Hallo Renate,

offensichtlich bist Du nicht nur betroffen.
Dein Wissen ist beispiellos.

Ich verfolge praktisch alle Deine Antworten und Anregungen in den einzelnen Diskussionen und bin jedesmal geplättet was Du drauf hast. Vorab mal vielen Dank.

Jetzt hast Du bei mir jedoch einen Stein losgetreten. Das Uhthoff- Syndrom!
Ich hatte davor noch nicht wirklich realisiert was es bedeutet. Bis ich eben las, dass Du es hast und was es verursacht, war ich eher unbedarft.
Sollte ich wirklich die Wärme meiden? ich war so stolz, dass ich trotz allerlei Defiziten, (fast)alles kann. Sauna, Urlaub, meine Wechseljahre und natürlich meine allwöchtentlichen Nebenwirkungen durch das Interferon! Meine Augen lassen schon kommen.
Wie sind Deine Erfahrungen in diesem Fall?
Wie hatte sich das bei Dir gezeigt.
Kühle Grüße von
mohnche

Hallo Mohnche,

ich bin zwar nicht die Renate, aber ich leide auch sehr unter dem Uthhoff-Syndrom.
Ich meide alles direkte Sonne, warme Bäder, Sauna sowieso. Und jetzt zu allem Elend stellen sich die Hitzewallungen ein. Ich habe das Gefühl ich habe immer Fieber. Habe aber keins.
Bei der Wärme verschlechtert sich das Laufen extrem bis hin zu massiven Lähmungen des Beines, Sehstörungen auch bei Wärme und körperl. Tätigkeit bei Wärme.
Weiß jemand was gegen die Hitzewallungen hilft ???Pflanzlich !!!

LG Mely

Hallo mohnche,

herzlichen Dank für dein Lob! Naja, ich würde mich, wie wahrscheinlich wir alle, lieber mit ganz was anderem befassen als mit dieser MiStkrankheit, aber da ich sie schon mal habe, komme ich besser damit zurecht, wenn ich verstehe, was in meinem Körper vorgeht, was die Ärzte mit mir anstellen, und wie die Medikamente wirken.

Krankheiten sind etwas, womit ich mich, nolens volens, fast mein Leben lang befassen musste, denn ich war schon als Kind öfter krank als gesund, und seit ich in der Pubertät war, waren meine Eltern auch nur noch krank. Meine große Schwester war schon aus dem Haus, sodass ich meine Eltern allein an der Backe hatte.

Ich muss etwa ein Viertel meiner Grundschulzeit im Bett verbracht haben. Wenn ich mit den verfügbaren Büchern durch war (Durchschnittsverbrauch 1 Buch pro Tag), las ich die Zeitschriften meines Vaters, z.B. “Reader’s Digest”, “hobby” und dergleichen. Ab acht las ich auch Frakturschrift, kein Buch war vor mir sicher. Hausfrauliches Grundwissen wie Kochen, Putzen, Flicken, war aber nicht so meins (ist es heute noch nicht).

Zwischen meinen Bronchitiden (ja, das ist der Plural) und Lungenentzündungen sah ich immer mal wieder kurz die Schule von innen und lernte mal eben den Stoff von den letzten Wochen nach. Ich habe trotz meiner seltenen Anwesenheit nur einmal im Unterricht total versagt: als ich das tägliche Morgengebet vor dem Unterricht der Klasse vorbeten musste.

Simple vier Zeilen. Das war bei mir immer da-rein-da-raus gegangen, ich konnte es nicht. (Den 23. Psalm hätte ich gekonnt.) Ich musste es dann -zigmal schreiben. Sonst habe ich die Sachen, die wir auswendig lernen mussten, immer perfekt gekonnt. Es war wirklich nur dieses eine kurze Gebet. Nach der Strafarbeit konnte ich es aber und kann es bis heute, wodurch mir der pädagogische Wert von Strafarbeiten bewusst wurde.

