Schönen guten Tag in die Runde!

Ich lese hier schon einige Zeit mit und würde mich nun auch gerne austauschen. Ich finde es toll, dass es diese wertvolle und informative Seite und diese Community gibt.

Einleitend möchte ich vorweg schicken, dass ich hier Niemandem zu nahe treten möchte. Falls meine nachstehenden Formulierungen unglücklich gewählt sein sollten, bitte ich gleich hier um Entschuldigung!
Es kann auch sein, dass dieses Thema schon öfter im Forum aufgetaucht ist und ich es nur nicht gefunden habe und nun einen weiteren Beitrag dazu erstelle.

Ich bin neu hier und Lebensgefährte einer MS-Patientin. Ich habe meine Partnerin bereits mit MS kennengelernt und beschäftige mich seither mit der Materie.

Als ich meine Partnerin kennengelernt habe, hat sie Copaxone gespritzt - dies allerdings nur mehr sporadisch, weil sie es über die Jahre einfach nicht mehr geschafft hat, sich täglich eine Spritze in diverse Körperstellen zu jagen.

Ich habe dann versucht, zu verstehen, wie die Medikamente wirken und wie deren Wirksamkeit einzuschätzen ist. Einfach, um für sie persönlich die beste Medikation zu ergründen - weil die Meinungen der Fachärzte sehr divergierten und die Erklärungen teilweise (für mich als Techniker, der gerne alles verstehen möchte) nicht schlüssig waren. Mit jedem neuen Arzt musste man sich also selbst intensiver mit den Therapien auseinandersetzen, um aus dieser Flut an Meinungen die vermeintlich (für einen persönlich) richtige zu finden.

Was ich für mich bisher mitgenommen habe (Korrekturen gerne erbeten, wenn ich irgendwo ganz falsch liege):

  • MS ist eine Auto-Immun-Erkrankung, welche die körpereigenen T-Zellen dazu veranlassen, die Myelin-Scheiden der Nervenstränge in Gehirn und Rückenmark wegzufressen.
  • Ursache dieses Defektes ist bislang unbekannt - nur die Auswirkung ist bekannt (Demyelisierung).
  • Das Resultat davon ist praktisch mehr oder weniger ein Kurzschluß dieser freiliegenden Nervenbahnen mit all seinen logischen Auswirkungen im Körper.
  • Alle rund 20 Medikamente zielen mehr oder weniger darauf ab, das Immunsystem so herunterzufahren, dass die T-Zellen nicht mehr auf die Idee kommen, die Nerven anzugreifen.
  • Tatsächliche Wirkungsweise mal mehr, mal weniger bekannt.

Ich vergleiche das gerne mit einer Chemotherapie bei Krebs oder einem starken Antibiotikum: nicht mehr als ein verzweifelter Versuch, durch eine massive Keule praktisch als Nebeneffekt dieser Zerstörung auch die eigentliche Krankkeit vielleicht in den Griff zu bekommen.

Als Techniker stelle ich für mich persönlich gerne den Vergleich mit einer Hausinstallation an, in deren Mauerwerk Mäuse zugange sind, die wahllos an den Kabeln knabbern. Es beginnt mit der Stehlampe im Eck - und man weiß nicht, was einen am nächsten Morgen erwartet. Sind die Mäuse überhaupt noch da? Flackert am nächsten Tag das komplette Haus und der FI fällt ständig? Für mich beschreibt diese Metapher die “tausend Gesichter” gut nachvollziehbar - und macht auch den Frust über diese große Unkannte ein wenig greifbarer.

Was mich aber nun seit Jahren beschäftigt, ist der Zugang der Fachärzte und die Wirksamkeit der Medikamente.

In meinem Vergleichsmodell bedeutet der aktuelle schulmedizinische Zugang, irgendein Gift in die Wände zu pumpen, in der Hoffnung, die Mäuse daran zu hindern, weiter aktiv zu sein. Als “Beweis” dieser Maßnahme dient der Zeitraum, in dem kein neuer Ausfall zu verzeichnen ist.

Und genau darum gehts eigentlich in diesem Beitrag: Mir ist einfach der Nachweis der Wirksamkeit der Medikamente nicht schlüssig. Es gibt doch gerade bei dieser Erkrankung keinerlei Möglichkeit einer Vergleichs- oder Erfolgsmessung. Oder täusche ich mich?

