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Heil- und Hilfsmittelversorgung verbessert

Seit März sind neue Regelungen zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung in Kraft. Was bedeutet das für Multiple Sklerose Erkrankte?

Der Bundestag hat das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) beschlossen. Die Neuregelungen sind seit März in Kraft. Bei Heilmitteln, wie z.B. Krankengymnastik und Ergotherapie, sollen Blankoverordnungen getestet werden. Bei Hilfsmitteln, wie z.B. Rollstühlen oder Inkontinenzhilfen, soll mit der Neuregelung insbesondere die Qualität verbessert werden. Auch Multiple Sklerose Betroffene hatten in der Vergangenheit immer wieder über mangelhafte Qualität und unzureichende Versorgungsangebote geklagt.

Hintergrund für diese qualitativen Mängel war in der Vergangenheit die Möglichkeit der Krankenkassen, Hilfsmittelausschreibungen für einzelne Produkte vorzunehmen. Häufig bekam dann der günstigste Anbieter den Zuschlag, ohne Rücksicht darauf, ob die Produkte auch den qualitativen Anforderungen entsprachen. Patienten mussten dann bei Wahl eines höherwertigen Hilfsmittels den Aufpreis aus eigener Tasche bezahlen. Durch die Neuregelung soll sich dies nun ändern.

Qualität entscheidet

Bei Hilfsmittelausschreibungen der Krankenkassen sollen nicht mehr vorrangig der Preis, sondern vor allem Qualitätskriterien eine zentrale Rolle spielen. Ungerechtfertigten Aufzahlungen soll Einhalt geboten werden. Versicherte sollen die Wahl zwischen verschiedenen aufzahlungsfreien Hilfsmitteln haben, die qualitativ und quantitativ dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen. Für Hilfsmittel mit hohem individuellen Anpassungsbedarf dürfen künftig keine Ausschreibungen mehr vorgenommen werden.

Mehrkosten werden erfasst

Um einen Überblick über die Höhe der von den Versicherten gezahlten Mehrkosten bei der Hilfsmittelversorgung zu erhalten, werden die Leistungserbringer dazu verpflichtet, bei der Abrechnung den Krankenkassen auch die Höhe der mit den Versicherten vereinbarten Mehrkosten anzugeben. Aus den so ermittelten Zahlen können Rückschlüsse gezogen werden, ob eine ausreichend qualitative Versorgung mit den einzelnen Produkten gewährleistet ist oder nicht. Zudem können regionale und kassenspezifische Auffälligkeiten erkannt werden.

Hilfsmittellieferanten werden überprüft

In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Schwierigkeiten, weil Hilfsmittellieferanten regelmäßig benötigte Hilfsmittel, wie z.B. Inkontinenzhilfen, nicht rechtzeitig oder in zu geringer Zahl geliefert haben. Auch dies soll zukünftig vermieden werden. Die Krankenkassen müssen in Zukunft die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Pflichten der Leistungserbringer durch Stichprobenprüfungen kontrollieren. Falls weiterhin Probleme auftreten, sollten die betroffenen Personen ihre Kasse umgehend darüber informieren.

Beratung und Transparenz der Hilfsmittelversorgung werden verbessert.
Die Leistungserbringer müssen Versicherten zukünftig über geeignete Hilfsmittel und die Regelleistungen der Krankenkassen beraten. Die Kassen werden zu einer verbesserten Beratung über die Rechte der Versicherten bei der Hilfsmittelversorgung verpflichtet. Zudem müssen sie über die von ihnen abgeschlossenen Verträge im Internet informieren. Versicherte können so die Hilfsmittelangebote verschiedener Krankenkassen vergleichen.

Leistungsanspruch auf Brillengläser wird ausgeweitet

Der Leistungsanspruch auf Brillengläser wird erweitert: Künftig haben Versicherte, die Gläser mit einer Brechkraft von mindestens 6 Dioptrien oder wegen einer Hornhautverkrümmung von mindestens 4 Dioptrien benötigen, einen Anspruch auf Kostenübernahme in Höhe des jeweiligen Festbetrags. Volljährige haben allerdings nur dann einen Leistungsanspruch, wenn sie auf beiden Augen eine extreme Sehschwäche aufweisen und auf dem besseren Auge bei bestmöglicher Korrektur eine Sehleistung von höchstens 30 Prozent erreichen.

Hilfsmittelverzeichnis wird aktualisiert

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) wird verpflichtet, das Hilfsmittelverzeichnis mit seinen über 29.000 Produkte in 33 Produktgruppen bis zum 31. Dezember 2018 grundlegend zu aktualisieren. Zudem soll die Aktualität des Verzeichnisses in Zukunft durch eine neue Verfahrensordnung gewährleistet werden. Die Aufnahme neuer und innovativer Hilfsmittel soll erleichtert werden.

Modellversuche zur Verordnung von Heilmitteln

Bundesweit sollen in Modellvorhaben sogenannte "Blankoverordnungen" getestet werden. Bei solchen "Blankoverordnungen" stellt weiterhin der Arzt die Verordnung eines Heilmittels aus, aber der Therapeut bestimmt die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten. Damit können die einzelnen Therapieoptionen flexibler eingesetzt und auf die jeweiligen Patientenbedürfnisse abgestimmt werden. In jedem Bundesland soll ein Modellvorhaben durchgeführt werden.

Weitere Regelungen

  • Eine Versorgungslücke beim Krankengeld zwischen dem Ende eines Beschäftigungsverhältnisses und dem Bezug von Arbeitslosengeld wird geschlossen. Damit besteht künftig bereits ab dem ersten Tag einer Sperrzeit oder einer Urlaubsabgeltung Versicherungspflicht mit Anspruch auf Krankengeld.
  • Für freiwillig Versicherte wird ein neues Beitragsverfahrenssystem entwickelt, das mit möglichst geringem Bürokratieaufwand verbunden ist.
  • Eine Benachteiligung von Kinder erziehenden Ehegatten und Lebenspartnern bei der Berücksichtigung von Vorversicherungszeiten für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) wird beseitigt.
  • Privat krankenversicherte selbstständige Frauen werden während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz finanziell besser abgesichert.

Der Gesetzgeber hat mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz endlich auf seit langer Zeit bekannte Mängel bei der Qualität und Versorgung mit Hilfsmitteln reagiert. Dies ist positiv zu bewerten und sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Das Gesetz stößt deshalb allgemein auch überwiegend auf Zustimmung. Die Absicht ist gut. Es bleibt aber abzuwarten, ob die beteiligten Akteure, insbesondere die Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten auch gewillt und in der Lage sind, die Vorgaben in die Praxis umzusetzen oder ob letztendlich doch wieder wirtschaftliche Aspekte dominieren. Hier sind besonders die Patienten gefordert, ein wachsames Auge darauf zu haben, ob die positiven gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich zu spürbaren Verbesserungen führen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit Nr. 11 vom 16.2.17
Redaktion: Jürgen Heller, AMSEL e.V.

Redaktion: AMSEL e.V., 14.03.2017