und Leber manipulierte Eigenblutzellen (Lymphozyten) präsentiert, mit Peptiden gekoppelt, die die wichtigsten Zielantigene bei MS darstellen. Dies soll die Fehlinformation im Immunsystem korrigieren, durch die der Körper Gehirn- und Rückenmarksgewebe angreift.

Gelingt eine dauerhafte Korrektur, wäre die MS tatsächlich beendet bzw. geheilt. Gelingt die Korrektur nur vorübergehend, könnte zumindest eine Therapie herauskommen, die MS möglicherweise erstmals zu 100 % unterdrückt, wenn man die Behandlung in regelmäßigen Intervallen wiederholt. Selbstverständlich kann auch überhaupt nichts Brauchbares dabei herauskommen. Es sieht aber bisher recht vielversprechend aus. Geforscht wird an dem neuen Therapieansatz in der Schweiz bereits mehr als 30 Jahre. 2013 wurde eine erste klinische Studie präsentiert, die nachgewiesen haben will, dass das Prinzip grundsätzlich funktioniert. Siehe erster Link.

Nun soll die Therapie mit dem extra dafür gegründeten Unternehmen Cellerys und in Kooperation mit Novartis entwickelt werden. Siehe zweiter Link.

Zitat aus Link 1 (Artikel von 2013):
“Aus dem Blut der MS-Patienten werden über ein spezielles Aufbereitungsverfahren (Leukozytapherese) weiße Blutkörperchen, die Leukozyten, entnommen. Anschließend werden die Zellen in einem Reinlabor unter sehr hohen Sicherheitsauflagen weiterverarbeitet. Der wichtigste Schritt dabei ist, dass sieben Peptide, also kurze Eiweiße, an die Oberfläche der Zellen gekoppelt werden. Sie sind Bestandteil der Myelinscheide. „Genau diese Peptide werden vom Immunsystem der MS-Patienten fälschlicherweise als fremd erkannt, obwohl sie ein wichtiger Bestandteil des eigenen Nervensystems sind“, erklärt Martin. Nach mehreren Wasch- und Kontrollschritten werden die veränderten Leukozyten den Patienten noch am selben Tag als Infusion wieder verabreicht. „Was dann im Körper der Patienten passiert, ist erstaunlich: Das Immunsystem wird regelrecht ausgetrickst“, sagt Martin. Die veränderten Leukozyten sterben durch programmierten Zelltod. Nach gegenwärtigem Wissen werden die toten Leukozyten in die Milz transportiert. Dort werden ihre Bestandteile – und damit auch die sieben Myelinpeptide – dem Immunsystem präsentiert. Es entwickelt sich Immuntoleranz, d. h., den T-Zellen wird „beigebracht“, diese Myelinpeptide nicht als fremd, sondern als körpereigen zu erkennen. „Unser Verfahren nutzt damit einen sehr natürlichen Mechanismus aus, mit dem unser Körper gewährleistet, dass wir gegen die täglich in großen Mengen absterbenden eigenen Zellen keine Immunantwort und damit keine Autoimmunantwort ausbilden“, erklärt Martin.”

Mittlerweile ist man bei 12 Peptiden angelangt, die als MS-Zielantigene adressiert werden (siehe Artikel aus 2024).

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Danke fürs finden. Hab vor langer Zeit schonmal was drüber gelesen, vor der Diagnose.

Das wäre die erste Nobelpreisverleihung, zu der ich anreise.

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Tja. Wenn der Roland Martin seine Neuroimmunologie Professur am Unispital Zürich dafür aufgibt, um dort CSO zu werden, dann muss die Idee ja nicht schlecht sein. Die Mit-Gründerin Sospedra war bei der Publikation aus 2021, die dem Konzept zugrunde liegt, aber zunächst etwas vorsichtiger im Anspruch. Da steht in der Diskussion:

“… Unsere Beobachtungen zeigen einen Zusammenhang zwischen der Autoantigen-Reaktivität und Merkmalen der Krankheitsheterogenität, was eine wichtige Rolle der T-Zell-Spezifität bei der MS-Pathogenese untermauert. Diese Daten haben das Potenzial, die Klassifizierung von Patienten in der klinischen Praxis zu verbessern und die Entwicklung antigenspezifischer Tolerierungsstrategien zu unterstützen.”

Bis zum wirklichen Durchbruch wird’s wohl dauern. Aber vielleicht stimmt diesmal ja die Richtung… und Geld ohne Ende von Novartis hilft sicherlich auch…

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Naja das wäre ja toll, aber schon entstandene Schäden können damit auch nicht wieder repariert werden…oder?

Wie üblich. Ist MS heilbar gibt es einfach hohe finanzielle einbusen…
Totes Gewebe wieder lebendig machen….

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Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Man muß sich auch getrauen zu hoffen.
Finde ich persönlich netter… und passt zu meinem Realismus :dog:

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Das erinnert mich sehr an die ETIMS-Studien, die vor etlichen Jahren (ca. 2008 ff) am UKE in Hamburg gelaufen sind (mit Prof. Roland Martin und Prof. Christoph Heesen). Die Phase-I-Studie wurde erfolgreich abgeschlossen, dann konnte es aber nicht weitergehen, weil die Finanzierung ungesichert war, die Pharma hatte kein Interesse (dazu gab es sogar einen kleinen Beitrag im NDR-Fernsehen). Kurz darauf ist Prof. Martin nach Zürich gewechselt und hat Studien und Forschungsansatz mitgenommen, soweit meine Erinnerung.

