Hallo Zusammen,

ich möchte mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Manuela, bin 38 Jahre alt und habe seit 10 Jahren MS. Vielleicht auch aufgrund meiner positiven Lebenseinstellung habe ich bislang nur Schübe gehabt, die mich wenig beeinflußt haben und nach einer Cortison-Therapie auch vollständig zurückgingen. Dieses Jahr hatte ich - leider - 2 Schübe hintereinander, die verlaufen meistens in Form von Lähmungserscheinen und Empfindungsstörungen. Ich kann aber trotzdem laufen; ich fühle mich in der Zeit nur sehr schwach, aber man sieht es mir nicht wirklich an.

Auch sonst, sieht man mir meine Krankheit nicht an, nur ich bin mir dieser bewußt und versuche natürlich mich zu schonen so gut es geht, die aber ohne großartige Einschränkung auf meine Lebensqualität. Ich mache Sport und reise sehr viel, ich weiß eben aber auch wo meine Grenzen sind.

So auch im Berufsleben. Ich arbeite in einer großen Inkassofirma, einer Abteilung in der ich Projekte leite oder mitwirke und unseren operativen Bereich (Sachbearbeitung) in Form von Informationen unterstütze - in Zusammenarbeit mit unserer IT.

Das hört sich stressvoll an, ist es auch. Ich kann gut unterscheiden zwischen positiven und negativen Stress und versuche meine Arbeit zu planen.

Leider passiert es immer wieder, dass ich mit Arbeit zugeschüttet werde. Dann komme ich an einem Punkt, an dem ich eingehend bitte, doch wenigstens etwas Rücksicht zu nehmen, da ich eben wirklich nur bedingt stressresistent bin. Ich habe auch schon gefragt, ob ich einmal eine zeitlang nur halbtags arbeiten kann, die Antwort war ein klares “Nein”, dies würde nicht gehen.

Ich weiß, ich sehe für alle gesund aus und dass ich einmal im Jahr 2 Wochen aufgrund eines Schubes fehle, tangiert auch nicht sonderlich. MS soll auf keinen Fall eine Entschuldigung sein, aber manchmal kann ich so Antworten wie “wir haben alle viel Arbeit, dann mußt Du Dich besser organisieren” nicht verstehen. Warum hat man nicht wenigstens einen kleinen Funken Verständnis für mich und meine Einschränkung?!

Ich liege derzeit gerade mit einer Grippe im Bett und habe das Laptop mit nach Hause genommen. Die einzige Antwort von meiner Chefin war, dass das wohl ein geplantes “Kranksein” war, weil ich vor ca. 1 Woche man andeutete, dass ich evtl. an einem oder 2 Tagen Urlaub bräuchte (den ich ja auch bekommen hätte). Dass ich krank wurde und damit meine Pläne auch für diese Zeit ins Wasser fielen, konnte ich tatsächlich nicht planen.

Ich habe mir noch weitere Vorwürfe anhören müssen, dass ich dies und jenes nicht getan hatte. Dabei hatte ich vor einer Woche noch ein dickes Lob von höherer Stelle erhalten, weil ein Projekt von mir gut zum Laufen gebracht wurde. Ich dachte es wäre klar, dass ich andere Dinge schleifen lassen mußte - ich hoffte auf Verständnis; arbeitete ich doch manchmal fast 10 Stunden täglich, während die Kollegen pünktlich gingen.

Hatte ich doch erst eine Hochphase, so bin ich jetzt total down und leicht depressiv. Ich würde gern mehr leisten, meine Krankheit zwingt mich jedoch oft auch in die Knie, bin permanent müde und zwinge mich “zu funktionieren”.

Immer wieder deute ich darauf hin, dass ich eben nicht 100 % einsatzfähig bin. Das will man nicht hören.

Was soll ich nur tun. Wir haben leider keine Behindertenvertretung, nur einen Betriebsrat. Sollte ich einmal eine Vertrauensperson zu Rate ziehen? Ich weiß einfach nicht weiter!?

