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Multiple Sklerose auf der Jahrestagung der Neurologen in Hamburg

22.09.2008 - Mit 4.300 Medizinern verzeichnete der 81. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) Mitte September 2008 in Hamburg einen neuen Besucherrekord. Auch der Bundesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft war vor Ort.

Auf großes Interesse bei Kliniken wie niedergelassenen Neurologen stießen unter anderem die neue Broschüre "Entspannung – Innere Ruhe finden" und das aus Internetauftritt, Broschüre und CD-Rom bestehende emotional science-Projekt "Multiple Sklerose verstehen – Eine Reise in den Körper" (zu bestellen über den AMSEL-Shop). Ebenso fanden das Qualitätszertifikat "Anerkanntes MS-Zentrum" bzw. "Regionales MS-Zentrum" nach den Richtlinien der DMSG sowie die unabhängige DMSG-Fachfortbildung "MS Therapiemanagement" interessierte Besucher.

Vortragsveranstaltungen zu Multipler Sklerose

Pathogenese (Entstehung und Entwicklung)

410 Referenten stellten neue Erkenntnisse bei neurologischen Erkrankungen, auch zur Multiplen Sklerose vor. Eine umfangreiche Vortragsveranstaltung beschäftigte sich mit der "Pathogenese und Therapie der Multiplen Sklerose". Ausgehend von genetischen Grundlagen der Entstehung einer MS spannte sich hier der Bogen über die Rolle infektiöser Erreger bis hin zu Ausblicken über neue Therapieoptionen.

Dr. Stephen Sawcer aus Cambridge, UK, erläuterte, dass eine Vielzahl von Genen untersucht werde, die mit der Auslösung einer MS im Zusammenhang stehen könnten, wobei verschiedene mögliche Risikoallele (Veränderungen in den Genen, die bei MS-Erkrankten im Vergleich zu Gesunden auftreten) diskutiert würden. Prof. Bernhard Hemmer aus München gab einen Überblick über die Rolle infektiöser Erreger in der Pathogenese der MS. Er berichtete, dass MS derzeit weltweit in zunehmendem Maße diagnostiziert werde, insbesondere bei Frauen. Dies sei möglicherweise auch auf eine Veränderung der Umweltbedingungen zurückzuführen.

Im Fokus der Wissenschaftler stehen in diesem Zusammenhang infektiöse Erreger wie das Epstein-Barr-Virus (EBV), das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das Humane Herpes-Virus sowie Chlamydia pneumoniae. Vor allem im Zusammenhang mit dem EBV sind erhöhte Antikörperreaktionen bei MS-Patienten zu finden. Ein Erreger, der mit der Auslösung einer MS in Zusammenhang stehen könnte, müsste weltweit auftreten, bei der Erstinfektion (die in der Regel vor der Pubertät eintritt) nur ein geringes krankheitsauslösendes Potenzial haben und über längere Zeit im menschlichen Körper verbleiben, so Prof. Hemmer.

Neue Therapieansätze

Im Folgenden referierte Prof. Heinz Wiendl aus Würzburg über neue Therapieansätze und ging hierbei insbesondere auf Rituximab und Alemtuzumab ein. Beide Wirkstoffe werden derzeit erprobt, zeigen jedoch auch Nebenwirkungen. Bei der Einführung neuer Therapien müssten einige grundsätzliche Voraussetzungen beachtet werden, wie zum Beispiel: strenge Zulassungskriterien, ein gezielter Einsatz nach individueller Abwägung, umfangreiche Sicherheitsprogramme, Einsatz vorzugsweise in MS-Zentren, Information, Früherkennung sowie Entwicklung von Algorithmen zur Behandlung von seltenen Nebenwirkungen, führte Prof. Wiendl aus.

Satellitensymposium "Moderne Therapien"

"Seit 1997 ist der Einsatz immunmodulierender Therapien stark angestiegen und hat sich in der Behandlung von MS-Patienten bewährt", konstatierte Prof. Hans-Peter Hartung, Düsseldorf, in seiner Einführung. Ziele dieser Basistherapie sind eine Verlangsamung der Behinderungsprogression, eine Reduktion der Läsionslast und der Gehirnatrophie, eine Verbesserung der Lebensqualität, die Langzeitwirkung und die Vermeidung von Schüben.

Prof. Ralf Gold aus Bochum zeigte auf, dass die Basistherapie der MS in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert gewonnen habe. Wichtig sei ein früher Therapiebeginn, um die im Frühstadium der Erkrankung noch bestehende Plastizität des Gehirns nutzen zu können.

Hinsichtlich neuer Therapieansätze ging es in den Vorträgen insbesondere um den Einsatz der Wirkstoffe Natalizumab, Daclizumab, BG 00012 sowie Rituximab. Natürlich wurde aus aktuellem Anlass die Problematik um Natalizumab und das Risiko einer PML (wir haben berichtet) diskutiert. Prof. Gold wies in diesem Zusammenhang noch einmal explizit auf die jüngste Stellungnahme des Ärztlichen Beirates der DMSG hin, in der ein äußerst sorgfältiger Umgang mit Natalizumab, ein ausreichender Sicherheitsabstand zu immunsuppressiven Vorbehandlungen und eine engmaschige Überwachung der Therapie mit detaillierter Dokumentation eingefordert wird (s. unser Bericht).

Satellitensymposium "Effiziente Therapie und Patientenbetreuung bei MS"

Eine konsequente Frühtherapie hemmt bei der schubförmigen Multiplen Sklerose das Voranschreiten der Erkrankung und kann der Entwicklung von Behinderungen entgegenwirken – so der Tenor dieser Veranstaltung. Menschen mit MS brauchten aber mehr als nur eine medikamentöse Therapie. Sie müssten über ihre Erkrankung informiert und umfassend betreut werden, damit die Compliance, die Therapietreue also, gesichert und die möglichen Therapieerfolge tatsächlich realisiert werden könnten.

Schwerpunktmäßig befasste sich das Satellitensymposium mit der MS im Kindes- und Jugendalter. Prof. Jutta Gärtner vom "Deutschen Zentrum für Multiple Sklerose im Kindes- und Jugendalter" in Göttingen wies darauf hin, dass es oft noch zu lange dauere, bis eine MS in diesem Alter sicher diagnostiziert werden könne.

Eine frühe Diagnosestellung und Behandlung sei aus ihrer Sicht aber wichtig, um die Krankheitsprogression möglichst aufhalten zu können. Als Therapieoptionen stünden für Patienten ab zwölf Jahren lediglich Beta-Interferone zur Verfügung. Dringend nötig seien klinische Studien, die bei Kindern und Jugendlichen besondere Probleme wie zum Beispiel Wachstum und Pubertät berücksichtigten, so Prof. Gärtner.

Posterausstellung

Insgesamt 39 Poster widmeten sich ganz unterschiedlichen Themenbereichen im Zusammenhang mit Multipler Sklerose. Dabei ging es unter anderem um MS im Alter, Lebensqualität und Versorgung bei MS-Patienten, die ersten Ergebnisse einer Studie zu den Bedürfnissen von Menschen, die sich schwer von MS betroffen fühlen, Kognition, Integrierte Versorgung und Sexualfunktionsstörungen. Die aktuellen Ergebnisse aus dem "MS-Register"-Projekt wurden auf der DGN ebenfalls vorgestellt (der Bundesverband hat berichtet).

Die 82. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wird vom 23. bis 26. September 2009 in Nürnberg stattfinden.

Quelle: DMSG Bundesverband, September 2008

Redaktion: AMSEL e.V., 06.10.2008