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Ansatz für neue Therapie?

09.05.05 - Ein körpereigenes Protein, das die Zerstörung von Nervenzellen im Gehirn fördert, lässt sich blockieren, wie die Charité in einer Pressemitteilung bekannt gibt.

Die Multiple Sklerose ist nicht nur, wie man lange Zeit dachte, eine in Phasen verlaufende autoimmune Erkrankung, bei der die Umhüllungen der Nervenfasern durch spezielle T-Lymphozyten mehr oder weniger zerstört werden. Bedeutsamer noch scheint die neuere Erkenntnis zu sein, daß auch die Nervenzellen im Gehirn von MS-Kranken bereits in den frühen Phasen der Erkrankung angegriffen werden und untergehen. Dieses Zerstörungswerk kommt wesentlich durch „aktivierte T-Lymphozyten“ zustande. (Wodurch die T-Lymphozyten bei Multipler Sklerose aktiviert werden, ist bisher weiterhin unbekannt). Bekannt ist aber nun, dass die T-Zellen - gewissermaßen huckepack - ein körpereignes Protein ins Gehirn hinein transportieren, das sie selbst bilden und dort freisetzen. Dieses Protein gehört zur großen Gruppe der Nervenwachstumsfaktoren und wird in der Forschung als TRAIL (Tumor necrosis factor Related Apoptosis Inducing Ligand) bezeichnet.

TRAIL erfährt seit wenigen Jahren große Aufmerksamkeit unter Wissenschaftlern. Zunächst weil die Substanz Krebszellen abtöten kann. Später wurde die Bedeutung von TRAIL für entzündliche Erkrankungen des Gehirns, insbesondere der Multiplen Sklerose, offensichtlich. Besonders die Arbeitsgruppe um Frau Professor Dr. Frauke Zipp vom „Institut für Neuroimmunologie“ der Charité in Berlin hat dazu zahlreiche neue Erkenntnisse geliefert, die jetzt in der Empfehlung für einen neuen Therapieansatz gipfeln. Denn TRAIL ist eine Todessubstanz für entzündliches Hirngewebe vom Typ Multiple Sklerose. Die Substanz lässt sich aber blockieren und daraus könnte ein Medikament entwickelt werden, das direkt im Gehirn die Aktivität von TRAIL unterbindet.

Die Erkenntnisse der Charité-Arbeitsgruppe sind gerade in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift “Neuron“ (Band 46) veröffentlicht. Sie wurden weitgehend am Tiermodell für die Multiple Sklerose des Menschen, der Mäusekrankheit EAE (der Entzündlichen Autoimmunen Enzephalomyelitis), erworben. Die Gruppe um Frau Prof. Zipp konnte zunächst zeigen, dass lösliches TRAIL im Blut von Patienten ein prognostischer Marker für das Ansprechen auf die Therapie mit Interferon-beta ist. Jetzt konnte die Bedeutung von TRAIL für die Multiple Sklerose im Gehirn aufgeklärt werden.

Für TRAIL, das Protein, das das Signal zum Zelltod bildet, haben die Nervenzellen im Gehirn Andockstellen (Rezeptoren). Das heißt, die Zellen können TRAIL binden und sind damit seiner zerstörenden Wirkung ausgesetzt. Die Zahl dieser Rezeptoren auf den Nervenzellen wird wesentlich vermehrt, wenn im Gehirn entzündliche Vorgänge ablaufen, wie dies bei der Mäusekrankheit EAE, der Fall ist. Voraussetzung für das Todessignal TRAIL ist also eine Entzündung. Wie Dr. Orhan Aktas aus der Arbeitsgruppe um Frau Prof. Frauke Zipp nun herausfand, bleibt bei gesunden Tieren eine Vermehrung der Rezeptoren und damit die Wirksamkeit von TRAIL aus.

Je mehr TRAIL andererseits freigesetzt wird und Nervenzellen angreift, um so ausgeprägter sind die klinischen Symptome. Blockiert man TRAIL oder lässt man nur aktivierte T-Lymphozyten ins Gehirn, denen die Fähigkeit, TRAIL zu bilden, genommen wurde, so fällt der Nervenzelluntergang im Gehirn beträchtlich geringer aus.
Die neuen Erkenntnisse könnten zur Entwicklung eines Medikamentes führen, das TRAIL im Gehirn blockiert und so die Fortentwicklung von Multipler Sklerose mindert oder sogar stoppt.

Aktas et al.: „Neuronal damage in autoimmune neuroinflammation mediated by the death ligand TRAIL“ (Neuron; Band 46).

Quelle:
Institut für Neuroimmunologie der Charité, Berlin

Redaktion: AMSEL e.V., 09.05.2005