Bei einem Schnupfen weiß man die Dauer und kann ein neues Medikament gut testen. Ist der Schnupfen nach drei Tagen weg, hat es geholfen.

Bei MS funktioniert das aus meiner Sicht aber nicht. Es gibt keinen Kandidaten, der jeden ersten Montag im Monat einen Schub hat und man daher verlässlich sagen kann, dass genau dieser nun nach einem neuen Medikament ausgeblieben ist. Es gibt auch keine zwei Kandidaten (nicht mal Zwillinge), die man parallel betrachten könnte. Es gibt Berichte von Schüben trotz Medikation und ebenso stagnierende Fälle ohne Medikation.

Die ganzen Studien verwenden doch irgendwelche wahllos festgelegten Zeiträume und vergleichen lauter individuelle Kandidaten, um die Wirksamkeit eines Medikamentes zu “belegen”. Aus meiner Sicht gibt es aktuell aber absolut keine Möglichkeit, diesen Beweis verlässlich anzutreten. Die sprechenden Prozentzahlen der Reduktion der Schubrate sind doch nur teuer ergründete Theorie. Niemand kann verlässlich sagen, ob durch eine andere oder gar keine Medikation das Ergebnis genauso oder gar besser ausgefallen wäre.

Es ist daher nur logisch, dass hier Viele - so auch wir - irgendwann auch auf andere Ansätze, wie Vitamin D, N-Acytelglucosamin, Magnesium, etc. stößt, weil diese für den Laien nicht besser oder schlechter scheinen, als die alteingesessenen Medikamente.

Und das ist das eigentliche Dilemma: Man darf bei einem Facharzt oder einer Untersuchung bei der Krankenkasse nicht erwähnen, dass man aus persönlicher Überzeugung derzeit keine herkömmliche Langzeittherapie macht und lieber das Immunsystem für alle anderen Zwecke fit hält. Man erntet bestenfalls mitleidige Blicke, bekommt aber manchmal auch direkt unterstellt, dass man doch gar nicht gewillt ist, etwas gegen das Fortschreiten der Krankheit unternehmen zu wollen - mit allen Konsequenzen.

Beginnt man hier, mit den Fachleuten sachlich zu diskutieren, zieht man naturgemäß den Kürzeren. Immerhin haben die jahrelang studiert und man selbst nur ein wenig gegoogelt.

Es scheint, als ließen viele Fachärzte diese Sichtweise nicht zu - weil sie sonst eingestehen müssten, eben (noch) nicht viel zu wissen und eigentlich auch nicht wirklich helfen zu können. Als einzige Maßnahme können sie eben dieses Medikamentenportfolio vorschlagen und bei Aufkommen einer Diskussion sofort prophylaktisch blocken und auf die laufenden Studien und Forschungen zu verweisen.

Ich möchte hier explizit nicht sagen, dass die gängigen Medikamente unwirksam sind! Kann sein, dass sie tatsächlich gut wirken und ich nur nicht alles schlüssig nachvollziehen kann oder noch nicht alle Infos beisammen habe. Kann auch sein, dass sie es nicht tun - aber der Glaube daran trotzdem individuell zur Besserung beiträgt.

Ich denke, alles ist gut, wenn es hilft.

Ich möchte auch das Wissen und Engagement der Neurologen und Fachärzte nicht schmälern. Ich glaube, dass deren Einsatz und vor allem die Forschung noch viel bewegen kann, wenngleich der Zeithorizont für alle noch ungewiss ist. Und es ist vermutlich für die Ärzte oft ebenso frustrierend wie für Betroffene.

Aber ich glaube auch, dass eine gewissene Offenheit und Ehrlichkeit in der ganzen Kommunikation und Thematik fehlt und der weiße Ärztekittel oft auch als mentaler Puffer für die eigentliche Hilflosigkeit der anderen Seite herhalten muss.

Wie seht ihr das? Was sind eure Erfahrungen?

Danke und liebe Grüße

WebChaot

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Hallo WebChaot,

ist das so?
Dass diese Vermutung inzwischen wirklich belegt ist, wäre mir neu. Meines Wissens ist das die überwiegende Annahme und vieles spricht offenbar dafür, aber 100% sicher scheint es nicht. Du sagst ja selbst im Folgesatz, dass die Ursache immer noch unbekannt ist. Im Allgemeinen läuft MS wohl als “Chronisch entzündliche neurologische Erkrankung” oder auch als Entmarkungserkrankung. So zumindest meine letzte Info.

