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Reisen unter erschwerten Bedingungen

Maximilian Dorner, selbst an Multiple Sklerose erkrankt, ist erfolgreicher deutscher Schriftsteller, Dramaturg und seit Kurzem auch AMSEL-Kolumnist für Together. Reisen war das Thema der Ausgabe 02/13.

Der vergangene Winter dauerte zu lange. Darüber sind sich eigentlich alle einig, auch wenn man nichts schneller wieder vergisst. Nach Monaten, während derer ich München nicht verlassen hatte, packte mich das Fernweh wie andere eine verspätete Erkältung. Und so habe ich mir gleich zwei lang gehegte Träume hintereinander erfüllt: erst Tel Aviv und dann Paris, das Ganze garniert mit Städtereisen innerhalb Deutschlands. Oft werde ich etwas merkwürdig angeschaut, wenn ich aufzähle, wo ich so war in den letzten Wochen. – Ich gebe gern zu, dass bei meiner Aufzählung auch Stolz mitschwingt, kein Hochmut. Darüber, dass ich trotz allem losgefahren bin, trotz aller Bedenken, trotz aller Unwägbarkeiten. Dass ich mich überlistet habe. Und dann auch noch allein ...

Maximilian Dorner

seit 2000 Autor, Regisseur und Literaturlektor

  • geboren und wohnhaft in München
  • Studium der Dramaturgie an der Bayerischen Theaterakademie
  • u.a. Tätigkeiten als Film- und Hörspielproduzent, Theaterkritiker, Dozent und Dramaturg
  • 2007 Bayerischer Kunstförderpreis für sein Romandebüt "Der erste Sommer"
  • jüngste Publikation "Mein Schutzengel ist ein Anfänger" thematisiert Trost und Heilung
  • www.maxdorner.de

Dabei ist man, gerade in Städten, selten allein. Manchmal muss man vielleicht vor einer plötzlichen Steigung ein paar Minuten warten, aber weder in Jerusalem (das nun wirklich nicht für Rollstuhlfahrer gebaut wurde), noch an der Seine musste ich irgendwo unverrichteter Dinge wieder umkehren. Dabei lassen sich hervorragend die verschiedenen Kulturen des Helfens studieren: Eigentlich hat mir ganz gut gefallen, dass in Israel erst einmal zugeschaut wurde, wie ich mich irgendwo angestrengt habe. Auf eine Bitte hin war jedoch sofort jemand zur Stelle. Überfürsorglichkeit geht nicht nur Kindern auf die Nerven ... Ganz anders Paris. Nirgendwo wurde ich bislang auf der Straße höflicher behandelt als dort.

Selbst junge Typen, denen die gute Erziehung nicht unbedingt an den Jogginghosen ablesbar war, entschuldigten sich selbst dafür, mir bei einer engen Stelle auf dem Bürgersteig überhaupt entgegengekommen zu sein. Fast schon konsequent erscheint mir rückblickend die einzige negative Erfahrung. Sie ereignete sich ausgerechnet in meiner Heimatstadt München, nachdem ich gerade aus dem Nachtzug gestiegen war. Da antwortete ein

uniformierter Straßenbahnfahrer auf meine Frage, ob er mir beim Einsteigen helfen könnte, kurzangebunden mit: "Nein." – Ich habe es als Zeichen genommen, in diesem Jahr noch möglichst oft zu verreisen.

Quelle: AMSEL-Nachrichtenmagazin 02/13; Maximilian Dorner; Bild © Christine Schneider

Redaktion: AMSEL e.V., 03.07.2013