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Wichtige Gesetzesänderungen und Neuregelungen seit 2023

Multiple Sklerose trifft viele Menschen in einem Alter, in dem andere voll durchstarten, beruflich Karriere machen, sich ihre Altersrente aufbauen. Für die meisten MS-Betroffenen bedeutet die Diagnose zwar weiter arbeiten zu können, eventuell geht es aber weniger schnell hoch auf die Karriereleiter. Das äußert sich freilich auch finanziell. Neue Freibeträge und Höchstgrenzen, Zuschüsse und Rechte zur Selbstbestimmung erlauben es auch Menschen mit schmalerem Geldbeutel, ihr Budget zu vergrößern und ihre Teilhabe zu verbessern. together fasst die neuen Regeln seit 2023 zusammen.

Das neue Bürgergeld-Gesetz

Das Bürgergeld ersetzt das bisherige Arbeitslosengeld II und Sozialgeld der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Umsetzung der neuen Regelungen erfolgt in zwei Schritten: zum 1. Januar 2023 und zum 1. Juli 2023.

Welche Regelungen gelten seit 1. Januar 2023?

→ Die Regelsätze wurden je nach Regelbedarfsstufe auf bis zu 502 Euro erhöht.

→ In den ersten 12 Monaten des Bezugs gilt eine sogenannte Karenzzeit. Vermögen muss nur eingesetzt werden, wenn es erheblich ist, d. h. wenn es die Höhe von 40 000 Euro für die erste und 15.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft überschreitet.

→ Nach Ablauf der Karenzzeit gilt ein einheitlicher Freibetrag für Vermögen für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 15 000 Euro

Innerhalb der Karenzzeit werden die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe anerkannt. Dies gilt nicht für die Kosten der Heizung. Diese werden von Anfang an nur im angemessenen Umfang übernommen, da der Gesetzgeber hier auf einen sparsamen Umgang mit Energie hinwirken möchte.

Von Beginn des Leistungsbezugs an sind bei Meldeversäumnissen und Pflichtverletzungen weiterhin Leistungsminderungen möglich. Hier gelten neue Vorgaben.

Bitte beachten: vorrangige Leistungen

→ Für am 31. Dezember 2022 laufende Bewilligungszeiträume oder Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023 beginnen, sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, Wohngeld in Anspruch zu nehmen (Übergangsregelung aus Anlass des Wohngeld-Plus-Gesetzes, § 85 SGB II). Das Jobcenter darf Bürgergeld nicht mit Verweis auf einen möglichen Wohngeldanspruch verweigern.

→ Das Prinzip der Zwangsverrentung wurde vorerst auf Eis gelegt. Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Welche Regelung danach gilt, ist noch offen.

Welche Regelungen gelten seit 1. Juli 2023?

Weiterbildungen und der Erwerb eines Berufsabschlusses stehen zukünftig verstärkt im Vordergrund. Die bisherige vorrangige Vermittlung in Erwerbstätigkeit (der sogenannte Vermittlungsvorrang) ist aufgehoben.

→ Bürgergeldberechtigte erhalten einen Kooperationsplan des Jobcenters für den individuellen Weg in Arbeit. Er soll gemeinsam erarbeitet und in verständlicher Sprache formuliert werden. Der Kooperationsplan enthält keine Rechtsfolgenbelehrung. Die erste Einladung zur Erarbeitung erfolgt unverbindlich und setzt auf die Mitwirkung des Bürgergeldberechtigten. Der Kooperationsplan ersetzt die bisherigen Eingliederungsvereinbarungen. Die Umstellung erfolgt schrittweise bis Ende 2023.

→ Für Weiterbildungen sind neue Angebote und ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich vorgesehen. Für den Erwerb eines Berufsabschlusses ist zukünftig eine 3-jährige Förderung möglich.

→ Neu: Es besteht die Möglichkeit, durch ein professionelles Coaching besser in Arbeit zu finden bzw. eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen.

Es gibt zusätzliche neue Freibeträge und Regelungen zum geschützten Vermögen:

→ Erbschaften zählen nicht mehr zum Einkommen, sondern zum Vermögen.

→ Mutterschaftsgeld wird nicht mehr als Einkommen angerechnet.

→ Erwerbstätigenfreibeträge wurden angehoben, damit sich Arbeit mehr lohnt.

