Hallo Karla und alle anderen Studierenden und Exstudenten,
meine MS fing 1995 mit der Diagnose an und der Feststellung Das haben Sie schon viel länger. Ich war damals grade 29 und Mutter eines 1j Sohnes. So, nun sollte Schluß sein? Das konnte doch nicht sein. Ungefähr ein halbes Jahr lang zog ich mich in mich selbst zurück, um mich zu sortieren. Was war mir wirklich wichtig? Worauf könnte man verzichten? Allen zum Trotz und guten, vor allem guten Ratschlägen zu wider bin ich nach wenigen Wochen mit Einschränkungen an die FH zurück. Ich konnte einfach nicht zu hause rumsitzen, die Wand ansehen und mir selbst leid tun. Mir fehlten die Kommilitonen und die Anforderung. Selbst mein Sohn war da nur ein schwacher Ausgleich (Wunschkind). Ich habe mein Studium in 13Sem mit Kind, MS und einigen krankheitsbedingten Ausfällen, die nicht nur mit MS zu tun haben fertiggestellt. DAS hat meiner Seele sehr gut getan. Danach kam die Jobsuche mit allem was der deutsche Arbeitsmarkt zu bieten hat. Vorallem Arbeitslosigkeit.
Eine Basistherapie hatte ich erstmal nicht, die habe ich erst heute (Copaxone) - nach 12 Jahren schubfreier MS! Dann kamen neue Läsionen am laufenden Band.
Man sollte sich wirklich die Zeit nehmen, sein eigenes Leben zu durchforsten und sich fragen was wirklich belastend ist und als als störend empfunden wird. Stichwort Stressoren.
Für mich war die Fragestellung was ich auf gar keinen Fall will, wichtiger. Dazu gehörten ganz klar Zeitmangel. Zeitmangel für meinen Sohn (Pubertät und Probleme mit der Verarbeitung der Trennung seiner Eltern), ätzende Arbeitszeiten (bis 20h abends) und immer samstags.
Inzwischen habe ich mich selbständig gemacht. Ok, als Innenarchitektin kein allzu großes Problem, solange man an Aufträge kommt. Und vorallem kein finzielles Risiko.
Was habe ich damit verloren? Die vermeintliche Sicherheit einer Festanstellung? Sehr bedenklich diese Annahme.
Nun befinde ich mich beim Jobcenter, habe mir alles absegnen lassen mit Selbständigkeit usw. Bin krankenversichert! und habe alle Zeit meine Zukunft zu planen und aufzubauen. Dazu gehören natürlich die Verbesserung der finziellen Lage. Gewonnen habe ich die Freiheit und Zeit mich selbst zu planen und das ist mir viel wert.
Mit dieser Entscheidung fiel vieles auf einmal weg. Keine ständige Arbeitsplatzsuche, nicht mehr die Verpflichtung am Arbeitsplatz zu erscheinen, egal wie man sich fühlt. Das war für mich Streß pur.
Jetzt werde ich den Schwerbehindertenausweis und alles mögliche beantragen, das ist gut fürs Finanzamt, schlecht wenn man im regulären Jobfindungsprozeß steht.
Um es nochmal zusammenzufassen: ich habe lange und ausgiebig studiert (BWL, Innenarchitektur und etwas Architektur) und mit viel Freude. Das hat viel Geld gekostet - mich, meine Eltern und auch den Steuerzahler (wer bezahlt sonst die Bildungseinrichtungen?). Und nun nehme ich alles zusammen und versuche das Beste daraus zu machen.
Ich wünsche euch allen viel Glück und ganz besonders den Mut und die nötige Unterstützung euren persönlichen Lebensweg zu finden.
Ganz liebe Grüße
Heike