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"Ein Partner, der zu einem steht, ist wie ein Hauptgewinn!"

30.01.06 - Romy Wandschneider erzählt im AMSEL-Interview von den Dreharbeiten zu 37 Grad.

Vergangene Woche schilderte die ZDF-Reportage in "Bleiben oder gehen?" Paare mit besonderen Schicksalsschlägen. Romy und Michel Wandschneider gehören zu den Glücklichen, die zusammenbleiben wollen. Wir haben mit der Bretten-Bruchsaler Kontaktgruppenleiterin über die Dreharbeiten und das Leben danach gesprochen.

Hallo Frau Wandschneider, wie ist es denn so, wenn man sich selbst in einem Fernsehbeitrag sieht? Werden Sie bereits von Fremden im Supermarkt erkannt?

Romy Wandschneider: Es ist schon komisch, wenn man sich selbst im Fernsehen sieht und sich bewusst macht, dass jetzt gerade vielleicht Millionen von anderen Menschen das Gleiche sehen. Man beobachtet sich ganz genau und hofft, dass man natürlich wirkt und sich nicht blamiert.
Tatsächlich ist es so, dass man jetzt von Fremden erkannt wird. Als ich beispielsweise am Mittwoch wieder zum Chor gehen wollte, sprach mich eine mir unbekannte Frau auf der Straße an. Sie fuhr gerade mit ihrem Auto an mir vorbei, setzte extra nochmals zurück und sagte mir dann, dass sie mich gestern im Fernsehen gesehen hätte und dass sie die Reportage so ergreifend fand. Andererseits bekommt man leider auch Telefonanrufe, bei denen man von Leuten angesprochen wird, sie hätten das Heilmittel gegen MS gefunden und würden es mir jetzt gerne verkaufen. Aber solche Reaktionen zu unserem Fernsehauftritt stellen Gott sei Dank eher die Ausnahme dar - vielmehr überwiegen die positiven Reaktionen, bei denen sich fremde Leute beispielsweise per Email an mich gewandt und hilfesuchend um Rat gebeten haben - oder aber auch einfach nur, um mir mitzuteilen, dass sie die Reportage sehr wichtig fanden, da ich damit vielen Betroffenen wieder Mut gemacht hätte. Leider ist die Reportage sehr spät gesendet worden. Wäre sie früher gesendet worden, dann hätte man bestimmt noch viel mehr Betroffene damit erreichen können.

Wie waren denn die Dreharbeiten und wie kam das ZDF gerade auf Sie und Ihren Mann als Interviewpartner?

Romy Wandschneider: Die Dreharbeiten waren ziemlich anstrengend. Das Fernsehteam, das zu uns kam und uns drei Tage lang begleitete, bestand aus vier Personen: Der Redakteurin, die auch die Interviews führte und im Prinzip sagte, wo es "lang ging", dem Kameramann, dem Tontechniker und demjenigen, der das dann alles zu einem fertigen, fernsehgerechten Beitrag zusammenschneiden sollte. Obwohl alle vier unheimlich nett waren und wir uns sehr gut verstanden, waren im Prinzip halt doch vier fremde Menschen ständig um uns herum. Wir haben zwar auch Pausen gehabt und die Redakteurin hat auch gemeint, wir sollten sagen, wenn es uns zuviel wird - dann machen wir Pause - trotzdem steht man aber immer unter einer gewissen Anspannung und fühlt sich natürlich auch irgendwie ständig beobachtet. Am Anfang hatte man auch immer Mühe, nicht direkt in die Kamera zu schauen und so natürlich wie möglich zu wirken, vor allem dann, wenn sie einem mit der Kamera direkt fixiert haben. Nach dem zweiten Tag wurden wir da schon etwas lockerer und schließlich war es ganz normal, dass die Kamera da war - man nahm sie schon gar nicht mehr richtig wahr.

Das Auswahlverfahren der geeigneten Paare für die Reportage begann mit einer Anfrage des ZDF an den AMSEL-Landesverband. Die Redakteurin versuchte so Paare zu finden, die bereit wären, im Fernsehen über ihre Beziehung zu sprechen. Der Landesverband wandte sich daraufhin an uns und gab dann nach unserer Zustimmung unsere Telefonnummer an die Redakteurin weiter. Anschließend führte die Redakteurin mit mir zwei längere Telefonate und kam dann von Berlin zu uns nach Weingarten, um uns persönlich kennenzulernen. Alle in Frage kommenden Paare kamen dann in ein Auswahlverfahren, bei dem sich die Redakteurin dann letztendlich unter anderem für uns entschied.

Den Zusammenschnitt im ZDF haben Sie auch erst am Sendetermin gesehen. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Romy Wandschneider: Im Großen und Ganzen ja, obwohl doch sehr viel fehlt, was man noch hätte mit hinein nehmen sollen, da es zur Klärung von eventuell auftretenden Fragen hätte beitragen können.

Durch die Sprecherin wurde beispielsweise zu Beginn der Sendung der Eindruck erweckt, dass jeder MS Betroffene einen Rollstuhl benötigt und zwangsläufig zu einem Pflegefall wird. Dies ist natürlich völlig falsch und wurde von meinem Mann und mir auch nie so gesagt oder dargestellt. Tatsache ist, dass nur ein kleiner Teil aller MS-Betroffenen auf einen Rollstuhl angewiesen oder gar so schwer betroffen ist, dass er ständige Pflege benötigt. Nur weil ich schon im Rollstuhl sitze und teilweise auf die Pflege meines Mannes angewiesen bin, heißt das noch lange nicht, dass das bei anderen Betroffenen genauso sein muss, denn schließlich verläuft die MS ja bei jedem anders. Leider hatten wir auf diese unglücklich gewählte Formulierung der Sprecherin keinen Einfluss, da wir den fertigen Schnitt unseres Beitrages auch erst im Fernsehen zum ersten Mal sahen. Durch solche Formulierungen wird der Gesellschaft jetzt leider wieder ein völlig falsches Bild von der MS vermittelt, was gerade bei Neuerkrankten, die diese Sendung vielleicht gesehen haben, Ängste und Panik hervorrufen kann. Daher ist es unheimlich wichtig, weiterhin über die Erkrankung MS aufzuklären. Doch das Thema der Reportage lautete ja eigentlich auch: "Bleiben oder gehen" und nicht "MS"!

Der Bericht von 37 Grad beschreibt auch ein Paar, das sich getrennt hat. Haben Sie ein Rezept für DIE dauerhafte Beziehung, welche auch Schicksalsschläge wie den Ihren überwindet?

Romy Wandschneider: Ich denke, ein Patentrezept für DIE dauerhafte Beziehung gibt es nicht. Da ist es völlig egal, ob ein Partner krank ist oder nicht. Jede Beziehung für sich ist eine Herausforderung und muss ganz individuell geführt werden. Natürlich ist es noch schwieriger, wenn eine Krankheit wie die MS dazukommt. Bei uns herrscht ja auch nicht immer nur eitel Sonnenschein - auch wir hatten und werden auch weiterhin sicherlich unsere Krisen und Probleme zu bewältigen haben. Einen Partner zu haben, der zu einem steht, egal was auch passiert, ist jedoch sicherlich wie ein Hauptgewinn! Ich bin auf jeden Fall froh, dass mein Mann und ich es bis hierher geschafft haben und hoffe, dass wir auch weiterhin auf einer soliden Basis unserer Beziehung aufbauen und so die noch vor uns liegenden Probleme bewältigen können.

Frau Wandschneider, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Redaktion: AMSEL e.V., 31.01.2006