→ Neu: besondere Freibeträge für Ehrenamtliche und für Schüler, Auszubildende und Studenten. Einkommen aus Ferienjobs von Schülern bleibt zusätzlich unberücksichtigt.

Da die Umstellung aller Formulare noch Zeit benötigt, gelten übergangsweise sowohl die Begriffe Bürgergeld als auch Arbeitslosengeld II und Sozialgeld.

Das neue Wohngeld-Plus-Gesetz

Am 1. Januar 2023 trat die Wohngeld-Plus-Reform in Kraft. Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zu den Wohnkosten und unterstützt Menschen mit geringem Einkommen. Die Änderungen im Überblick:

→ Die Höhe des Wohngeldes hat sich im Durchschnitt verdoppelt.

→ Eine neu eingeführte und nach der Anzahl der Personen gestaffelte

Heizkostenpauschale soll bei den Heizkosten entlasten.

→ Durch die Anpassung des Einkommensparameters bei der Anspruchsberechnung und der Berücksichtigung einer Klimakomponente können ab 1. Januar 2023 deutlich mehr Haushalte Wohngeld erhalten als bisher. Haushalte, deren Einkommen die Grenzen für den Wohngeldanspruch bisher überschritten haben, sollten aufgrund der Wohngeldverbesserung ihren Anspruch erneut prüfen lassen.

→ Wer bereits andere Leistungen erhält, in denen die Wohnkosten berücksichtigt sind, hat in der Regel keinen Anspruch. Dazu zählen Empfänger von Leistungen nach SGB II oder SGB XII, Grundleistungen nach dem Asylbewerbergesetz oder Schüler-BAföG, BAföG oder Berufsausbildungshilfe. Wohngeld ist bei einzelnen Leistungen vorrangig zu beantragen (siehe Kasten „Vorrangige Leistungen“).

Bitte beachten: Leistungen erhält man immer erst ab dem Antragsmonat. Wer bereits Wohngeld bezieht, erhält das erhöhte Wohngeld automatisch. Auch wer in einem Alten- oder Pflegeheim wohnt, kann Wohngeld beantragen. Besitzer von selbstgenutztem Wohneigentum wird der Mietzuschuss als sogenannter Lastenzuschuss gewährt. Vermögen wird nur berücksichtigt, wenn es die Höhe von 60.000 Euro für das erste und 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied übersteigt.

Das neue Betreuungsrecht

Das neue Betreuungsrecht soll die Selbstbestimmung betreuter Menschen st.rken und ihre Wünsche In den Mittelpunkt stellen. Eine Betreuung wird nur eingerichtet, wenn andere Hilfen ausgeschöpft sind oder nicht ausreichen. Der Betreuer hat die Angelegenheiten der betreuten Person so wahrzunehmen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten und ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst besorgen kann. Konkrete Änderungen:

→ Die Anforderungen an die vom Betreuer bei Gericht einzureichenden Berichte wurden klarer formuliert, damit die Betreuungsgerichte künftig bessere Anhaltspunkte für die Sichtweise der betreuten Person und einen Einblick in deren persönliche Lebenssituation erhalten.

→ Der Schutz höchstpersönlicher Lebensbereiche betreuter Menschen wurde stärker ausgestaltet. Dies gilt insbesondere für die selbst genutzte Wohnung: Hat der Betreuer künftig die Absicht, selbst genutzten Wohnraum der betreuten Person aufzugeben, hat dieser das unverzüglich dem Betreuungsgericht anzuzeigen. Damit wird ggf. ein Eingreifen des Betreuungsgerichts ermöglicht.

→ Ein Mindeststandard für den Zugang zum Betreuerberuf wurde eingeführt, um die Qualität der beruflichen Betreuung zu verbessern. Alle beruflichen Betreuer werden von der Betreuungsbehörde registriert. Die Registrierung ist zwingende Voraussetzung für die Bestellung als Betreuer durch das Betreuungsgericht und für den Anspruch auf Vergütung. Als beruflicher Betreuer kann sich nur registrieren lassen, wer über die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit und über ausreichende Kenntnisse im Betreuungs- und Unterbringungsrecht, Verfahrensrecht, sowie über Rechtskenntnisse auf dem Gebiet der Personen- und Vermögensvorsorge und sozialen Unterstützungssysteme verfügt. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist nachzuweisen.