Und ja, ob ein Medikament wirkt oder nicht, kann man so schwer sagen, weil … was wäre wenn? * zeitzurückdreh * geht halt nicht. Ich seh das ähnlich wie du. Du hast dir viele Gedanken gemacht. Ich bin auch eher Pragmatiker und abweichende Einstellungen bei Ärzten durchsetzen ist in der Tat nicht immer einfach. Es erfordert z.T. ein dickes Fell und Durchhaltevermögen. Genau so tut es aber auch Not, eigene Ansichten immer wieder neu zu überdenken und der Situation anzupassen.

Und nicht alle Ärzte sind gleich. Ich hatte schon einen, der mit der Brechstange überzeugen wollte und jetzt einen, der sehr mit dem Patienten zusammenarbeitet.

VG Bluna

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Ich bin seit vielen Jahren nur noch bei meinem Hausarzt.
Wenn ich mal wieder eine “neue Idee” habe liest er sich mit ein und unterstützt mich auch bei der Umsetzung.

Das war mit meinen etlichen Neuros so nie möglich.

Uwe

Hallo Bluna!

Danke für Deine Antwort. So hätte ich es verstanden. Die T-Zellen fressen die Myelinscheiden, man weiß nur nicht, warum sie das tun. Aber auch, wenn das nur teilweise stimmt oder belegt ist, reicht mir das, um mir den Effekt und das Kranksheitsbild zu visualisieren.

Zu den Ärzten: wir haben aktuell tatsächlich einen Spezialisten, der die Thematik ähnlich sieht und das von mir beschriebene mehr oder weniger bestätigt hat - und uns trotzdem laufend untersucht und behandelt.

Hallo WebChaot,

Generell gut nachvollziehbare Gedanken. Dazu einfach ein paar Anmerkungen:

  • Die aktuelle Therapiepalette ist fast komplett auf das Immungetriebene Entzündungsgeschehen ausgerichtet. Hat viele Gründe wie Historie, bestehende Lösungen gegen ähnliche Indikationen oder auch einfach eine bessere Messbarkeit der Ergebnisse/Wirkung die Voraussetzung für eine Zulassung ist
  • Zulassungsstudien wirken manchmal improvisiert weil sie es in der Anfangsphase auch waren. Es mußte zunächst überhaupt ein reproduzierbarer Nachweis für Wirksamkeit mit den Zulassungsstellen in dieser Konstellation entwickelt werden. Mittlerweile haben Zulassungsstudie sehr genaue Einschlusskriterien und Protokolle um vergleichbare Patientenprofile zu verfolgen.
  • Manchmal wird in Fachkreisen polemisiert, ob die eigentliche Wirkung einer Therapie am Wirkstoff liegt oder an der starken Kontrolle der therapiebegleitenden Ärzte bzw. „Therapiebegleiter“ der Pharmahersteller. Die Therapietreue bei MS Therapien gilt generell als überdurchschnittlich hoch.
  • Als chronische Neurodegenerative Krankheit manifestiert eine MS sich in vieler Art z.B. im abnehmenden Volumen des Gehirns oder schlechter funktionierenden Mitochondrien. Das sind aber nunmal idR. sekundäre Prozesse die als Folge des Entzündungsgeschehens entstehen.
  • Man hat zwar mittlerweile ein klares Verständnis der eigentlichen Entzündungsreaktion wenn T-Zellen auf EBNA-Antigene stoßen und versehentlich auf Myelinproteine losgehen. Die anderen Entzündungsmechanisen wie z.B. die der Astrozyten sind noch nicht ausreichend verstanden.
  • Die Unterbindung der demyelinierenden Entzündungen am Anfang der Krankheit - insbesondere eine rechtzeitige Eskalation auf „stärkere“ Therapien- sind jedenfalls ein wichtiger Hebel, um auf die Krankheit einzuwirken.
  • Ein einfacher Wirkungsnachweis von den bestehenden Medikamenten lässt sich aus Populationsstudien herleiten die nachweisen können, daß das allgemeine Risiko eines Neuerkrankten im 20ten Jahr nach der Diagnose einen EDSS von über 5 zu haben von etwa 30% auf derzeit etwa 15% gesunken ist.
  • Einschlägige Medikamente verhindern also idR die schlimmsten Verläufe, können aber im Gegenzug nur bedingt einen Verlauf ohne Einschränkungen gewährleisten. Dazu fehlen einfach z.B. Medikamente für die speziellen Entzündungsmechanismen im Liquor.
  • Es gibt durchaus einige Möglichkeiten, antientzündliche Therapien zu begleiten. Vieles wird hier diskutiert. Wenn Neurologen nicht darauf eingehen, sind das vermutlich die falschen Neurologen um einen bei seiner MS zu begleiten.