Aber ich fange schon wieder an zu faseln! Zum Thema: Also, wenn du Sonne, Sauna, heiße Bäder, heißes Essen usw. usf. gut verträgst, sehe ich keinen Grund, warum du darauf verzichten solltest - dann gehörst du einfach zu jenen MSsies, die vom Uhthoff-Syndrom verschont geblieben sind.

Uhthoff bei mir: das ist, wenn ich zu warm dusche und meine Beine nachgeben. Ich dusche zwar im Sitzen, aber um vom Duschhocker aufstehen zu können und mit Rollator von der Dusche bis zum Bett zu kommen, brauche ich genug Muskeltonus, und dafür muss ich für die 10 m Gehstrecke genug abgekühlt sein.

Uhthoff ist, wenn das Essen oder Getränk zu warm war und ich liegen bleiben muss, bis ich mich wieder abgekühlt habe, weil ich sonst zusammenfalle wie ein Soufflé, wenn ich aufzustehen versuche. Warme Mahlzeiten und Getränke sind riskant und nur im Liegen zuträglich.

Uhthoff ist, wenn ich etwas Anstrengendes gemacht habe, z.B. fünf Minuten stehen und gehen (immer am Rollator), um den Abfall zum Mülleimer zu bringen, und anschließend bei derselben Expedition nach draußen auch noch den Briefkasten zu leeren.

Nach dieser sportlichen Höchstleistung bin ich so erhitzt, dass ich manchmal gerade noch den Weg vom Aufzug bis in die Wohnung zur nächsten Sitz- oder Liegegelegenheit schaffe. Manchmal schaffe ich ihn auch nicht mehr. Dann geben meine Beine nach, als wäre ich eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hat. Manchmal lande ich auch so verknotet wie eine ebensolche. Kreuzbandriss war dabei auch schon inbegriffen.

Um nach so einer Anstrengung wieder auf die Beine zu kommen, hat es sich bewährt, wenn ich gar nicht erst versuche, hoch zu kommen, sondern mich flach auf den Fliesenboden lege. Besonders gut ist es, wenn dabei mein T-shirt nass ist. Das kühlt! Ich brauche dann nur zehn Minuten still auf den Fliesen zu liegen, dann ist die Körperkerntemperatur ein paar Zehntel Grad runter, meine Beine funktionieren wieder, und ich komme wieder hoch, indem ich mich an einem Stuhl oder am Rollator hochziehe.

Uhthoff ist, wenn ich geduscht habe, danach ohne unfreiwilligen Bodenkontakt glücklich ins Bett gelangt bin, und dann gerne noch ein bisschen gelesen hätte, aber alles nur verschwommen und doppelt sehe. Das vergeht aber nach ein paar Minuten, zumal ich meine Haare an der Luft trocknen lasse. Auch das kühlt.

Prof. Dr. Wilhelm Uhthoff war Augenarzt (er hatte auf den Tag genau 101 Jahre vor mir Geburtstag, das verbindet uns!), und beschrieb 1890 als erster “die nach körperlicher Anstrengung auftretende vorübergehende Verschlechterung der Sehschärfe bei Patienten mit Multipler Sklerose.” ( http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Uhthoff ). Es ist also wirklich zuerst das Sehvermögen, wo sich sein Syndrom bemerkbar macht.

Ich habe mich damit arrangiert; man ist inzwischen von mir gewöhnt, dass ich auch im Winter keinen dicken Mantel trage und dass ich im Oktober noch mit kurzen Ärmeln herumlaufe, bzw. -humple. Mein Temperaturfenster ist sehr eng: von 19 °C abwärts macht mir die Spastik zu schaffen, ab 24 °C Herr Uhthoff. Fieber holt mich von den Beinen; wenn ich weiß, dass ich welches bekommen werde, muss ich mich rechtzeitig vorher hinlegen. Nun ja, man arrangiert sich, so gut es geht.

Das Gute an diesen ganzen Störungen ist, dass sie durch Abkühlung gebessert oder behoben werden können. Deswegen mache ich mir darum nicht groß einen Kopf. Could be worse! Ich lebe immer noch allein, kann mich selbst waschen und anziehen, und das war nach dem “Crash”, den meine MS mir 2003/04 (vor der Diagnose) bereitet hat, nicht zu erwarten.