→ Ehrenamtliche Betreuer können künftig mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abschließen. Ehrenamtliche ohne persönliche Bindung zum Betreuten dürfen in der Regel nur bestellt werden, wenn sie eine solche Vereinbarung nachweisen. Auch Ehrenamtlichen mit persönlichen Bindungen zum Betreuten sind entsprechende Vereinbarungen mit anerkannten Betreuungsvereinen möglich. Damit sollen ehrenamtlichen Betreuern kompetente Ansprechpartner zur Seite gestellt werden.

Höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner

Folgende Neuregelungen zum Hinzuverdienst gelten seit 1. Januar 2023 mit dem 8. SGB IV – Änderungsgesetz:

Altersrenten können unabhängig von der Höhe des Hinzuverdienstes in voller Höhe bezogen werden. Die bisher geltende Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten wurde aufgehoben.

→ Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung erhöht sich die jährliche Hinzuverdienstgrenze auf rund 17.820 Euro, statt bisher 6.300 Euro. Bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung ergibt sich eine Hinzuverdienstgrenze von rund 35.650 Euro. Weiterhin erfolgt hier die Berechnung individuell und orientiert sich am höchsten beitragspflichtigen Jahreseinkommen der letzten 15 Jahre. Die neuen Hinzuverdienstregelungen gelten für alle Erwerbsminderungsrentner, unabhängig vom Zeitpunkt des Rentenbeginns und werden jährlich dynamisch angepasst.

Bitte beachten: Bei Erwerbsminderungsrenten gilt weiterhin, dass eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nur im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens ausgeübt werden darf, welches Grundlage für die Erwerbsminderungsrente ist. Anderenfalls kann der Anspruch auf die Rente trotz Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen entfallen.

Entlastung für Familien mit Kindern

Änderungen zum 1. Januar 2023:

→ Für jedes Kind gibt es einheitlich monatlich 250 Euro Kindergeld. Für das erste und zweite Kind bedeutet dies eine Erhöhung um je 31 Euro monatlich, für das dritte Kind um 25 Euro. Vom vierten Kind an gab es bisher bereits 250 Euro.

→ Der Kinderfreibetrag erhöht sich auf 6.024 Euro (3012 Euro je Elternteil).

→ Der Kinderzuschlag wurde auf monatlich maximal 250 Euro für jedes zu berücksichtigende Kind erhöht. Eltern mit geringem Einkommen können unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zum Kindergeld den Kinderzuschlag erhalten, wenn dadurch der Bedarf an Bürgergeld bzw. Grundsicherung für Arbeitsuchende vermieden werden kann. Wer den Kinderzuschlag erhält, dem stehen auch Bildungs- und Teilhabeleistungen, wie z. B. das kostenlose Mittagessen in KiTa und Schule oder das Schulbedarfspaket in Höhe von 174 Euro pro Schuljahr etc. – zu. Außerdem ist eine Befreiung von den KiTa-Gebühren möglich. Vermögen wird bei der Berechnung des Kinderzuschlags nur angerechnet, wenn es erheblich ist. Erheblich ist ein Vermögen, wenn es in der Summe 40.000 Euro für die antragstellende Person, sowie je 15.000 Euro für jede weitere in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt.

→ Erweitertes Kinderkrankengeld wurde für 2023 verlängert.

→ Gesetzlich krankenversicherte Eltern können auch 2023 je gesetzlich krankenversichertem Kind für 30 Arbeitstage (Alleinerziehende für 60 Arbeitstage) Kinderkrankengeld beantragen. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch je Elternteil für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für Alleinerziehende für nicht mehr als 130 Arbeitstage.

Bitte beachten: Kinderzuschlag muss bei der Familienkasse gesondert beantragt werden. Rückwirkend ist ein Antrag nicht möglich. Sollten Sie bisher nur knapp keinen Kinderzuschlag erhalten haben, sollten Sie die Voraussetzungen noch einmal überprüfen lassen. Wer bereits vor dem 1.1.2023 Kinderzuschlag erhalten hat, erhält die Erhöhung automatisch ausbezahlt.

Redaktion: AMSEL e.V., 24.07.2023