Hallo Kathrin,
ob du in höherem Alter noch laufen kannst, kann dir jetzt noch kein Mensch sagen. Prognosen sind nicht möglich, der Verlauf einer MS kann nur im Rückblick beurteilt werden. Deswegen nützen die ganzen Verharmlosungs-Statistiken nichts.
Wer kann einem im voraus sagen, ob man zu den soundsoviel Prozent gehört, die mit 40 einen Rollstuhl brauchen, oder zu den soundsoviel Prozent, die nach einer Erkrankungsdauer von 24,3 Jahren auf einem Auge erblindet sind?
Das weiß man immer erst nachher. Außerdem sind das alles nur Mittelwerte aus allen Untersuchten. “Männer benötigten den Stock im Alter von 59 Jahren, Frauen im Alter von 60 Jahren.” D.h. auf jede Frau, die ihn erst mit 80 benötigt, kommt eine, die ihn schon mit 40 benötigt. (Sch…, ich hab die Statistik verdorben, ich hab ihn schon lange vor dem 60. Lebensjahr gebraucht.)
Natürlich verlaufen viele MS-Erkrankungen langsamer, wenn sie von Anfang an wirksam behandelt werden. Aber selbst wenn du nicht mehr laufen kannst, kannst du noch fahren. Auch im Rolli kannst du dich selbst versorgen. Ich hatte keine Angst vor dem Rolli, weil Rollifahrer schon zu meinem täglichen Umgang gehörten, bevor ich selbst einen brauchte.
Man denkt auch nicht ständig an diese Krankheit, selbst wenn sie einen pausenlos daran erinnern will, dass sie da ist, nicht nur durch die großen Schwierigkeiten, die sie einem macht, sondern auch durch viele kleine.
Am besten lebt man mit der MS, indem man jeden Tag genießt und sich über alles freut, was man noch hinkriegt, weil es nicht mehr selbstverständlich ist. Ich genieße es zum Beispiel sehr, meinen Einkaufszettel von Hand zu schreiben, weil ich Tage habe, an denen ich keinen Stift halten und ihn nur am PC tippen kann.
Wow, ich hatte einen super Tag, ich habe eine Glühbirne in einer Deckenlampe gewechselt und bin die Leiter raufgekommen und nicht runtergefallen! Wow, ich bin nur mit Stock (ohne Rollator!) 20 m weit gekommen und nicht hingeschlagen! Wow, ich habe meine Unterschrift hingekriegt, und auch noch so, dass ich sie wiedererkannt habe! Wow, ich komme noch ohne Hilfe auf die Toilette!
Eigentlich lernt man mit MS so zu leben, wie jeder, auch der Gesunde, leben sollte: sich an allem freuen, was einem vergönnt ist, weil man nicht weiß, ob es nicht das letzte Mal ist, dass man es erlebt. Ich genieße mein Leben!
Liebe Grüße
Irmgard