Danke fürs Lesen; ich habe jetzt ein Rendezvous mit Willi U., treffe ihn unter der Dusche, mal sehen, ob er mir heute ein Bein stellt, dieser Wüstling.

Liebe Grüße!
Renate

Hallo Mely,

schön, dass Du schreibst.
Ich wollte auch eher mit “Fragen wir Renate” ein Augenzwinkern verursachen.
Sie ist hier allerdings schon toll unterwegs.
Auf Deine Hitze zu kommen.

Offensichtlich gibt es da nicht viel… sonst hätte ich es.
Es helfen mir da aber Hand und Fußbäder sowie Tee.
Ich hab das Rezept aus einem Buch meiner Mutter. Es ist ein Heilkräuterlexikon.
Bestehend aus Weißdornblüten, Mistelblätter und Salbei für die Bäder. Für den Tee Salbei, Rosenblütenblätter, Minze, Fenchel, Basilikum. Von jedem eine Prise in eine Schale ( ca. 1Liter), mit kochendem Wasser aufgießen, ca. 10 Minuten ziehen lassen und davon jeden Abend zwei Tassen trinken.

Das kannst Du aber auch gerne nachlesen im " Das Messegue Heilkräuterlexikon" erschiehnen im Molden Verlag. ( wenn es noch im Handel ist )
Macht zwar etwas Mühe aber hilft ganz gut. Außerdem kommt man sich vor als käme gleich die Inquisition und schafft einen gleich auf den Scheiterhaufen. Es hat was von Hexenkessel und Zauberei.
Bleib kühl
Gruß mohnche

Liebe Renate,
vielen, vielen Dank für Deine Antwort. Ich bin sicher du bist ein toller Mensch.

Das Wissen von Dir ist hier wirklich was wert.
Ich mache mir oft Gedanken um das was noch kommen mag und bin jeden Tag auf´s Neue froh, wenn er gut gelaufen ist. Ich kann nicht immer ohne fremde Hilfe aufstehen, nicht lange genug Pipi anhalten, nicht richtig schmecken, nicht genau sehen und hätte mir ohne Lyrica schon ( ohne Quatsch ) das Leben genommen. Die schlimmsten Schmerzen, die sich kein Mensch vorstellen kann, der sie nicht schon mal hatte.
Ich bin übrigens 112 Jahre nach Willi, aber nicht auf den Tag, geboren. Ich führe aber für Nichtwisser
( jedoch kein Geheimnis ) ein frisches und gesundes Leben.
Ich bin jetzt schon beruhigter und denke Du hast Recht. Es sind so die kleinen Dinge, die mich zwischen müde und Arbeit aufrecht halten… wie z.B. Sauna oder Therme. Mal in der Sonne liegen, wenn auch nur kurz ( lange konnt ich noch nie ) macht mir Freude.
Und froh sein soll ja heilend sein.
( kommt viel zu selten vor )

Mit den besten Grüßen an Dich und nochmals Dankeschön sagt
das mohnche
gute Nacht

Liebes mohnche,

es freut mich sehr, dass du meine Antwort zu später Stunde noch gelesen hast! Ich habe extra das Notebook angelassen, um nach dem Duschen nochmal hier reinzuschauen. Meine Wach- und Schlafzeiten sind, zugegeben, etwas chaotisch.

Willi U. war unter der Dusche ganz gutmütig und hat mir diesmal kein Bein gestellt.

Dass es Schmerzen gibt, die so stark sind, dass man sich umbringen könnte, weiß ich. Mir fällt dazu das Stichwort “Trigeminusneuralgie” ein. Wenn du die hattest, dann halte ich ganz demütig meine Klappe, denn ich hatte noch keine, und daher kann ich nicht mitreden.