Hallo Uwe!

Von Dir hier schon vieles gelesen :slight_smile:

Genau das verstehe ich nicht - bei Neurologen ist dies scheinbar noch viel ausgeprägter wie in anderen medizinischen Bereichen: Ärzte tun sich oftmals schwer, einzugestehen, dass sie Dieses oder Jenes einfach (noch) nicht wissen.

Stattdessen wird sehr oft mit dem erhobenen Zeigefinger agiert und darauf hingewiesen, dass man dann aber selber Schuld sei, wenn ein erneuter Schub eintritt und man nicht der Empfehlung des Facharztes gefolgt ist. Und wenn man was nimmt und sich das Krankheitsbild trotzdem verschlechtert, kommt sofort der Hinweis, dass dies ohne Medikation sicher noch viel schlimmer ausgefallen wäre. Aber aufgrund welcher Fakten?

Das erzeugt einen Gedankenstrudel, den man letztlich nur selbst bewältigen kann. Da muss man schon schwer an seiner Persönlichkeit arbeiten, um mental der Ärzteschaft paroli zu bieten.

Im Grunde sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass man in dem einen wie in dem anderen Fall seinen persönlichen Frieden mit seiner Entscheidung finden muss - weil vermutlich irgendwann der Tag kommt, an dem man sich selbst in den Arm nehmen muss und für sich das Gefühl haben, dass es so gut und richtig war.

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Hallo Marc!

Bist Du Medizinstudent oder Arzt? Oder nur belesen?

Die Aufzählung klingt auf jeden Fall sehr interessant und wird mich weiter beschäftigen. Danke dafür!

Ein einfacher Wirkungsnachweis von den bestehenden Medikamenten lässt sich aus Populationsstudien herleiten die nachweisen können, daß das allgemeine Risiko eines Neuerkrankten im 20ten Jahr nach der Diagnose einen EDSS von über 5 zu haben von etwa 30% auf derzeit etwa 15% gesunken ist.

Kann man diese Entwicklung tatsächlich direkt auf die Medikamente zurückführen? Immerhin können sich in 20 Jahren auch Umwelteinflüsse, Ernährungsweise oder andere Faktoren in diesem Ergebnis niederschlagen. Es gibt ja keine Parallelstudie, die zeigt, dass eine unbehandelte idente Vergleichsgruppe nicht auf 10% gefallen wäre. Geht ja auch nicht.

Möglicherweise muss ich mich da aber tiefer in einzelne Studien und deren Datenbasis einarbeiten. Ich habe bislang aber als Laie nur sehr schwer Quellen gefunden. Vermutlich, weil ich nicht weiß, wo ich zu Suchen beginnen muss.

Ändert jetzt auch nichts an der Krankheit und dem Verlauf oder der laufenden Forschung - ist nur für mein persönliches Verständnis.

Ich finde zwar nicht diejenige Studie auf welche ich mich vorhin bezog auf die Schnelle. Es gibt dazu aber einige andere. Hier z. B. eine aus Schweden.

Die Autoren der jeweiligen Studien sehen das zumindest als eine Auswirkung der Medikamente.

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Hallo, wollte grade auch auf Pupmed verweisen, aber das hast du ja bereits getan. :+1:

Ein Arzt, der mich als Patient nicht mitnimmt und statt mich zu begkeiten, nur stur seinen Richtlinien folgt, ist der falsche Arzt für mich. Leider scheint es grade bei Neurologen überwiegend letztere zu geben. Ich hatte jahrelang einen, der mich massiv unter Druck gesetzt hat, so dass es mir nach jedem Kontrolltermin allein schon tagelang mies ging. Das Ganze eskalierte schließlich.
Wie so etwas therapeutisch gut sein soll, ist mir ein Rätsel.
Wenn jemand gegen seine Bereitschaft etwas tut, kann das Medikament mMn. noch so toll sein, insgesamt wage ich zu bezweifeln, dass das der richtige Weg ist.
Als Patient ist man IMMER derjenige, der die Konsequenzen zu tragen hat. Egal wie er sich entscheidet. Das muss einem klar sein und deshalb sollte man sich sicher sein und sich zu nichts drängen lassen.Schon gar nicht unter Zeitdruck.