Wird mit den neuen Forschungen dieser alte Ansatz wieder aufgenommen und weitergeführt? Oder gibt es da grundsätzliche Unterschiede?

Ich kann es nicht beurteilen und auch die verlinkten Texte kaum lesen, weil meine Medizin-Kenntnisse nach wie vor dürftig sind.

ETIMS = Establish Tolerance in MS

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Ja, so war das damals. Prof. Martin ist mit einem Teil des Teams vom UKE nach Zürich gegangen.

Das müsste der Ansatz sein, weil dafür auch Patente angemeldet worden sind.

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Die RED4MS-Studie

RED4MS ist eine klinische Studie zur Bewertung der Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von CLS12311 bei Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS). CLS12311 besteht aus autologen roten Blutkörperchen (RBCs), die chemisch mit antigenen Peptiden gekoppelt sind, und zielt darauf ab, RRMS durch die Induktion einer antigenspezifischen Immuntoleranz zu behandeln.

Die RED4MS-Studie ist als Kombination einer Phase-Ib-Studie (Teil A) und einer Phase-IIa-Studie (Teil B) konzipiert.

Teil A ist eine offene Dosissteigerungsstudie mit neun RRMS-Patienten in drei aufsteigenden Dosisgruppen. Der erste Patient (Sentinel) jeder Dosisgruppe erhält einen Therapiezyklus, die übrigen Patienten zwei Behandlungszyklen.

Teil B ist eine randomisierte, dosisblinde Baseline-zu-Behandlung-Studie zur Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit dreier verschiedener Dosierungen von CLS12311. In der Baseline-Phase werden insgesamt 45 Patienten mit aktiver Erkrankung im Magnetresonanztomogramm (MRT) für die Behandlungsphase ausgewählt und im Verhältnis 1:1:1 einer von drei Dosierungsgruppen zugeteilt. Jeder Patient erhält zwei Therapiezyklen.

Die roten Blutkörperchen der Patienten werden ex vivo mit zwölf Peptiden gekoppelt, die die wichtigsten Zielantigene bei MS darstellen. Nach der Reinfusion sterben die gekoppelten Blutkörperchen auf natürliche Weise ab und werden dem Immunsystem in Leber und Milz tolerogen präsentiert. Die Immuntoleranz wird wiederhergestellt, indem die fehlgeleitete Autoimmunreaktion korrigiert und der Körper daran gehindert wird, sein eigenes Gehirn- und Rückenmarksgewebe anzugreifen. Dieser Prozess beeinträchtigt die normalen Immunschutzfunktionen nicht.

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Es sind die “alten” Forschungen. Professor Martin wechselte 2012 nach Zürich, wo seither kontinuierlich weitergeforscht wird (daher ist man mittlerweile auch bei 12 Ziel-Antigenen angelangt, 2012 waren es noch 7). Steht alles bereits im eingangs verlinkten Artikel aus 2013.

“Der Neurologe arbeitete bis 2012 an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Anschließend wechselte er mit einem Teil seines Teams ans Universitätsspital Zürich, wo er seither die Abteilung Neuroimmunologie und Multiple-Sklerose-Forschung an der Neurologischen Klinik leitet.”

Cellerys ist eine Ausgliederung aus dem ehemaligen Uniklinik-Projekt, wie das i. d. R. gemacht wird, wenn anhand vielversprechender Ergebnisse aus freier bzw. staatlicher Forschung marktreife, kommerzielle Produkte entwickelt werden sollen. Big Pharma kann sich dem nicht entziehen. Wenn sie jetzt nicht investieren, tun es andere und machen am Ende potentiell ein riesen Geschäft. Daher ist nun auch Novartis eingestiegen, bevor es andere tun.

Eine mögliche Heilung der MS kann nicht durch Pharmaunternehmen verhindert werden, die heute ein Patientenleben lang mit MS-Immuntherapien Geld verdienen, weil es in der freien Marktwirtschaft immer Risikokapitalgeber gibt, die in “The Next Big Thing” wie eine mögliche Heilung der MS investieren. Investoren können auch Pharmafirmen sein, die mit MS bisher noch überhaupt kein Geld verdienen, also Konkurrenten von Roche, Novartis, Biogen und co. Ab einem gewissen Punkt investieren daher auch große, bereits mit MS-Immuntherapien Geld verdienende Pharmaunternehmen in Projekte wie das von Cellerys, um ggf. selbst das Geschäft mit einem möglichen Endprodukt zu machen, ehe es andere tun.