Ja, bei so etwas stößt alle Blümchen- und Esoterikmedizin an ihre Grenzen. Da braucht es beherzte Mediziner, die starke Medikamente einsetzen, keine Zauderer und Zweifler. Mein Hausarzt ist zum Glück so einer, der hat als Arzt ohne Grenzen an der Basis gearbeitet, während der Meningitis-Epidemie 1996 in Nigeria. Der hat sich engagierter um meine neuropathischen Schmerzen gekümmert als mein Neuro, und hat auch keine Angst, mich mit Dexamethason zur Selbstmedikation zu versorgen. Diese Ärztegeneration kann mündige Patienten verkraften.

Heute nachmittag besuche ich meinen Neuro, dann werden wir meine neuen Kernspinbilder besprechen: keine Schrankenstörung - keine Raumforderung (ich habe ein suspektes UBO im Schädel). Dann wird er ein paar kleine Untersuchungen machen, und dann wird er mir vom Hund erzählen. Ohne Witz: Familie Neuro hat seit dem Frühjahr einen blonden Labrador. Vielleicht hat er ein paar neue Fotos von “Kasimir” mit. Die schauen wir uns dann nach den Kernspinbildern am Bildschirm an, und das betrachten wir als "psychiatrische Untersuchung. So lässt es sich aushalten und wir bleiben hoffentlich noch lange Freunde.

Lass dich nicht unterkriegen von dem MiSt. Ich tu’s auch nicht.
Ganz liebe Grüße und alles Gute!
Renate

Hallo mohnche,
ich habe die Erfahrung gemacht, dass die schlimmsten Schmerzen noch nicht die Schlimmsten waren. Dieses Jahr wurde ich am Trigeminusnerv operiert und bin seit dem Schmerzfrei. Ich hoffe dass es so bleibt. Durch diese Sache habe ich mich, durch meine Blasenschwäche, für einen Blasenkatheter entschieden. Nicht mehr 6x nach einem Kaffee zur Toilette. Herrlich. Viel trinken ( ich mußte mich daran erst gewöhnen), die Haut belohnt es. Nicht mehr vor einem Ausflug erstmal Toiletten suchen. Büsche tun es auch zum Beutel leeren. In Indien lassen das “reiche” frauen ganz normal machen, da es so wenig Toiletten gibt. Krass.
Ich liebe die Sonne. Wenn ich merke, dass mein Körper schlapp machen will, gehe ( rolle) ich schnell in den Schatten.
LG, Ina

Hallo Ina,
das ist interessant zu wissen. Du wurdest bei MS am Trigeminus operiert. Mein Neurologe sagte mir, MS-bedingte Trigeminusneuralgie sei nicht richtig lokalisierbar und daher nicht oparabel. Ich leide seit Anfang des Jahres an Trigeminusschmerzen, die mit Carbamazepin noch in Schach gehalten werden. Ich habe es erst mit TCM versucht und hatte dann im Mai einen so schlimmen Anfall, dass ich sofort Carbamazepin genommen habe. Bisher bin ich bei 250 mg am Tag, aber ich habe große Angst, dass es immer mehr steigt. Und was mache ich dann? Ich habe im Moment damit zu tun, dass ich dieses Problem für unlösbar halte. Auf keinen Fall möchte ich so vernichtende Schmerzen aushalten müssen. Daher habe ich schon an eine OP gedacht, worauf mich mein Neurologe aber stark ernüchterte.
Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass es sich gelohnt hat und du schmerzfrei bleibst.

Liebe Grüße
Gis

Hallo Gis,
wenn Du Dich beraten lassen willst, kannst Du mit Prof. Morgalla (Tübingen) sprechen, der auch die OP durchführt. Einen Termin kannst du unter der Tel.Nr. 07071-2986679 vereinbaren.
Bei MS Patienten wird eine Thermokoagulation durchgeführt.

Alles Gute, lG, Ina

Liebe Ina,
vielen Dank. Habs mir notiert für alle Fälle. Ich werde es vorher noch mit der Kopfklinik in Heidelberg besprechen. Mal sehen, was die sagen.

Viele Grüße
Gisela