Liebe Grüße
Manu

Hallo Manu,
Dein Beitrag hat mir aus der Seele gesprochen. Eigentlich hätte ich das alles schreiben können. Ich bin 47 Jahre und habe die Diagnose seit fast 5 Jahren. Mir geht es wie Dir, man sieht mir die MS nicht an. Ich kann halt nicht mehr so lange laufen, aber eine halbe Stunde geht noch. Auch die Empfindungstörungen in den Beinen und die leichten Shestörungen sieht man mir nicht an und die Fatigue natürlich erst recht nicht. Ich habe mein ganzes Leben lange viel gearbeitet und mich nie geschont. Als ich Diagnose bekam, war ich stellvertretende Filialleiterinn und voll eingspannt, trotz 2er Kinder und Haushalt, etc. Auch nach der Diagnose wollte ich nicht kürzer treten. Ich habe dann allerdings gemerkt, dass ich zu Hause nur noch gereizt war oder geschlafen habe. Mein Mann hat dann einen Riegel vorgelegt. Er hat mich dann förmlich in eine Reha geprügelt und siehe da, mir ging es dort richtig gut. Gemeinsam mit den Ärzten haben wir dann beschlossen, mich teilweise berenten zu lassen. Ich hatte das Glück, dass mein Arbeitgeber sich darauf eingelassen hat. Momentan arbeite ich 23,5 Std/Woche und stelle fest, dass es mir schon wieder zu viel wird. Verständnis bekomme ich keines, da man mir meine Behinderung ja nicht ansieht. Ich war jetzt im September 2 Wochen wegen eines Schubes krank und bin seit 2 1/2 jetzt wieder krank geschrieben, da meine Galle entfernt wurde. Mein Filialleiter ist ziemlich sauer und spricht mit mir nur noch das Nötigste. Es macht keine Spass mehr zu arbeiten. Allerdings sehe ich ein bißchen Licht am Horizont. Unsere Personalbeauftragte hatte wegen meiner “langen” Erkrankung im September und der geplanten Gallen OP ein Gespräch mit mir und bot mir an weniger zu arbeiten, so etwa 18 Stunden die Woche. Jetzt habe ich erst mal wieder eine Reha beantragt und sehe dann weiter.
Manchmal wünsche ich mir eine sichtbare Behinderung, da man dann mehr Rücksicht auf einen nimmt. Aber natürlich bin ich froh, dass es mir noch so gut geht.
Ich würde Dir raten noch einmal mit Deinem Personalchef zu sprechen und zu fragen, ob Du nicht doch weniger arbeiten kannst. Aber Vorsicht: Falls sie das nicht wollen und Du evtl. teilberentet wirst, können sie Dir kündigen. Falls noch nicht geschehen, lass Dir eine Schwerbehinderung eintragen und beantrage eine Reha. Mir hat es auf jeden Fall geholfen.
Ich hoffe ich konnte Die ein bißchen weiterhelfen.
Liebe Grüße
Kiki

Hallo Kiki,

vielen Dank, Deine Antwort hat mir auf jeden Fall weiter geholfen. Ich werde versuchen, einen Termin mit unserer Personalchefin zu vereinbaren, evtl. auch mit unserem Betriebsrat. Leider haben wir keine Behindertenvertretung, dann würde ich diese zu Rate ziehen.

Ich kann nicht verstehen, warum die Kollegen oder Vorgesetzten wenig oder gar kein Verständnis zeigen. Auf der einen Seite hat man betreten geschaut, als man sagte, dass ich MS habe, auf der anderen Seite wird es völlig übersehen. Ich kann doch nicht darauf hinweisen, das wäre mir unangenehm. Als ich letztens sagte, das wird mir jetzt aber zu viel, wurde mit entgegnet, dass ich nicht immer so viel “jammern” soll…

Nun ja, ich habe jetzt erst einmal eine Kur beantragt (ist das das gleiche wie eine Reha?); dann werde ich weitersehen.

Einen Behindertenausweis habe ich schon seit Anbeginn an, also seit ca. 10 Jahren (50 %).

Wirklich, man kann mir kündigen, aber mit der Behinderung stehe ich doch unter Kündigungsschutz, oder?

Ich danke Dir auf jeden Fall für Deine liebe Antwort, das hat mir weitergeholfen und ich bin wieder einmal froh, nicht alleine mit meinem Problem zu sein.

