Hallo, liebe Forumsteilnehmer,

ich versuche auf diesem Wege mit Menschen mit MS in Kontakt zu treten, die beruflich selbständig sind und möchte Erfahrungen austauschen, wie Ihr Krankheit und Beruf bewältigt.

Zu mir: Ich bin 40 Jahre, MS seit 1996, RR, bisher drei Schübe (einer gerade aktuell mit linksseitiger Lähmung in Arm und Bein, habe gestern Cortisonstoßtherpie abgschlossen und schleiche gerade aus). Copaxone-Basistherapie von April 2003 - April 2007, ab heute wieder.

Mir ging es viele Jahre mit der MS recht gut, ich habe nur sehr geringe Beeinträchtigungen gehabt. In der aktuellen Situation stellen sich mir aber wieder viele Fragen zum Handling der MS, vor allem um meine Arbeitsfähigkeit noch auf Dauer zu sichern. Als Selbständige (Projektgeschäft) habe ich immer wieder Phasen mit sehr hohen Arbeitsbelastungen, die ich auch nicht immer umgehen kann.

Mich würde interessieren, wie andere mit ähnlichen Berufsspitzenzeiten umgehen und welche Erfahrungen MS-ler mit ihrer beruflichen Selbständigkeit gemacht haben.

Herzliche Grüße,
Claudia

Hallo liebe Claudia,

ich bin 48 Jahre und weiss seit 2001 von meiner MS. Beinahe sofort bin ich mit Copaxone behandelt worden. Ich kann mich an keinen weiteren Schub erinnern (kein Kribbeln, keine Lähmung etc.), aber in einer Kernspinn-Aufnahme ist ein weiterer Herd festzustellen. Beruflich habe ich auch mit Projektgeschäft (aber nicht als Selbständige) zu tun und verstehe was Du mit Belastung meinst.

Ich habe in meinem Tagesablauf viele Entspannungszeiten, d. h. ich starte morgens mit Yoga und die Mittagspause habe ich auf 1 1/2 Stunden verlängert. Das ist genug Zeit für eine Entspannungsübung und Essen bei mir zu Hause (nicht in der Kantine). Wo ich kann reduziere ich Belastungen, d. h. ich habe z. B. eine Putzfrau. Ich bemühe mich loszulassen und für ausreichend Schlaf zu sorgen.

Herzliche Grüße
von
Ulrike

Hallo Claudia,

ich bin seit ca. 3,5 Jahren selbständig. Habe den Schritt damals gewagt, nachdem mein Chef, für den ich 20 Jahre gearbeitet habe, Insolvenz angemeldet hat. Zu der Zeit wußte ich noch nichts von dieser Krankheit und hatte bis auf eine Gesichtslähmung, die sich zum Glück wieder zurück gebildet hat, auch keine Anzeichen, solche Sachen, wie Füße kribbeln und Mißempfindungen hier und da, habe ich übergangen. Habe meinen Job schon damals geliebt und hatte gar keine Zeit, mit solchen Kleinigkeitenzum Arzt zu rennen.

Dann habe ich mich im Sommer 2004 selbständig gemacht. Meine Verträge habe ich alle mit links unterschrieben, weil ich den rechten Arm nicht mehr gebrauchen konnte, grausige Scmerzen und Lähmungen. Hab ich auf den Eröffnungsstress geschoben und der Orthopäde hat ja auch nichts gefunden!!

Das Büro lief sehr gut, die meisten alten Kunden kamen mit. Ich habe von morgens 9.00 bis abends 19.00 ohne Pause gearbeitet. Probleme wie gehabt weggesteckt.

Im Juli 2007 kam im Urlaub dann der Totalzusammenbruch, ein heftiger epileptischer Anfall. Danach in Deutschland dann die Diagnose, seitdem Hörsturz und aktuell Trigeminus, insgesamt 4 Wochen Krankenhaus, einige Wochen zu hause.

Der Umsatz ist weniger geworden, mein Job, Reisebüro, ist sehr personenabhängig, wenn die Frau fehlt, die jahrelang gut beraten hat, wenden sich viele lieber ans Internet. Auch die Veranstalter wollen ihre Zahlen haben, heißt bei uns Malusreglung, heißt, wenn du letztes Jahr gut verkauft hast, mußt du die Zahlen nächstes Jahr auch wieder bringen, sonst wirst du bestraft. Das heißt für mich, auch wenn ich nicht im Büro sitze, STRESS.

Sorry, das das jetzt so ein Roman geworden ist, aber ich weiss auch noch nicht, wie das weitergehen soll. Ich kann deine Sorgen sooo gut verstehen!!!

Der einzige Rat, versuch positiv zu denken und den Stress nicht so sehr an dich heran zulassen. Keiner von uns weiss was noch kommt, aber aufgeben wäre zu einfach, zumindest für mich.

