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Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige

Von der Multiplen Sklerose ist nicht nur der Erkrankte betroffen. Gerade wenn die Krankheit zunehmende Beeinträchtigungen mit sich bringt, sind die Angehörigen gefordert, die sich oft aufopferungsvoll um Partner, Kind oder Elternteil kümmern.

Um als pflegender Angehöriger in dieser körperlich und seelisch herausfordernden Situation Entlastung zu finden, können verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden. Für viele der Leistungen gibt es Kombinationsmöglichkeiten aus Pflegegeld und Pflegesachleistung, die helfen können, Unterstützung im Pflegealltag zu finden.

Verhinderungspflege

Wenn pflegende Angehörige bspw. durch Krankheit oder Urlaub ausfallen, ist es für sie beruhigend zu wissen, dass die pflegebedürftige Person weiterhin gut versorgt ist. Die Verhinderungspflege ist ab Pflegegrad 2 möglich. Leistungen können auf Nachweis maximal sechs Wochen und bis zu 1.612 Euro im Kalenderjahr in Anspruch genommen
werden. Voraussetzung ist, dass die Verhinderungspflege durch Personen sichergestellt wird, die mit der pflegebedürftigen Person nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind. Zudem dürfen sie nicht mit der pflegebedürftigen Person in häuslicher Gemeinschaft leben. Dieser Betrag lässt sich um bis zu 806 Euro (50% der Leistungen der Kurzzeitpflege) erhöhen, wenn die Leistungen der Kurzzeitpflege nicht in Anspruch genommen werden.

Wenn die Verhinderungspflege allerdings durch nahe Angehörige oder durch Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in einem Haushalt leben und die Pflege nicht erwerbsmäßig durchführen, sichergestellt wird, ist eine Kostenerstattung auf das 1,5-fache des entsprechenden Pflegegeldes beschränkt. Der Betrag kann aber auf bis zu 1.612 Euro aufgestockt werden, wenn bspw. Fahrtkosten oder ein Verdienstausfall nachgewiesen
werden.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Verhinderungspflege ist, dass die nahen Angehörigen die pflegebedürftige Person vorher schon mindestens sechs Monate gepflegt haben. Während der Verhinderungspflege wird das bisherige Pflegegeld für höchstens sechs Wochen zur Hälfte weitergezahlt. Das Pflegegeld wird nicht gekürzt, wenn lediglich die stundenweise Verhinderungspflege in Anspruch genommen wird. Dies ist der Fall, wenn eine Ersatzpflege nur ein paar Stunden am Tag benötigt wird (z. B. Gang zum Friseur, Besuch im Theater).

Kurzzeitpflege

Die Kurzzeitpflege ist ab Pflegegrad 2 einsetzbar, wenn eine vollstationäre Pflege für einen begrenzten Zeitraum notwendig wird, z.B. durch einen Sturz mit Knochenbrüchen oder wenn plötzlich eine Pflegekraft ausfällt. Angehörige können in dieser Zeit die weitere häusliche oder stationäre Pflege planen. Die Kurzzeitpflege kann bis zu acht Wochen im Jahr und bis zu 1.612 werden. Der Leistungsbetrag kann bis auf das Doppelte erhöht werden, wenn dafür in entsprechender Höhe auf die Inanspruchnahme der Verhinderungspflege verzichtet wird.

Voraussetzung ist allerdings, dass die pflegebedürftige Person vorher mindestens sechs Monate zu Hause gepflegt worden ist. Während der Kurzzeitpflege wird das bisherige Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt.

Die Kurzzeitpflege kann sogar noch weiter verlängert werden, wenn hierfür der Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro für Unterkunft und Verpflegung eingesetzt wird. Personen im Pflegegrad 1 können zur Finanzierung einer Kurzzeitpflege lediglich den Entlastungsbetrag einsetzen.

Teilstationäre Tages- und Nachtpflege

Bei der teilstationären Tages- und Nachtpflege, die ab Pflegegrad 2 in Anspruch genommen werden kann, verbringt die pflegebedürftige Person einen bestimmten Teil des Tages in einer Pflegeeinrichtung. Dies bietet sich an, wenn die Pflege zu Hause, bspw. durch die Erwerbstätigkeit der pflegenden Angehörigen, nicht rund um die Uhr möglich ist. Die pflegebedürftige Person wird von einem Fahrdienst abgeholt und verbringt einige Stunden
in der Pflegeeinrichtung. Leistungen der Tages- und Nachtpflege können neben Sachleistung oder Pflegegeld bzw. Kombinationsleistungen in vollem Umfang in Anspruch genommen werden. Sie werden nicht auf die ambulanten Pflegeleistungen angerechnet und das Pflegegeld wird nicht gekürzt. Erstattet werden Beträge von 689 Euro bei Pflegegrad 2 bis zu 1.995 Euro bei Pflegegrad 5. Diese Beträge erhöhen sich noch, wenn der Entlastungsbetrag oder der Betrag für die Verhinderungspflege auch im Rahmen der Tagespflege eingesetzt wird.