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Ich habe im Laufe meiner “Karriere” 7 Neurologen verschlissen…
Aber mit den letzten 3 habe ich mich nicht mehr so sehr gestritten, ich bin einfach weggeblieben.
Man entwickelt Resilienz :sunglasses:

Jetzt habe ich seit Jahren einen, der für die Facharzt-Bürokratie (Kasse, Reha, Ausweis…) nötig ist.
Er hat mir zu Beginn klar gesagt er könne mich nicht heilen, er helfe mir aber bei dem Papierkram.
Das war für mich absolut ok.

Und für alle “Ideen” habe ich seit 30 ! Jahren meinen Hausarzt. Der zieht meistens mit.
Wir sind zusammen alt geworden.

  • Ach ja:
    Ich schreibe seit längerem nur noch im AMSEL-Forum
    Früher war ich noch bei den ufos und Sally aktiv
    Das wurde mir zu viel und die Doppel-Postings zu mühsam

So long
Uwe

Hallo WebChaot,

Erst mal Danke für Deinen Beitrag - er hat wirklich punktgenau das zusammengefasst, was mir auch schon seit langer Zeit durch den Kopf geht.

Ich habe meine Diagnose 1991 erhalten (erster Schub vermutlich 1988). Damals gab es noch nicht wirklich Basistherapien, daher habe ich auch mit keiner begonnen. Kortison wurde auch damals schon verabreicht, das wollte ich aber nicht.

Irgendwann bin ich dann nicht mal mehr zum Arzt, wenn ich einen Schub hatte, da ich dachte, mehr als mir sagen, dass das ein Schub ist, kann der ja auch nicht (und das wusste ich ja schon …).

Nun ja, inzwischen sind 32 Jahre ins Land gegangen. Ich stehe definitiv schlechter da als zu Beginn, aber ich bin immer noch zu Fuß unterwegs, habe hauptsächlich sensorische Ausfälle und einige Störungen des vegetativen Nervensystems. (Also in meinem Gehirn um die 50 Läsionen, HWS ist sauber, BWS noch nicht untersucht). Das Ganze gepaart mit einer sehr ausgeprägten Fatigue.

Wäre das jetzt mit Basistherapie besser? Oder sollte ich jetzt mal eine anfangen, damit es nicht noch schlechter wird? Mein Neurologe (seit 3 Jahren habe ich wieder einen) ist der Meinung, natürlich sollte ich nun auf jeden Fall mit einer BT beginnen!

Aber mein (relativ gesehener) guter Zustand hat sich ja auch ohne BT erhalten, vielleicht ist dann jetzt eine BT gar nicht notwendig? Oder habe ich mein „Glück“ zu lange strapaziert und jetzt müssen mal ein paar Geschütze aufgefahren werden?

Andererseits: Wenn ich früher mit einer BT angefangen hätte, würden wahrscheinlich viele Ärzte sagen: Sie stehen noch gut da, das liegt an der Basistherapie…

Fazit: Wirklich wissen, ob und welcher Weg der Bessere ist, weiß keiner. Und schlussendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden und dann mit der Konsequenz dieser Entscheidung leben und sich nicht (falls es schlecht läuft) irgendwann dafür geißeln.

Mein Eindruck ist auch, dass man bei Ärzten eher auf Granit stößt, wenn man sich gegen eine BT ausspricht. Da wird ein (teilweise nicht mal mehr subtiler) Druck aufgebaut nach dem Motto: Wenn Sie das nicht machen, verweigern Sie sich einer „Heilung“ und sind ein unkooperativer Patient.