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Uijuijui das klingt für mich aber schon nach Traumvorstellung…

Die sogenannten Risikokapitalgeber geben ihr Kapital ja für hoffentlich Ertragreiche Forschung aus, wer ein MS-heilendes Medikament auf den Markt bringt, macht nicht nur Alle vorherigen Therapien sondern auch sein eigenes Medikament unnütz, sobald alle Erkrankten geheilt sind, weil mit den paar Neuerkrankungen pro Jahr wohl kaum eine Gewinnmaximierung möglich sein wird in meinen Augen, das sollte man immer im Hinterkopf behalten.

Niemand gibt völlig altruistisch sein Geld für die Heilung von Menschen her, wenn nicht eine ordentliche Marge dabei rausspringt…

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„Alter Ansatz“ ist treffend formuliert. Es gibt gute Publikationen zum Thema aus den 80ern und sogar aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Man könnte die verschiedenen Vorgehensweisen nun bewerten und dann erörtern, ob der aktuelle Ansatz überhaupt nützliche Ergebnisse bringen wird wenn Zeit dafür wäre…

Wie dem auch sei, „der Weg ist das Ziel“. Wir wünschen ihm viel Erfolg zumal er auf einer persönlichen Ebene sehr sympathisch ist.

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Ja, es bleibt wie immer spannend…

Den hat er doch. Er hat ausgesorgt - für immer.

Novartis steuert jetzt. Und denen geht es nicht um Heilung sondern um Märkte und Business.

Ich bin gespannt, was da rauskommt.
Die ganze Story bei cellery erinnert mich 1/1 an die vom Selleriesaftmann.

LG Sunny :sunny:

Naja vielleicht schaffen sie es ja, ein Medikament zu entwickelt, was immer nur für einen kurzen Zeitraum heilt, um dann die neue nötige Dosis zu verkaufen… Jahr für Jahr für Jahr :slight_smile:

Nein, tun sie nicht.

Im Gegenteil, das ist ganz rational, emotionslos, realistisch. Es hat seine Gründe, weshalb Novartis nun bei Cellerys eingestiegen ist. Es geht um’s große Geld und nur um das! Gier hat mitunter auch Vorteile, ist oftmals ein effektiver Antrieb.

Hast du meinen Beitrag gelesen bzw. verstanden? Wer in Cellerys investiert, muss noch überhaupt gar kein Geld mit MS verdienen, macht sich also auch kein bisheriges Geschäft kaputt. Risikokapitalgeber müssen noch nicht mal Pharmaunternehmen sein.

Der Denkansatz “Wird verhindert, weil dann kein Geschäft mehr” ist an der Realität vorbei. Wenn andere die Heilung von MS bringen, verdienen Novartis, Roche, Biogen und co. auch nichts mehr mit ihren Immuntherapien, nur dass dann auch noch andere das Geschäft mit der Heilung machen und nicht Roche, Novartis, Biogen und co. selbst.

Heilung wäre ein Milliardengeschäft, bei über 3 Millionen MS-Betroffenen weltweit. Bei wöchentlich tausendfachen Neudiagnosen bliebe Heilung auch dauerhaft ein gutes Geschäft, jedenfalls so lang keine wirksame Impfung gegen MS kommt.

Der freie Markt ist grundsätzlich nicht aufzuhalten!

Beispiel: Die dt. Automobilindustrie hatte in den 00-er Jahren noch versucht, den Durchbruch der e-Mobility auf breiter Front aufzuhalten, um ihren Know-how-Vorsprung bei Verbrennungsmotoren nicht zu verlieren, insbesondere auf dem größten, weltweiten Absatzmarkt China. Daimler zog sich aus Tesla zurück (deren Tesla-Anteile von damals wären heute mehr als das Zehnfache wert, was der gesamte Daimler-Konzern wert ist) und niemand investierte in eine Ladeinfrastruktur. Was geschah? Es investierten andere, neue Risikokapitalgeber wie u. a. Peter Thiel in Tesla und Tesla in eine eigene Ladeinfrastruktur. Die e-Mobility konnte nicht aufhehalten werden und somit nicht das langfristige Ende des Geschäfts mit Verbrennern. Heute ist Tesla die wertvollste Automobilmarke der Welt und die Investoren verdienten Milliarden. In China bekommen die dt. Hersteller momentan kein Bein mehr auf den Boden. Verbrenner sind dort völlig out und E-Autos kaufen die Chinesen von Tesla und eigenen Unternehmen, da die deutschen E-Autos zu teuer sind und technisch hinterherhinken.

Nokia ging pleite, weil sie die Smartphones verschliefen.

Novartis und Roche verdienen ab dann kein Geld mehr mit B-Zell-Depletion, wenn andere eine Heilung von MS anbieten. Das wissen diese Unternehmen. Big Pharma ist nicht so dumm wie Nokia oder VW.

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Sorry wenn Du von meiner Meinung irritiert bist, oder Dich angegriffen fühlst, weil ich Deine These nicht stütze… und nur weil Du Deine Meinung wiederholst, wird sie in meinen Augen nicht richtiger… ich habe Dich schon von Anfang an richtig verstanden, bin aber absolut nicht Deiner Meinung!

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Für mich klang deine Ausführung so, als hättest du mich nicht verstanden. Daher habe ich meinen Standpunkt nochmal deutlicher ausgeführt, nicht einfach nur wiederholt.

I agree that we disagree.

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