Hallo Mini,
ich frage mich immer noch, warum der Neuro deinem Mann partout das Fingo reindrücken will. Ich war heute bei meinem, und wir haben uns auch über Tysabri und Fingo unterhalten. Mein Neuro (niedergelassen, selbstständig in einer 2-Mann-Praxis zusammen mit einem Psycho) war meiner Meinung, dass das Wirkprinzip von Fingo so neu nun auch wieder nicht sei: es ist ein Immunsuppressivum wie das olle Azathioprin (und das tödliche DSG des Niels Franke), “nur, dass es viel teurer ist!” (meinte mein Neuro grimmig.)
Wir sind uns einig, dass er mir weder Tys noch Fingo geben würde, und dass ich es auch gar nicht von ihm haben wollte. Als niedergelassener Kleinstadtneuro und Familienvater mit 2 Grundschulkindern ist er nicht scharf auf Entdeckerruhm, rumreisen, Vorträge halten, Signierstunden geben und all sowas. Seine Freizeit gehört seiner Familie. - Er meinte, in der ersten Zeit nach der Zulassung eines neuen Medis wollen viele Kollegen Anwendungsbeobachtungen schreiben, und sind wie der Teufel hinter Patienten her, die sich von einer der altgedienten BTs auf eine der neuen Eskalationstherapien umstellen lassen.
Ich frage also mal vorsichtig: ist der Neuro, der darauf scharf ist, deinem Mann das Fingo zu geben, ein MS-Spezialist in einer Schwerpunktspraxis, oder einer mit einem hohen Publikationsausstoß (Artikel in Ärzteblättern oder so)? Braucht er noch Menschenmaterial dafür? Ist er Mitglied in einem Neuro- oder MS-Verein? Ich sagte dann zu meinem: “Also, ich muss Sie enttäuschen, ich mach Ihnen nicht die Ratte.” Wir machen uns nämlich oft über den ganzen Forschungsbetrieb lustig, und er meinte: “Sie wissen doch, wozu diese ganzen Nagetierversuche da sind?” Klar weiß ich das, das ist ein altes Späßle zwischen uns: “Damit die vielen angehenden Ärzte genug Dissertationsthemen haben.”
Ohne die Viecher müssten sie sich nämlich ein echtes Thema einfallen lassen, und darüber forschen und dann in 2 - 3 Jahren 350 Seiten schreiben wie Geisteswissenschaftler, und dafür hätten die meisten wohl keine Zeit. Wenn ein Medi mal zugelassen ist, interessieren Nager niemanden mehr - die braucht man für die Entwicklung bis zur Zulassung, aber die Erfahrungen, auf die es ankommt, kann man nur am Homo sapiens sammeln - auch die negativen -, nach der Zulassung, und am besten am eigenen Körper, als Patient. Ich bin schließlich kein Nager und ticke nicht wie einer. (Mir tun die Biester übrigens nicht leid - ich habe sie in meiner Kindheit im Grünen als Schädlinge erlebt, die über die Terrasse ins Haus eindrangen, Bettzeug und Bücher anfraßen und alles vollkackten, und ekle mich vor Mäusen und Ratten.)
Deswegen wundert mich eigentlich, dass bei deinem Mann der (niedergelassene?) Neurologe solchen Wert drauf legt, ihm das Zeug zu verabreichen, und die Klinikärzte eher nicht. Ist der so ne große Nummer? Bei einem niedergelassenen, jedenfalls einem wie meinem, wäre es schwierig, bei den ersten Verabreichungen die 6 Stunden Beobachtung zu gewährleisten (wegen des Bradykardierisikos). Ich kann ja nicht 6 Stunden lang auf der Untersuchungsliege im Sprechzimmer rumliegen, aber sonst hat er keine Liegemöglichkeit, und ein EKG hat er auch nicht. Vielleicht solltet ihr euch einfach nach einem anderen Neuro umtun, ohne große technische Ausstattung, einem, der das Kaffeewasser im Kocher heiß macht und nicht im Teilchenbeschleuniger.
Ich würde deinem Mann, dabei bleibe ich, erst mal ein hochdosiertes Interferon empfehlen, also Betaferon oder Rebif 44. Das beeinträchtigt nicht die Immunabwehr, im Gegenteil, es verbessert sie gegen Viren sogar. Vielleicht würde er ja darauf ansprechen, auch über die Erkältungssaison hinaus?
Alles Gute und liebe Grüße!
Renate