Ich habe eine BT die letzten Jahre abgelehnt und hatte dafür medizinische Gründe, die für den Arzt einsichtig waren. Vermutlich ist aber demnächst die Situation anders und dann tatsächlich eine Entscheidung möglich. Und ich weiß noch nicht, wie die bei mir ausfallen wird. Falls ich mich weiter gegen eine BT entscheide werde ich mit dem Arzt wohl unerfreuliche Diskussionen führen müssen, mal sehen…

In Bezug auf Ärzte habe ich aber sowieso die letzten Jahre gelernt: Sie haben das Fachwissen, sehen Dich in bestimmten Abständen ein paar Minuten und wenden da jedes Mal ihre Standards und Richtlinien an.
Aber Du bist diejenige, die mit der Entscheidung und den damit verbundenen Konsequenzen leben muss. Jeden Tag.

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Ich bin fast gleich lang betroffen (1989) nur spielt sich bei mir fast alles in der HWS (etwas BWS) ab. Im Gehirn fast nichts.

Daher habe ich inzwischen schwere körperliche Defizite und laufe noch max 20 Mtr. am Rollator.

Im Hirn ist einfach mehr “Plaz” für Läsonen als in der engen HWS.
Dumm gelaufen.

Kortison hat mir die so ca 10 Jahre immer sehr gut geholfen, hat sich immer alles zurückgebildet. Das war dann irgendwann vorbei.
Als BT habe ich mal 2 Jahre Avonex gemacht (2001-2003). Hat nix gebracht.

Danach war ich dann nur noch beim Hausarzt, außer ein Amt verlangte explizit einen Neurologen…

So long
Uwe

Und wer weiß schon, ob sich eine BT gar nachteilig im Gesamtverlauf auswirkt?

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Hallo WebChaot,

tatsächlich sprichst du in deinem Eingangsposting Fragen an, die ich mir auch schon lange stelle.

Hast du eigentlich folgenden thread schon gesehen? In diesem thread hat gerade neulich zu diesem Thema auch schon ein Austausch stattgefunden:

Ja, das könnte durchaus sein :thinking:

Weil BT’s teilweise durchaus ernste Nebenwirkungen haben, die den Körper in bezug auf seine Widerstandsfähigkeit und Regenerationsfähigkeit vielleicht schwächen können… :thinking:

Das ist sehr gut geschrieben. Danke.

Danke allen für die vielen Antworten!

Eine kleine Episode noch am Rande: am Beginn der Corona-Welle hat es uns als eine der ersten erwischt. Keine wirklichen Symptome und eher zufällig entdeckt, weil der Geruchssinn plötzlich weg war. Danach ebenso zufällig beim Kratzen am Kopf erkannt, dass diese Infektion einen Schub ausgelöst hat, der sich auf das rechte Auge ausgewirkt hat. Sofort wurde mit Cortison dagegengehalten - allerdings leider ohne Erfolg. Geruchs- und Geschmackssinn sind seither nahezu weg und das Auge ebenfalls schwer angeschlagen.

Aber: man fragt sich nach so einem Ereignis, wie das wohl ausgegangen wäre, wenn das Immunsystem des Körper durch jahrelange Basistherapie zusätzlich heruntergefahren gewesen wäre.

Dies bestärkte uns ein wenig in der Entscheidung, das Immunsystem nicht prophylaktisch zu schwächen bzw. auszuschalten, nur weil es eine gezielte Fehlfunktion hat.

Niemand käme auf die Idee, jeden Tag Antibiotika zu nehmen, weil man irgendwann mal von einer Zecke mit Borreliose infiziert werden könnte oder um vorsorglich keinen Schnupfen zu bekommen.

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Also Ocrevus würde ich heute durchaus machen, wenn ich nicht schon so lange in der ausschließlich degenerativen Phase wäre…

BT ist halt immer eine höchst individuelle Entscheidung.
Und solange die Ursachen nicht endlich klar erkannt sind fischt man da eben immer im Trüben…

Alles Gute
Uwe

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Jedes Medikament ist halt der Eingriff in ein Gesamtsystem und dafür, dass der Mensch dieses Gesamtsystem immer noch nicht gänzlich durchschaut, greift er ganz schön massiv ein.
Aber nicht nur das … Es muss m.E. auch die Bereitschaft für eine Maßnahme da sein, damit sie bestmögliche Chancen hat. Wenn ich mich gegen etwas innerlich sperre, weil ich nicht überzeugt bin, dann ist jede Aktion eine Vergewaltigung von sich selber und wie soll das gut sein?

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