Auch Dir wünsche ich alles Gute für die Zukunft…

Liebe Grüße
Manu

Hallo Manu,
der Arbeitgeber hat ein Sonderkündigungsrecht ( auch bei eingetragener Schwerbehinderung) falls am bestehenden Arbeitsvertrag etwas verändert werden muss( Stundenkürzung). Die Schwerbehinderung macht es ihm allerdings etwas schwieriger da der AG gegenüber dem Integrationsfachamt ( gibt es in jeder größeren Stadt und ist für Schwerbehinderte zuständig, s. u. Landratsamt) glaubhaft versichern muss, dass er Deine Stelle nicht anders planen kann.
Ich bin inzwischen Mitglied im VdK, der Dir auf jeden Fall bei sofortigen Eintritt ohne Wartezeit weiterhelfen kann.
Mein Mann hat unseren email Wechsel mitgelesen und fläßt fragen, ob Du noch eine andere Gesundheit im Keller hast ( die Frage habe ich mir auch schon oft angehört und ich weiß, dass er Recht hat). Es dankt Dir keiner, wenn Du so weiterarbeitest und dann evtl. wirklich mal für lange Zeit ausfällst und sogar berufsunfähig wirst. Ich habe mich lange genug mit diesem Problem rumgeschlagen. Ich bin nämlich ein Mensch, der nie eine Schwäche zeigt und auch nicht so schnell um Hilfe bittet. Immer wieder überfordere ich mich und mein Mann muß mich dann wieder auffangen.
Übrigens eine Kur ist dasselbe wie eine Reha. Ich war das letzte Mal in Konstanz in der Schmieder Klinik und die sind richtig klasse dort. Du mußt nicht lange erklären, die wissen einfach was Du meinst. Also falls Du im süddeutschen Raum wohnst würde ich versuchen dorthin zu kommen. Ich habe gleich im Antrag gebeten mich dorthin zu schicken, da die Ahnung haben.
Falls Du noch Fragen hast, schreib ruhig. Ich bin aber erst morgen wieder online.
Bis bald
Kiki

Hi Manu,
ziemlich enttäuschend wie Euer Personalchef, Deine Firma mit Deinen Belangen umgeht! Ich kann es gut nachvollziehen, wie frustierend und depremierend das für Dich ist. Ich habe bei mir manchmal ähnliche Probleme, vor allem oft seitens meiner liebsten Kollegen. Mir merkt man in der Regel auch nichts von meiner MS an. So wie Kiki gehts vielen anderen MSlern (mir manchmal auch) man wünscht sich eine richtig sichtbare Behinderung. Sprich auf jeden Fall mal mit Eurem Betriebsrat, welche Möglichkeiten es gibt Deine Arbeitszeit zu senken - mir fällt zwar spontan kein Paragraf ein, der eine Firma dazu zwingt, aber es müßte eigentlich einen Weg auch in Eurer Firma geben. Habt Ihr bei Euch so wenig Schwerbehinderte oder Gleichgestellt, dass Ihr keine Schwerbehindertenvertretung habt?
Als sofort Maßnahme würde ich Dir eine stationäre Reha empfehlen, Du kommst einfach mal raus, kannst Kraft tanken und etwas für Dich tun und manche Kollegen mereken dann, dass es wohl doch was ernsthafteres ist. Liebe Grüße und alles Gute Andrea

Hallo Kiki, hallo Andrea,

ja, bin sehr oft frustriert. Ich kann einfach nicht verstehen, dass mir gegenüber so wenig Verständnis entgegengebracht wird. Ich kann doch nicht immer auf meine Krankheit verweisen, das sieht dann für mein Umfeld so aus, als würde ich mich dahinter verstecken. Aber so ist es nicht. Wenn ich gesagt bekomme “wir haben alle viel zu tun”, würde ich am liebsten entgegen: “dann hätte ich gerne Eure Gesundheit”. Aber ich will keine Eskalationen, das wäre alles was ich damit erreichen würde.

Unser Team hat einmal wöchentlich ein Teammeeting; ich dachte mir, dass ich das vielleicht einmal im nächsten Meeting anspreche und meine Krankheit erkläre. Aber ich weiß nicht, ob das etwas bringt.

Ihr habt Recht. Ich habe keine “zweite Gesundheit im Keller”. Die Reha habe ich jetzt beantragt, mein Arzt hat ebenfalls seinen Beitrag dazu geleistet, jetzt werde ich einmal schauen, ob es klappt.

Leider haben wir keine Schwerbehindertenvertretung. In unserem 500-Mann starken Unternehmen, gibt es wohl nur 2 Schwerbehinderte, inklusive mir.

