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Weizen weglassen, MS verbessern?

Prof. Detlef Schuppan erklärt im AMSEL-Video, warum er Menschen mit MS empfiehlt, besser keine weizenhaltige Brezel zu essen.

Professor Detlef Schuppan erklärt im AMSEL-Video, warum es bei Multipler Sklerose sinnvoll sein kann, auf glutenhaltige Produkte zu verzichten.

Weizen gehört zu unserer westlich geprägten Welt. Nicht selten steht Weizen sogar auf dem Speiseplan aller fünf Mahlzeiten des Tages. Angefangen beim Vollkorntoast am Morgen über die Brezel um zehn, die Pasta zum Mittag, das Hefeteilchen am Nachmittag bis hin zum Vollkornbrot abends. Und selbst wenn Weizen nicht in allen Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten enthalten ist, so doch in einigen davon.

Es wäre also eine große Umstellung für viele Menschen, weitestgehend auf Weizenprodukte zu verzichten. Im AMSEL-Video empfiehlt Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan Menschen mit Multipler Sklerose dennoch zusätzlich zu ihrer gewohnten MS- Therapie eine Probephase von mehreren Wochen mit reduziertem Weizen. Denn Weizen und andere Getreidesorten enthalten ein bestimmtes Protein, welches Entzündungen bei Multipler Sklerose fördert: ATI, die Amylase-Trypsin-Inhibitoren.

Probeweise auf Weizen verzichten?

Dabei gilt eine einfache Faustregel: Weitestgehend auf Getreideprodukte zu verzichten, die Gluten enthalten. Man kann dazu entweder auf glutenfreie Ersatzprodukte zurückgreifen oder aber stattdessen deutlich mehr Reis, Mais, Buchweizen und Kartoffeln essen. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass andere Getreide wie Roggen, Gerste und Dinkel ebenfalls ATI enthalten. Dabei brauche man sich nicht komplett weizenfrei zu ernähren. Es genüge, die Weizenprodukte um 90-95 % um zu reduzieren. Die entzündungsfördernde Wirkung von ATI ist nämlich dosisabhängig.

Die ATI-Proteine machen nur 3-4 % des Weizenproteins aus, das meiste davon fällt auf Gluten (80-90 % der Weizenproteine). Allerdings enthalten sämtliche Getreide, die Gluten enthalten, auch ATI. Darum wäre es für Menschen mit Multipler Sklerose empfehlenswert, zu probieren, weitestgehend auf glutenhaltige Nahrungsmittel zu verzichten.

Schwer Betroffene: ATI und Schmerzen reduzieren

Nicht jeder MS Patient, nicht jede MS-Patientin wird eine Wirkung der weizenreduzierten Diät verspüren. Das kommt im individuellen Fall auf einen Versuch an. In der aktuellen Studie wurden hauptsächlich Patientinnen und Patienten mit gelinder Aktivität beobachtet. Eine Reduktion von ATI im Speiseplan führte zu deutlich weniger Schmerzen und auch die immunologischen Werte hatten sich gebessert (amsel.de hatte berichtet). In der Praxis, so Professor Schuppan, zeigte sich in Einzelfällen, dass eine (nahezu) weizenfreie Diät vor allen Dingen schwerer Betroffenen besonders gut helfen könne, einige Symptome zu lindern. Da für diese Gruppe ohnehin wenige wirksame Medikamente zugelassen sind, eine gute Nachricht, um – wenn es denn klappt – seine Symptome zu verbessern.

Schuppan und sein Team waren über Studien mit Zöliakie-Patientinnen und -Patienten über glutensensitive Patienten auf ATI gestoßen. Im Unterschied zur Zöliakie reagieren “glutensensitive“ Patienten tatsächlich gar nicht auf das Gluten selbst, sondern auf ATI. Mittlerweile gebe es über 20 Publikationen, unter anderem dazu, welche Weizensorten wieviel ATI enthalten. Da gebe es riesengroße Unterschiede. Auch andere autoimmune und entzündliche Erkrankungen wie Lebererkrankungen, aber auch die Fettleber oder das familiäre Mittelmeerfieber, rheumatoide Arthritis und Lupus sind im Zusammenhang mit entzündungsförderndem ATI untersucht worden.

Kleine Darmentzündung, große ZNS-Entzündung

ATI löst kleine, kaum auf spürbare und für nicht vorbelastete Menschen ungefährliche Entzündungen im Darm aus, die dann den Darm verlassen und – bei bestimmten Vorerkrankungen – an anderen Stellen wiederum größere Entzündungen auslösen können. Im Fall der Multiplen Sklerose eben im ZNS. So stießen Schuppan und sein Team auch auf den Zusammenhang von ATI mit Multipler Sklerose. Weitere größere und multizentrische für Studien mit Bildgebung wären sehr wünschenswert, sind jedoch von einer Finanzierung abhängig.

Quelle: AMSEL-Video-Interview zu Weizen und MS mit Prof. Detlef Schuppan, 10.03.2024.

Redaktion: AMSEL e.V., 11.03.2024