Leistungen zur sozialen Sicherung

Pflegende Angehörige haben im Rahmen der „Leistungen zur sozialen Sicherung“ auch direkte Ansprüche gegenüber der Pflegeversicherung, die in diesem Fall unter bestimmten Voraussetzungen die Beitragszahlungen zur Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung
übernimmt. Dafür muss die pflegebedürftige Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft sein und in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig für wöchentlich mindestens zehn Stunden, verteilt auf wenigstens zwei Tage in der Woche, gepflegt werden. Die Pflegeversicherung zahlt Beiträge zur Rentenversicherung, sofern pflegende Angehörige regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden in der Woche erwerbstätig sind. Seit 1.7.2017 sind auch bei pflegenden Rentnern Rentenbeitragszahlungen möglich und können zu einer Erhöhung des eigenen Rentenanspruchs führen. Prinzipiell sind hier die unterschiedlichen Regelungen bei vorgezogener Altersrente (Flexirente) und bei Erreichen der Regelaltersrente zu beachten. Die Pflegeversicherung zahlt unter bestimmten Umständen auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit, wenn pflegende Angehörige aus dem Beruf aussteigen, damit sie sich um die pflegebedürftige Person kümmern können.

Zudem sind Pflegepersonen bei der Ausführung der Pflege und auf dem Weg dorthin und zurück beitragsfrei gesetzlich unfallversichert. Dies geschieht automatisch, wenn die gepflegte Person von der Pflegekasse als pflegebedürftig anerkannt ist.

Pflege und Beruf vereinbaren

Um für einen nahen Angehörigen eine Pflege zu organisieren, kann bei kurzfristiger Arbeitsverhinderung für bis zu zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden.
In dieser Zeit besteht kein Anspruch auf Lohn gegenüber dem Arbeitgeber. Hierzu muss ein Antrag bei der Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung, bei der die pflegebedürftige Person versichert ist, gestellt werden.

Um nahe Angehörige zu Hause pflegen zu können, besteht die Möglichkeit, maximal sechs Monate Pflegezeit in Anspruch zu nehmen. Dabei kann ganz oder teilweise aus dem Beruf ausgestiegen werden. Der Arbeitgeber muss dies zulassen, sofern der Betrieb mehr als 15 Beschäftigte hat. In dieser Zeit wird allerdings kein bzw. weniger Gehalt ausbezahlt. Ein Teil des Lohnverlustes kann mit einem zinslosen Darlehen ausgeglichen werden. Während der Familienpflegezeit können Arbeitnehmer ihre wöchentliche Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren. Auch hier besteht die Möglichkeit, den Lohnverlust über ein zinsloses Darlehen auszugleichen. Auf die Familienpflegezeit besteht ebenfalls ein Rechtsanspruch. Dieser gilt allerdings nicht, wenn der Betrieb 25 oder weniger Beschäftigte hat. In der Familienpflegezeit besteht Kündigungsschutz.

Kurse und Rehabilitation

Es besteht weiterhin die Möglichkeit, unentgeltlich an Pflegekursen der Pflegekassen teilzunehmen. Dort wird erlernt, wie pflegebedürftige Menschen versorgt werden können. Dabei geht es auch um die eigene Gesundheit der pflegenden Angehörigen. Die Schulung kann auch in der Umgebung der pflegebedürftigen Person
stattfinden.

Auch AMSEL bietet spezielle Seminare für pflegende Angehörige, um sie bei ihrer anspruchsvollen Aufgabe zu unterstützen. So etwa ein Erholungswochenende für
pflegende Angehörige und Partner, ein Pflegeintensivseminar oder ein Kinaesthetics-Seminar. Diese Angebote können mit dazu beitragen, die häusliche Pflegesituation
besser zu bewältigen. Weitere Informationen hierzu finden Sie im Jahresprogramm 2021.

Pflegende Angehörige haben bei entsprechender medizinischer Diagnose auch einen Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation. Manche Rehakliniken bieten an,
pflegebedürftige Personen mit in eine Unterkunft aufzunehmen. Anders als bei vielen anderen Leistungen gilt hier der Grundsatz „ambulant vor stationär“ nicht. Sie
können als pflegender Angehöriger stationäre Rehabilitation in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob eine ambulante Rehabilitation ausreichend wäre. Im Fall einer
stationären medizinischen Rehabilitation haben pflegende Angehörige einen Anspruch auf die Versorgung der pflegebedürftigen Person.

Es lohnt sich, regelmäßig zu überprüfen, welche Leistungen möglich sind, insbesondere wenn sich die Pflegesituation ändert und um Unterstützung zu finden, wenn die
Belastungen im Pflegealltag zu hoch werden.

Informationen geben die Pflegekassen, Pflegestützpunkte (www.bw-pflegestuetzpunkt.de), der mobile Pflegedienst sowie das Beratungsteam der AMSEL.

>> Die AMSEL betreut außerdem eine Facebook-Gruppe für Angehörige von Menschen mit Multipler Sklerose. 

Quelle: together, *04.20

Redaktion: AMSEL e.V., 22.09.2021