Ich danke Euch für Eure lieben Antworten, fühle mich schon gar nicht mehr so allein damit :slight_smile:

Viele liebe Grüße
Manu

Hallo Manu,
es ist bestimmt eine gute Idee bei Eurer Teambesprechung mal zu erklären, was MS eigentlich so heißt. Ich habe das auch gemacht. Wir sind allerdings nur 4 Mitarbeiter plus Azubi. Eine zeitlang hat es auch wirklich geholfen, aber gerade mein Chef hat jetzt wohl alles vergessen, was ich gesagt habe. Ich denke eine wirklich gute Lösung gibt es nicht. Dir bleibt wohl, so wie auch mir, nur übrig immer wieder klar zu machen, dass wir nicht mehr so gut mithalten können. Auch mir widerstrebt es, immer wieder auf meiner Krankheit rumzureiten. Aber nun haben wir sie mal und auch die anderen müssen damit leben. Eines habe ich gelernt: So lange man funktioniert ist man hoch angesehen. Falls aber mal etwas nicht mehr so klappt ist man der A… Ich versuche nur noch an meine Gesundheit zu denken und lehne grundsätzlich jede Mehrarbeit ab. Dadurch werde ich natürlich nicht beliebter, aber ich sage immer wieder, dass keiner was davon hat, wenn ich mich überanstrenge und dann wegen eines Schubes für längere Zeit ausfalle. Manchmal kommt es an, manchmal auch nicht. Damit müssen wir wohl leben.
Übrigens habe ich meine Chef schon gesagt, dass ich ihm gerne die MS schenke und dafür mehr arbeite und regelmäßig da bin. Daraufhin war erst mal Ruhe. Aber von Zeit zu Zeit geht es wieder los und irgendwann werde ich wieder eine Aussprache mit ihm führen müssen.
Wir haben m.E. ein Recht, dass man auf uns Rücksicht nimmt. Die MS haben wir uns ja nicht ausgesucht. Also laß Dich nicht unterkriegen und sag ruhig auch mal was Sache ist. Das hilft Dir, da Du Deinen Frust los wirst und evtl. nehmen sie dann wenigstens eine Zeit lang Rücksicht auf Dich.
Übrigens wo wohnst Du denn? Ich wohne in Walldorf bei Heidelberg. Vielleicht können wir mal öfter schreiben? Ich habe so das Gefühl, dass wir ähnlich ticken.
Bis bald
Kiki

Hallo Kiki,

Du hast Recht, ich lass’ mich nicht unterkriegen. Sollen meine Kollegen/innen doch denken was sie wollen. Leider sieht man es uns nicht an, was uns immer wieder zum Verhängnis wird. Aber mein Gott, einem Gehbehinderten würde man nie auffordern schneller zu gehen, uns schon… :wink:

Hey, das ist ja ein Zufall. Ich wohne in Ladenburg bei Heidelberg…

LG Manu

Hi MAnu,
ich geb Dir hier mal meine private email adresse: wernermetzwalldorf@gmx.de. Da läßt es sich leichter schreiben. Gehst Du eigentlich zu einer Selbsthilfegruppe?
Ich habe heute alle Unterlagen für den Kurantrag zusammen und werde ihn dann gleich wegschicken. Bin mal gespannt wie lange es dauert, bis ich Antwort bekomme. Das letzte Mal hat es 3 Monate gedauert.
Grüße
Kiki

Hallo Manu

manchmal hilft auch ein Firmenwechsel… sollte es Dir möglich sein und sich die Situation zuspitzen würde ich die Möglichkeit ernsthaft in Betracht ziehen. Die neue Stelle dann natürlich genauer unter die Lupe nehmen, nicht dass sich die Geschichte wiederholt.

Es geht auf die Dauer nämlich auf Deine Gesundheit und es wird Dir keiner danken dass Du Dich so aufopferst. Sorry für die harten Worte, ist meine eigene Erfahrung.

Nur Mut! Glaube an Dich und an Deine Einschätzung der Situation :slight_smile:

LG
flocke

Hallo Manu,
sprich auf jeden Fall mal mit dem Betriebsrat, welche Möglichkeiten es wg. Arbeitszeitverkürzung gibt. Das ist normalerweise völlig unverbindlich und wird auch nicht publik. Der Betriebsrat wird Dir sagen was machbar ist und wie Du vorgehen mußt oder kannst und wie er Dich unterstützen kann. Du entscheidest welchen Weg Du gehen willst und wie oder vielleicht auch, dass Du nichts machst. Mit einer Schwerbehinderung kannst Du Dich auch an den Integrationsfachdienst wenden, sie können Dich beraten, notfalls (nur wenn Du willst) auch mit dem Personalchef, Deinen Kollegen oder Deinem Chef reden und Dich so unterstützen.
Liebe Grüße Andrea