Ich habe lange mit mir gerungen, meine Erfahrungen und Erlebnisse in den letzten Jahren öffentlich zu machen. Und es ist bis heute ein schwerer Kampf, der in mir tobt. Ich bin selber Krankenpfleger und verstehe die Krankheit als ganzheitlichen Prozess. Jedoch hat die Multiple Sklerose mir in den letzten Jahren psychisch, finanziell und physisch sehr zugesetzt.
Meine/ unsere Geschichte:
Meine Mutter erkrankte mit 32 Jahren an MS. Damals war ich 12 Jahre alt und mein Bruder 6 Jahre. Mein Bruder ist zu 100% schwerbehindert.
Meine Mutter hat eine der schlimmsten Formen, die es gibt: stetig progredient verlaufend und mit nicht reversiblen neurologischen Störungen. Heute ist meine Mum 43 Jahre alt und sie lebt in einem Pflegeheim in unserem Wohnort. Die Krankheit ist in den letzten 11 Jahren so weit fortgeschritten, dass sie heute die Pflegestufe drei innehat, nicht selbständig essen kann, an den Rollstuhl gefesselt ist, keine Extremität bewegen kann, nicht mehr sprechen kann, auf Ansprache nicht reagiert und Probleme mit der Atemtätigkeit hat.
Es gab damals einen gewaltigen Schub, nach welchem meine Mutsch ins Pflegeheim \“kommen\” mußte. Mein damals 15 jähriger Bruder kam zu mir und meiner Ehefrau. Ich übernahm mit 19 Jahren die Betreuung für meine Mutter und meinen Bruder. Seit damals lebt mein Bruder ständig bei mir und wir haben so manche schlimme Zeit durchgestanden. Meine Frau war nach 1,5 Jahren dieses Zusammenlebens der Meinung, dass sie all die Notwendigkeiten und den Aufwand in Bezug auf meinen Bruder und meine Mutter nicht mehr \“erdulden\” kann. Sie trennte sich von mir und seit einem guten Jahr bin ich geschieden.
Ich habe, während ich in der Ausbildung war, meine Mutter und meinen Bruder \“durchgebracht\”. Darauf bin ich auf der einen Seite sehr stolz, jedoch hat dies auch tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Ich bin jetzt 23 Jahre alt. Es ist mir unmöglich, eine normale Beziehung zu einer Frau zu führen, da es in meinem Alter keine mitmachen würde. Ich bin manisch- depressiv geworden und frage viel zu oft nach dem Ziel meiner Existenz.
Die ganze Geschichte unserer Familie schreckt so viele ab, dass ich selten über all das reden kann. Selbst Berufskollegen bringen kein Verständnis auf!
Hinzu kommen die finanziellen Belastungen, die Behörden\“eskapaden\” und das Gefühl, nicht alles gegeben zu haben… Bzw. nicht das Beste was man leisten kann.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mit all dem alleine dastehe. Aber ich weiß, dass es gerade in diesem Forum noch Menschen gibt, deren Schicksal ähnlich ist. Diese heimtückische Krankheit fordert von allen Beteiligten das letzte ab.
Mein Problem ist, dass mir die entsprechenden Ansprechpartner fehlen. Ich brauche dringend Hilfe wegen der finanziellen Absicherung des Heimplatzes. Ich sehe zur Zeit kein Land mehr.
Ih würde gerne alle meine Erfahrungen einfach mal loswerden können, aber unser Schicksal interessiert keinen…
Einfach mal reden, wär schon toll.
Ich will euch hier nicht die Ohren vollheulen. Es gibt so viele Schicksale, die mit der Multiplen Sklerose verbunden sind, wir sind nur ein Absatz davon. Aber es geht doch bestimmt vielen so oder? Es haben doch bestimmt noch andere Menschen solche Angst vor der Zukunft oder? Es sind doch noch viele Angehörigen da draußen, die sich überfordert fühlen?
Oder?
Weimar, der 06.02.2008