Ganz liebe Grüße und viel viel Glück

Petra

Hallo Claudia,
ich bin 43 Jahre, seit 12 selbständiger Handwerker und weiß seit 5 Jahren von meiner MS. Die Diagnose kam genau in der Phase, wo es anfing, arbeitsmäßig zu boomen. Ich habe in der arbeitsreichen Saison 10-16 Stunden-Tage, da muss man erst mal mit dem Ganzen klarkommen.
Was mir besonders geholfen hat ist mein Fitness-Studio; es war erstaunlich, vieviel das ausmacht. Ich habe durch den Sport erheblich mehr Kraft und Ausdauer bekommen, mir hilft das ungemein. Man hat einfach bessere körperliche Voraussetzungen, um stressige Phasen zu überstehen. Gleichzeitig versuche mir aber auch Ruhephasen zu gönnen (klappt nicht immer).
Ein weitere Vorteil seit der Diagnose bei mir: ich sehe vieles viel entspannter.
Ich habe mir Hilfe in Form von Mitarbeitern gesucht, (Aushilfen und Festangestellte); ich verdiene jetzt weniger, habe aber Leute, die mich im Falle eines Schubes entlasten. So weiß ich jetzt, wenn ich schub-bedingt ausfalle, dass mich jemand verteten kann, das hilft mir mental sehr weiter und nimmt ganz schön den Druck raus.
Letztendlich muss jeder selbst wissen, was er leisten kann und will. Solange mir die Arbeit bei allem Stress Spass macht, mache ich weiter.(Muss sowieso so lange arbeiten, bis die Berufsunfähigkeit-Vers. zahlt). Das kann aber gerne noch eine Weile dauern.
Alles Gute
Otto

Liebe Forumsteilnehmer,

vielen Dank für Eure sehr ermutigenden Antworten und Eure hilfreichen Tipps. Eure Beiträge zeigen mir, dass es gelingt, mit MS auch höhere Belastungen zu tragen, wenn man die Ruhe bewahrt und seine Möglichkeiten (Arbeitseinteilung, Lebensweise, Organisation) geschickt nutzt.

Ich habe bisher keine Kontakte (z.B. Selbsthilfegruppe o.ä.) zu andern MS-lern aufgenommen und hatte (mangels Wissen über Erfahrungen Anderer) im Hinterkopf oft die Sorge, dass ich zwangsläufig im Beruf zurückstecken muss. Und dass die Selbständigkeit auf Dauer prinzipiell nicht durchzuhalten ist. Nun lese ich von Euch Gegenteiliges und das tut mir sehr gut.

Eure positive und ruhige Sicht im Umgang mit der MS hilft mir sehr dabei, die diffuse Angst “was kommt?” zurückzudrängen und nach konkreten Lösungen für die aktuelle Situation zu suchen. Um eine gesündere Lebensführung bemühe ich mich seit einiger Zeit (Ernährung, Schlaf). Sportlich bin ich nicht so engagiert (außer Spaziergänge, diese dann aber ausgedehnt), aber ich werde mir einen Feldenkrais-Kurs suchen, um etwas mehr Bewegungsorientierung zu erlernen.

Ganz herzlichen Dank für Eure Antworten und für Euch alles Gute,
Claudia

Liebe Petra,

ich bewundere Deine Stärke in Deiner jetzigen Situation sehr. Obwohl Du jetzt so viele Beschwerden hast, nimmst Du Dir Zeit auf meine Frage zu antworten und trotz aller Sorgen, die Du jetzt hast, lese ich ich aus Deinen Zeilen so viel Mut und Zuversicht.

Ich wünsche ganz besonders Dir, dass es Dir täglich wieder besser geht und dass Deine Firma diese Phase gut übersteht, dass Du Lösungen für die Zukunft findest und gute Unterstützung von Anderen erfährst.

Meine kleine Firma ist auch ein personenbezogenes Dienstleistungsgeschäft (wir machen technische Dokumentation und arbeiten in Projekten eng mit den einzelnen Abteilungen unserer Kunden zusammen). Da kann es – wie Du auch schreibst – nachteilig sein, wenn Ansprechpartner bei uns ausfallen. Andererseits habe ich in den letzten Jahren auch die Erfahrung gemacht, dass Kunden, die z.B. aus Termin- und Kostengründen einen anderen Dienstleister wählten, später entweder zurück kamen oder andere neue Aufgaben für uns hatten. Ich stelle mir vor, dass Du Ähnliches in Deinem Geschäftsfeld erlebt hast, und wünsche Dir, dass Du aus allen Deinen Erfolgen weiter Deinen Optimismus ziehst.

Ganz herzliche Grüße,
Claudia